Landstück

Deutschland 2015/2016 Dokumentarfilm

Inhalt

Die uckermärkische Endmoränenlandschaft beschäftigt Volker Koepp seit Jahrzehnten. Nach dem soziohistorisch angelegten Film "Uckermark" widmet er sich in "Landstück" noch intensiver den Sinneserfahrungen der dünn besiedelten, ökologisch umso interessanteren Region zwischen Berlin und Ostsee.

Vom Wind gekräuseltes Sumpfwasser, wogende Baumwipfel und Getreideäcker sind hier Aufforderungen, den Blick auf die Essenz dieses Landstrichs zu richten. Wenn die Bewohner und Besucher der Gegend von Luzernefeldern schwärmen, die die Versteppung des Bodens aufhalten, aber von konventioneller Landwirtschaft bedroht sind, wenn sie in einer Wiese vom Aussterben bedrohte Kleinackerwildkräuter identifizieren, wilden Rapunzel kosten, viersamige Wicke und Ackerveilchen, dann wird der Film zum Loblied derer, die Widerstand leisten gegen die Industrialisierung des Ackerbaus, gegen die Zerstörung einer Kulturlandschaft.

Ob sie zu den zehn Prozent Biobauern gehören, Bienen züchten oder als Neubewohner eines vor 50 Jahren errichteten Plattenbaus gebannt aus dem Fenster blicken – der Respekt vor der Natur eint die sonst so verschiedenen Nachbarn, die Koepp in seinem Landstück porträtiert.

Quelle: 66. Internationale Filmfestspiele Berlin (Katalog)

 

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Heinz17herne
Heinz17herne
Die ersten Aufnahmen Lotta Kilians zeigen in beeindruckend freier Rundumsicht die wellige Landschaft im Nordosten Deutschlands nach Art der Land- und Seestücke des deutschen Romantikers Caspar David Friedrich im Verhältnis ein Drittel Land zu zwei Drittel Himmel. Volker Koepp ist nach „Das weite Feld“ (1976) und „Uckermark“ (2002), beide Vorläufer wird er mit Ausschnitten zitieren, ein drittes Mal in „seine“ Uckermark zurückgekehrt, das Land zwischen Berlin, Stettin und der Ostsee.

In Herrenstein, Wilmersdorf (nicht der Berliner Stadtteil), Temmen, Böckenberg, Kaakstedt und Voßberg befragt er vor allem Öko-Landwirte, aber auch langjährige Freunde, Bekannte – und Abkömmlinge von früheren Gesprächspartnern. Sein ständiger Begleiter ist der Biologe und Agrarwissenschaftler Prof. Dr. Michael Succow, ein Spezialist für Moor-Ökologie. Nach der ersten (und letzten) freien Wahl zur Volkskammer im März 1990 wurde er stellv. Umweltminister der DDR und erhielt nicht zuletzt für sein Engagement für Naturschutzgebiete und Biosphärenreservate 1997 den Alternativen Nobelpreis.

„Man kann gar nicht anders als herausschauen“ sagt eine am Fenster sitzende junge Frau, welche die Weite der Landschaft aus dem oberen Stockwerk eines Plattenbaus von 1965 genießt, der eigentlich nach der Wende abgerissen werden sollte, lange leer stand und jetzt renoviert wird. Volker Koepp erinnert sich an seine Jugendzeit kurz nach Kriegsende in dieser Gegend, an Flüchtlingsfrauen und Schulklassen im Ernteeinsatz und an die Gründungen Landwirtschaftlicher Produktionsgenossenschaften (LPG) nach sowjetischem Vorbild.

In Herrenstein hat sich eine Großfamilie unterm großen Baum im Hof des von drei Generationen bewohnten Bauerngehöfts versammelt. Um sie herum Hühner, Enten, Gänse – und unterm Dach jede Menge Schwalben. Viele Familien sind nach der Wende, in der die von der Treuhand übernommenen LPG-Ländereien zumeist an finanzkräftige West-Konzerne verhökert worden sind, weggezogen. Sodass wie schon zu DDR-Zeiten Monokulturen das Landschaftsbild prägen: Hochsubventionierte Energiepflanzen wie Mais und Raps werden industriell angebaut. Da den Äckern keine Zeit zur Erholung gelassen wird, schwindet die Humusschicht.

Nur wenige Landwirte halten dagegen, noch weniger setzen auf Bio-Landwirtschaft: die mechanische Bearbeitung der Felder ist erheblich teurer als der Giftstoffeinsatz der konventionellen Betriebe. Michael Succow, als Bauernkind einst nach der Schule als „Schafmichel“ mit den Tieren auf der Weide, freut sich über die Renaissance der Luzerne im ökologischen Landbau: Die tiefwurzelige Pflanze bindet Luftstickstoff, ist ein eiweißreiches Futter und ihre Blüten locken Bienen an. Succow erinnert an Albrecht Dürers Aquarell „Das große Rasenstück“, als er die Vielfalt der Wildkräuter am Rand ökologisch bewirtschafteter Flächen vorführt – von Rapunzel bis Mohn, vom Ackerveilchen bis Zottelwicke.

In Kaakstedt erläutert der ursprünglich in der Finanzverwaltung tätige Ökobauer Marko Hönicke, der nach einem Studium zum Landwirtschaftsmeister den elterlichen Hof mit einer bewirtschafteten Fläche von 110 Hektar übernommen hat, die Probleme mit der auch noch von Staat und EU finanziell geförderten Gentrifizierung: Ortsansässige Landwirte können sich die auf bis zu 30.000 Euro pro Hektar gestiegenen Bodenpreise nicht leisten. So kommen auswärtige Investoren vom Restpostenhändler über Möbelhersteller bis zum Geflügelkonzern zum Zuge. Die Reinvestition solch horrender Preise sei nur durch Intensivkulturen bzw. Massentierhaltung möglich.

In Temmen spricht Volker Koepp in einem alten Zirkuswagen mit Rolf Henke und Hans-Martin Meyerhoff, den Mitbegründern der Ökologischen Domäne Hohenwalde. Aus der Abwehr gegen den Bau von Polo- und Golfplätzen durch westdeutsche Investoren ist ein Zusammenschluss mit Kleinbauern entstanden, der auch strittige Themen wie die Feldbereinigung solidarisch angeht. 20.000 Hektar „Biogürtel“ statt Mais-Monokulturen – ein bedeutender Beitrag zur Biodiversität.

Apropos. In Voßberg berichtet Thomas Rosié vom Erfolg des DDR-Naturfilmers Siegfried Bergmann, der in seiner Doku „Augen der Landschaft“ (1964) das Problem der „Sölle“ genannten Bodenvertiefungen angesprochen hat: Um die Anbauflächen zu vergrößern, sollten diese Zufluchtstätten für Rehe und Kleintiere aller Art zugeschüttet werden. Bergmann konnte wissenschaftlich untermauert deutlich machen, dass der Einsatz von Insektiziden teurer wäre als die kostenlose Insektenvernichtung durch Frösche. „Landstück“ ist am 1. November 2016 im „Dritten“ des Rundfunks Berlin-Brandenburg erstausgestrahlt worden.

Pitt Herrmann

Credits

Alle Credits

Länge:
127 min
Format:
DCP, 1:1,85
Bild/Ton:
Farbe, Dolby
Prüfung/Zensur:

FSK-Prüfung (DE): 15.02.2016, 157952, ohne Altersbeschränkung / feiertagsfrei

Aufführung:

Uraufführung (DE): 17.02.2016, Berlin, IFF - Forum;
Kinostart (DE): 03.03.2016

Titel

  • Originaltitel (DE) Landstück

Fassungen

Original

Länge:
127 min
Format:
DCP, 1:1,85
Bild/Ton:
Farbe, Dolby
Prüfung/Zensur:

FSK-Prüfung (DE): 15.02.2016, 157952, ohne Altersbeschränkung / feiertagsfrei

Aufführung:

Uraufführung (DE): 17.02.2016, Berlin, IFF - Forum;
Kinostart (DE): 03.03.2016