Pampa Blues

Deutschland 2014/2015 TV-Spielfilm

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Heinz17herne
Heinz17herne
„Ich hasse mein Leben“: Noch ländlicher als Endlingen, wo der 16-jährige Ich-Erzähler Ben Schilling mit seinem Großvater lebt, geht es kaum. Jeder, des es in dieses Kaff im Ostalbkreis verschlagen hat, erkennt sofort, dass der Ort seine Zukunft längst hinter sich hat. Ben, der vorgeblich eine Gärtnerlehre macht, hängt in den kümmerlichen Resten verwaister Treibhäuser nur ab, wenn er nicht gerade in der kaum weniger heruntergekommenen KFZ-Werkstatt seines väterlichen Freundes Maslow aushilft.

Ben will jedenfalls so bald wie möglich weg, am liebsten wie sein vor acht Jahren verstorbener Vater nach Afrika. Wenn es denn je dazu kommt. Denn derzeit ist Ben für das Wohlergehen seines an Alzheimer erkrankten Großvaters verantwortlich. Und diesen im Stich zu lassen, kommt natürlich nicht in Frage. Der Stoiker und heimliche Genießer Karl Schilling lebt in seiner eigenen Welt, spricht wenig und vergisst viel. Ist aber auch zufrieden, wenn er für eine Weile wie eine Vogelscheuche mit ausgebreiteten Armen auf dem Feld stehen kann und mit Vogelfutter in beiden Händen Piepmätze anlockt. Die es früher hier in Scharen gegeben haben muss, und die sich heute rar machen.

Ben sorgt dafür, dass Karl sicher durch den Tag kommt. Zur Freude seines plötzlich hellwachen Opas zusammen mit der vollbusigen Frau Wernicke (Franziska Traub), die täglich vorbeikommt und auch schon 'mal Essen kocht. Zumindest solange sich die Mutter, eine Jazzsängerin, mit ihrer Band auf Tournee befindet - und das ist sie praktisch immer. Die zweite Frau, bei der Karl glänzende Augen bekommt, heißt Anna Bulatow und führt den Dorfladen. Sie rasiert den Alten, wenn nicht gerade ihr Mann Georgi (Dimitri Bilov) dazwischenkommt. Der war 'mal Soldat in Tschetschenien – und der Krieg hat in seinem Kopf nie aufgehört. Weshalb Ben häufiger für Anna einspringen muss und ein wahres Schlachtfeld in Karls Gesicht hinterlässt.

Nur einer hat immer und immer wieder versucht, den Stillstand in Endlingen zu beenden – der Daueroptimist Maslow. Dem ehemaligen Golfprofi war die Belebung des württembergischen Örtchens schon immer eine Herzensangelegenheit. Nach gescheiteren Projekten wie einer Pferderennbahn oder einem idyllisch gelegenen Golfplatz ist der Betreiber der Autowerkstatt und der Dorfkneipe mit angeschlossener Pension nun auf eine neue zündende Idee gekommen für den so dringend erforderlichen Aufschwung Endlingens: Nach dem Vorbild eines verschlafenen Nestes in New Mexico, das über Nacht zum Touristenmagneten geworden ist, will Maslo ein zweites Roswell schaffen – mit dem Bau eines Ufo.

Sein Papp-Modell hängt zwar nur an einer langen Hochsee-Angelrute, aber bei seinen beiden Kneipen-Stammkunden Kurt und Willi hat der Plan schon 'mal funktioniert. Nur der Bauer Horst bleibt skeptisch. Nun fehlt nur noch ein entsprechender Presse-Rummel, aber das Lokalblatt in der nächsten Kreisstadt will partout nicht anbeißen. Oder doch?

Eigentlich hält Ben den Plan Maslows für bescheuert. Aber als Lena, die wie eine Bombe einschlägt, als sie im Ort auftaucht, weil ihr liegengebliebenes Auto repariert werden muss, lässt er sich doch mit hineineinziehen. Maslow ist wegen der Kamera, die im Kofferraum ihres Wagens liegt, überzeugt, dass Lena eine heimlich recherchierende Journalistin ist. So plant er den nächsten Auftritt des Ufos: das stille Wasser Jojo, sein hoffnungslos in Anna verknallter Kfz-Lehrling, soll das Pappmodell in der Nacht steigen lassen. Und Ben sich mit Lena, der inzwischen alle Herzen zufliegen, anfreunden und dafür sorgen, dass die junge Pressefrau die Sensation auch sieht – und fotografiert.

Was Ben sich nicht zweimal sagen lässt. Zwar hat er längst herausgefunden, dass an Maslows Journalistentheorie nichts dran ist: die Neunzehnjährige ist vielmehr auf dem Weg nach Meran zu einer Kletterpartie und hat sich mit dem geerbten Auto nur verfahren. Sagt sie jedenfalls. Ben hat sich längst in die hübsche, selbstsichere und ihm durchaus zugewandte junge Frau verliebt. Die Empathie für seinen dementen Großvater zeigt und Verständnis für seine fast aussichtslose Lage aufbringt. Als sie ihm offenbart, dass sie eigentlich nach Endlingen gekommen ist, weil sie in Maslow ihren Erzeuger vermutet, ist es gänzlich um Ben geschehen: Wird er ihr nach Meran folgen und dafür seinen Opa vor einem Seniorenheim aussetzen wie ein Haustier zu Urlaubsbeginn vor einem Tierheim?

Der Schweizer Autor Rolf Lappert schrieb das Drehbuch zu „Pampa Blues“ auf der Basis seines 2012 erschienenen, mehrfach ausgezeichneten gleichnamigen Romans. Aus der regional geerdeten Coming-of-age-Geschichte hat Regisseur Kai Wessel zusammen mit Kameramann Hagen Bogdanski einen sehr atmosphärischen Film über den Konflikt Bens zwischen Verantwortung für seinen dementen Großvater und Drang nach Freiheit und erster Liebe gemacht, der von trockenem Humor, einem gelassenen schwingenden Rhythmus und liebevoller Sicht auf die Macken der von einem einfühlsamen Ensemble verkörperten Figuren geprägt ist.

Pitt Herrmann

Credits

Regie

Drehbuch

Schnitt

Darsteller

Produzent

Alle Credits

Länge:
89 min
Format:
16:9
Bild/Ton:
Farbe, Stereo
Aufführung:

Uraufführung (DE): 26.06.2015, München, Filmfest

Titel

  • Originaltitel (DE) Pampa Blues

Fassungen

Original

Länge:
89 min
Format:
16:9
Bild/Ton:
Farbe, Stereo
Aufführung:

Uraufführung (DE): 26.06.2015, München, Filmfest