Mehr denn je

Deutschland Frankreich Luxemburg Norwegen 2021/2022 Spielfilm

Inhalt

Héléne und Mathieu sind seit vielen Jahren ein Paar und führen in Bordeaux ein bescheidenes, aber glückliches Leben – bis bei Héléne eine seltene, tödliche Lungenkrankheit diagnostiziert wird. Die 33-Jährige sucht Antworten auf letzte Fragen und stößt dabei auf die Seite eines norwegischen Bloggers mit dem Online-Namen "Mister". Seine sehr persönlichen Texte und seine Bilder von der Schönheit der norwegischen Natur berühren sie so sehr, dass sie ohne Matthieu nach Norwegen reist, um diesen Blogger zu treffen. Zum ersten Mal in ihrem Leben streift Héléne alle Bedenken ab und folgt nur ihrem Gefühl. Sie spürt, dass sie in Norwegen und bei Mister jene Klarheit finden kann, die sie in diesem dunklen Moment ihres Lebens braucht. Doch Mathieu will Héléne nicht so einfach aufgeben.

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Heinz17herne
Heinz17herne
Die junge Frau, man spürt es sogleich instinktiv, fühlt sich nicht wohl in ihrer Haut. Sie will partout die Wohnung nicht verlassen: Hélène hat vor einem Monat ihren Bürojob aufgeben müssen. Sie leidet an der „Idiopathischen Lungenfibrose“, einer sehr seltenen Krankheit, bei der sich die Lunge verhärtet und bis zur Atemnot vernarbt. Eine Organtransplantation beider Lungenflügel könnte ihr helfen, aber nur eine gewisse Zeit: die Krankheit ist unheilbar. Auch, weil man bisher nicht weiß, woher sie kommt und wie man sie behandeln kann.

Ihr Gatte Mathieu, an dessen Seite sie seit Jahren ein glückliches Leben im südfranzösischen Bordeaux führt, ist bis hin zur Wimperntusche rührend um sie bemüht, sind sie doch den Abend im großen Freundeskreis zum Essen verabredet. „Ich bin krank! Vielleicht sterbe ich!“: Hélène fühlt sich von allen beobachtet und, schlimmer noch, bedauert – und ergreift die Flucht. Auch weil sie den Freunden nicht den Anblick ihres Sauerstoffkonzentrators samt Nasenschlauch zumuten will.

Überhaupt ist sie am liebsten allein, lehnt auch das Hilfsangebot ihrer Mutter Marie ab. Lieber tauscht sie sich im Internet mit Leidensgenossen aus. Ein Selbstporträt Egon Schieles auf der Seite eines norwegischen Bloggers macht die 33-Jährige neugierig auf „Mister“, der in einem Netz-Tagebuch Fotos und Gedanken veröffentlich, die sie tief berühren.

„Die Lebenden können die Sterbenden nicht verstehen“ weiß „Mister“, der mit entwaffnender Offenheit bekennt: „Ich hasse gesunde Menschen.“ So ist es vor allem die Schönheit, mehr noch die Einsamkeit der nordischen Fjordlandschaft, die Hélène so sehr fasziniert, dass sie den Entschluss fasst, nach Norwegen zu reisen – alleine im Zug quer durch Europa. Naturgemäß gegen den Willen des besorgten Mathieu erreicht sie völlig erschöpft das Ziel – ein einsam direkt am Wasser gelegenes Haus mit für Gäste hergerichtetem ehemaligen Bootshaus. Und kommt in der taghellen Mittsommernacht doch nicht zur Ruhe.

Bent, wie der Blogger mit richtigem Namen heißt, entpuppt sich zu ihrer Überraschung als schon recht betagter, an Krebs erkrankter und nach einem schlimmen Bohrturm-Unfall traumatisierter Mann, der sich von seiner in Oslo zusammen mit dem gemeinsamen Sohn lebenden Frau bewusst getrennt hat, um seine letzten Tage selbstbestimmt in dieser Abgeschiedenheit zu verbringen. In der es keinen Handyempfang gibt: Für Telefonate nach Frankreich muss Hélène mühsam auf einen Berg steigen – wo sie auf zahlreiche verstreut lebende Bewohner mit gleichem Ansinnen trifft.

Mathieu beschwert sich bei seiner Frau, dass er sie tagelang nicht erreicht hat. Hélènes aufgeregte Reaktion, die von Schuldgefühlen zeugt, kontert Bent mit der Frage: „Wer ist egoistisch? Doch auch die, die Dich am Leben erhalten wollen.“ Der eifersüchtige Mathieu macht sich sogleich auf den Weg in den hohen Norden – und verlebt beiderseits so erfüllende intime Stunden mit seiner Frau wie schon lange nicht mehr. Selbstverständlich, so seine Überzeugung, würde sie jetzt mit ihm nach Bordeaux zurückfahren, um vor Ort zu sein, wenn ein Spenderorgan in der Klinik eintrifft.

Doch Hélène, die zum ersten Mal in ihrem Leben einfach ihrem Instinkt gefolgt ist, bleibt am Fjord zurück: „Wenn Du nicht da bist, ist es einfacher.“ Zu Bent, der generös das Feld für das junge Paar geräumt hat, wird sie jedoch nicht zurückkehren…

„Plus que jamais“, so der Originaltitel, hat einen biographischen Hintergrund: die Mutter der Regisseurin Emily Atef litt 22 Jahre lang an Multiple Sklerose, bevor sie auch noch an Krebs erkrankte und im Alter von 78 Jahren starb. „Während ihrer Krankheit“, so die gebürtige Berlinerin des Jahrgangs 1973, „hat mir die Arbeit an dem Film geholfen, die richtige Einstellung zu finden. Sie hat mir die Kraft gegeben, ihr – auch wenn mich das persönlich sehr geschmerzt hat – zu sagen: ‚Du musst keine Chemo machen, wenn du nicht willst. Du tust, was du willst‘.“

Ironie des Schicksals: „Mehr denn je“ ist die letzte Rolle des französischen Film- und Theaterschauspielers Gaspard Ulliel, der 37-jährig kurz nach Drehschluss im Januar 2022 an den Folgen eines Unfalls starb. Emily Atef im Pandora-Presseheft: „Seit ich ein kleines Mädchen war, habe ich oft an diesen Moment am Lebensende gedacht. Wie kann ich mich dann so gut und frei wie möglich fühlen? Wie können wir uns vom Druck der Gesellschaft oder den Wünschen der Gesellschaft und denen unserer Lieben emanzipieren, aber unseren eigenen Weg finden, Krankheit und gegebenenfalls den Tod zu akzeptieren? Davon handelt Hélènes Geschichte.“

Pitt Herrmann

Credits

Alle Credits

Regie

Regie-Assistenz

Continuity

Kamera

Szenenbild

Ton-Design

Mischung

Casting

Musik

Darsteller

Produktionsleitung

Aufnahmeleitung

Post-Production

Dreharbeiten

    • 13.04.2021 - 05.06.2021: Bordeaux, Luxemburg, Sæbø und Trandal
Länge:
123 min
Format:
DCP 2K, 1:2,39
Bild/Ton:
Farbe, Dolby 5.1
Prüfung/Zensur:

FSK-Prüfung (DE): 16.11.2022, 236303, ab 12 Jahre / feiertagsfrei

Aufführung:

Uraufführung (FR): 21.05.2022, Cannes, IFF - Un certain regard;
Erstaufführung (DE): 25.06.2022, München, Filmfest;
Kinostart (DE): 01.12.2022

Titel

  • Originaltitel (DE) Mehr denn je
  • Arbeitstitel (DE) Mister
  • Weiterer Titel (eng) More Than Ever
  • Originaltitel (FR) Plus que jamais
  • Weiterer Titel Hélène & Mathieu

Fassungen

Original

Länge:
123 min
Format:
DCP 2K, 1:2,39
Bild/Ton:
Farbe, Dolby 5.1
Prüfung/Zensur:

FSK-Prüfung (DE): 16.11.2022, 236303, ab 12 Jahre / feiertagsfrei

Aufführung:

Uraufführung (FR): 21.05.2022, Cannes, IFF - Un certain regard;
Erstaufführung (DE): 25.06.2022, München, Filmfest;
Kinostart (DE): 01.12.2022

Auszeichnungen

Filmkunstfest MV 2022
  • FIPRESCI-Preis der deutschsprachigen Filmkritik, Spielfilmwettbewerb
  • Preis für die beste darstellerische Leistung, Spielfilmwettbewerb
  • NDR-Regiepreis