Credits
Regie
Kamera
Schnitt
Produktionsfirma
Alle Credits
Regie
Kamera
Schnitt
Sprecher
Produktionsfirma
im Auftrag von
Länge:
800 m, 29 min
Format:
35mm
Bild/Ton:
Orwocolor, Ton
Aufführung:
Aufführung (DE): 23.04.1985, Oberhausen, IFF
Titel
- Originaltitel (DD) Stilleben - Eine Reise zu den Dingen
Fassungen
Original
Länge:
800 m, 29 min
Format:
35mm
Bild/Ton:
Orwocolor, Ton
Aufführung:
Aufführung (DE): 23.04.1985, Oberhausen, IFF
Auszeichnungen
IFF Oberhausen 1985
- Preis der Mitarbeiter und Freunde der 31. Westdeutschen Kurzfilmtage
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Elbflorenz mit der wiederaufgebauten Semper-Oper: „Man sehnt sich nach den Farben des Sommers“ lässt sich eine Stimme aus dem Off vernehmen: Der Schauspieler Rolf Hoppe und die Dokumentaristin Helke Misselwitz wechseln sich als Sprecher ab. Während draußen durch das Fenster des Zugabteils eine graue Winterlandschaft mit ein wenig Schnee vorbeifliegt, lässt es sich die Regisseurin bei Brot und Wein im Zug gut gehen. Den Anfang beim Thema Entfaltung der Schönheit in Stillleben seit dem 17. Jahrhundert macht ein Marienbild aus dem 15. Jahrhundert – mit kunsthistorisch fundierter Bildbeschreibung und musikalischer Umrahmung („Maria durch ein‘ Dornwald ging“).
Ein um 1700 entstandenes „Stillleben mit astronomischen Geräten“ gibt Anlass, über das Zeitalter der Aufklärung zu sprechen: „Da es so ist, bleibt es nicht so, denn alles bewegt sich“ – auch in der Wissenschaft. In seinem „Stillleben mit Vorhang, Krug und Obstschale“ von 1894 reißt Paul Cézanne Alltagsgegenstände aus ihrer gewöhnlichen Situation heraus und stellt sie neu zusammen. Was den Autoren Gelegenheit gibt zu einer kleinen Genealogie des Genres, welche mit dem um 1613 in Antwerpen entstandenen Gemälde „Stillleben mit Hummer und Früchten“ von Frans Snyders beginnt. „Bilder zwischen Wirklichkeit und Phantasie“: Die Kamera Rudolf Uebes tastet die Gemälde bis in kleinste Ausschnitte ab.
Johann Sebastian Bachs „An irdische Schätze das Herze zu hängen“ von 1724 läutet das Kapitel der Vanitas-Malerei ein, die im Dreißigjährigen Krieg in den protestantischen Niederlanden der katholischen flämischen Malerei entgegengesetzt wurde. Weiter geht es u.a. mit Rembrandt van Rijns „Rohrdommeljäger“ von 1639 und Bonaventura Betteras „Stillleben mit Musikinstrumenten“ von 1718 sowie mit dem illusionistischen Trompe-l’œil-Stil im Barock, der mit seinen Augentäuschungen etwa den russischen Avantgardisten Kasimir S. Malewitsch („Toilettkästchen”, 1911) und den spanischen Kubisten und Surrealisten Pablo Picasso („Gitarre und Violine“, 1912) beeinflusste.
Die knapp halbstündige, essayistisch-intellektuelle Untersuchung des Genres Stillleben mit vielschichtigen Zitat- und Klangcollagen, die weit über einen Ausstellungs-Film hinausgeht, ist als Reise zu den Dingen vor allem eine Reise zu uns selbst konzipiert, an deren Ende ein Kind im Zugabteil Seifenblasen pustet. Sie kommt wie ein Railroad-Movie daher, das ausgehend von Dresden quer durch die im Winter noch düsterer erscheinende DDR-Landschaft führt. Nach der westdeutschen Premiere am 23. April 1985 bei den 31. Westdeutschen Kurzfilmtagen Oberhausen ist sie mit dem Preis der Mitarbeiter und Freunde des Festivals ausgezeichnet worden.
Dass „Stilleben“, ein Anlaufdatum in der DDR ist nicht bekannt, in Oberhausen gezeigt werden konnte, ist Marion Rasche zu verdanken, die ab 1976 als Dramaturgin und ab 1981 als Chefdramaturgin und künstlerische Leiterin des Defa-Trickfilmstudios in Dresden Nischen für künstlerische Freiheiten schuf, von denen u.a. Lutz Dammbeck, Lew Hohmann und Kurt Weiler profitierten. Sie gehörte 1985 der Oberhausener Jury an.
Wolfgang J. Ruf, 1975 bis 1985 Direktor der Westdeutschen Kurzfilmtage, anlässlich einer Wiederaufführung am 3. Mai 2025 bei den 71. Int. Kurzfilmtagen Oberhausen: „Wenn Helke Misselwitz von Vergänglichkeit spricht, wenn in ihrer Bilderschau ‚Vanitas‘- und ‚Mementomori‘-Motive nicht übergangen werden, so ist das zwar kunsthistorisch legitimiert, zerreißt aber auch den ideologisch durchwirkten Vorhang der damals aufgezwungenen Weltsicht.“
Pitt Herrmann