Trompetenanton

DDR 1981 TV-Spielfilm

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Heinz17herne
Heinz17herne
Zirkuszelt, beifallumrauschte Vorstellung. Hinter den Kulissen thront ein pausbäckiger strahlender Junge auf einem barocken Sessel. „Das ist Anton Eisenberg“, lässt uns ein Sprecher (Klaus Piontek) aus dem Off wissen, „er wurde im Zirkus geboren.“ Wenn Anton traurig ist, dann genügt die Trompeten-Fanfare des Clowns Rico, um den Kleinen zu beruhigen. Der kleine Anton, dessen Vater (Jürgen Heinrich) Zauberer und dessen Mutter (Madeleine Lierck) Zirkusreiterin im Zirkus Kosmos ist, übt auf seiner Trompete viele Jahre mit wenig Erfolg, aber mit großer Ausdauer. Schließlich will er Rico nacheifern und Musikclown werden. Als Anton (Andreas Pfaff) in die zweite Schulklasse geht und mit Marieke (Juana Hoppe) und Mariechen (Katja Heinrich) gleich zwei jüngere Schwestern zu beaufsichtigen hat, sind seine Eltern das unstete Artistenleben leid. Zumal Mutter Eisenberg das vierte Kind erwartet. Sie lassen den Zirkus Kosmos nach Prag weiterziehen und beziehen eine Neubauwohnung im 18. Stock: nicht so heimelig wie im Zirkuswagen, der letztmalig beim Umzug seine Dienste leistet, aber mit Badewanne – was besonders die Eltern zu schätzen wissen. Papa baut nun Häuser, was ihm offenbar nicht in die Wiege gelegt wurde, seiner stets gute Stimmung aber keinen Abbruch tut.

Anton kann in der neuen Umgebung nicht schlafen – und erkundet die endlosen Flure des Plattenbaus im Schlafanzug. Er wundert sich über die zahlreichen Schuhe, die paarweise vor den Wohnungseingängen stehen. „An den Schuhen erkennt man den Menschen“ weiß der nette Hausmeister Schlappke (Fred Delmare), der den Kleinen zurück ins Bett schickt: „Der erste Traum im neuen Haus geht in Erfüllung.“ Anton träumt natürlich vom Zirkus, wo er als Musikclown die Trompete bläst, welche sich selbständig macht – zum Erstaunen auch der Nachbarskinder, die Anton beim Einzug misstrauisch beobachtet haben. Der übt fleißig weiter auf seiner Trompete, was den Nachbarn Hugo Wintermeier (Hans-Edgar Stecher) auf die Palme bringt: als Fernfahrer braucht er tagsüber seinen Schlaf. Den Protesten auch anderer Nachbarn, so beschweren sich die Eheleute Karsch (Carl-Heinz Choynski und Heide Kipp) darüber, dass bei ihnen der Putz bröckelt, wenn Anton spielt, begegnet Papa Eisenberg mit verständnisvoller Gelassenheit: „Wie soll einer ein Mozart werden, wenn er nicht ‘mal üben darf.“ Antons Ziel ist der „silberne Ton“, den der alte Rico beherrschte und damit allabendlich die ganze Manege mitten ins Herz traf. Aber wo üben, damit sich niemand gestört fühlt?

Das kleine Nachbarsmädchen Pille (Michaela Hotz) weiß Rat: im Keller neben der Waschküche. Aber da fühlen sich die dort tätigen Mieterinnen wie Frau Karsch und Frau Wintermeier (Ursula Christowa-Staack) gestört, der blockierte Aufzug scheidet nach dem ersten Versuch auch aus, selbst im Park, wohin Anton sein gerade zahnendes Brüderchen (Raiko Stoltenburg) im Kinderwagen schiebt, findet sich jemand, dem die Trompete zu laut ist. Am Eingang zum Wohnblock hängt nun das Schild „Musizieren verboten“. Das nur bei Oma Busekow (Ilse Voigt), einer ehemaligen Opernsängerin mit einem Klavier in ihrer Wohnung, und ihrer Freundin (Gertraud Last) auf kein Verständnis stößt. Bleibt Anton noch die Eisenbahnstrecke: unterhalb des Gleisbettes stört er niemanden und die vorbeidonnernden Züge übertönen ohnehin sein Spiel. Martin Wintermeier (Dirk Rommel), der Sohn des Fernfahrers aus der Nachbarwohnung, führt eine kleine „Gang“, bei der auch Poldi (Steven Dolling), Adi (René Albrecht) und Jimmi (Bernhard Hoffmann) mitmachen sowie Antons Schwestern. Nur der Trompeter, von den Kindern „Krümel“ gescholten, und seine Freundin Pille sind ausgeschlossen vom Gespenstertreiben, bei dem sogar weiße Mäuse zum Einsatz kommen.

Das ändert sich schlagartig, als Anton mit dem inzwischen durch stete Übung gefundenen „silbernen“ Ton wahre Wunder vollbringt: er öffnet mit seinem Trompetenspiel die Wohnungstür der Wintermeiers, nachdem Martin sich ausgeschlossen hat, befreit Erna Wintermeier aus dem Fahrstuhl und hilft dem Hausmeister sowohl beim Stromausfall als auch beim Rohrbruch in der Busekowschen Wohnung. Mit Folgen: Herr Schlappke erlaubt den Kindern, die große Wiese vor dem Wohnblock als Spielplatz zu nutzen. „Dass man mit Musik solche Wunder vollbringen kann“ staunt die Hausgemeinschaft und alle wollen nun Anton nacheifern, Hausmeister Schlappke voran, der seine Schalmei, „das“ klassische Arbeiter-Instrument, entstaubt und Anton zu gemeinsamen Übungsstunden einlädt. „Ein musikalisches Haus mit vielen hellen Augen“ weiß nach knapp einer Stunde der Erzähler zu berichten…

Christa Kožik und Wolfgang Hübner erzählen mit „Trompeten-Anton“, erstausgestrahlt am 26. Dezember 1981 im Fernsehen der DDR (PL Peter Mäbert), ein modernes Weihnachtsmärchen ganz ohne Tannenbaum und Jahresendflügelfiguren über bürokratische Hindernisse im Alltag der Menschen unter besonderer Berücksichtigung der Interessen der Kinder an eigenen Räumen zur – auch individuellen - spielerischen Entfaltung. Nach ihrem Drehbuch hat die populäre Autorin („Moritz in der Litfaßsäule“, „Gritta vom Rattenschloß“) die Erzählung „Trompeten-Anton oder: Das Geheimnis des silbernen Tons“ verfasst, die erst 2003 erschienen ist.

Pitt Herrmann