Ein Kapitel für sich

BR Deutschland Österreich 1978/1979 TV-Mehrteiler

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Heinz17herne
Heinz17herne
Rostock zur Jahreswende 1945/46. Nach dem Tod des Reeders Karl Kempowski (Karl Lieffen) muss die nächste Generation ‘ran, unterstützt von Großvater de Bonsac und Eduard Corneli, einem alten Freund der Familie. Robert Kempowski ist aus der Kriegsgefangenschaft zurückgekehrt und versucht, die Schiffsmakelei der Familie wieder aufzubauen. Was einen langen Atem benötigt.

Sein jüngerer Bruder Walter, der in der ersten Einstellung mit seiner Mutter Margarethe am 1. Mai 1945 auf dem Balkon sitzend den Einmarsch der Roten Armee erwartet, plagt sich mit der Schule herum, hat dafür auf dem Schwarzmarkt rascheren Erfolg. Der bewegt ihn dazu, in den kapitalistischen Westen zu gehen, wo er in einem PX-Store für die US-Army gutes Geld verdient. Und dem amerikanischen Geheimdienst Kopien von Schiffsladepapieren seines Bruders Robert übergibt. Als er im Frühjahr 1948 in seine Heimatstadt zurückkehrt, werden beide Kempowski-Brüder von der Sowjetarmee wegen Spionage verhaftet. Aber auch ihre Mutter muss sich vor einem russischen Militärtribunal gegen den Vorwurf der Mitwisserschaft zur Wehr setzen.

Die zweiteilige Fechner-Verfilmung des Kempowski-Romans „Tadellöser & Wolff“ (1975) war ein Riesenerfolg (mit Auszeichnungen beim Grimme-Preis und Prix Italia). Der DDR-Flüchtling und jetzige Grundschullehrer in einer niedersächsischen Kleinstadt hatte es vermocht, seine eigene Familien-Saga mit so viel Humor zu würzen, dass Fechner, Strehler-Schüler und zwanzig Jahre erfolgreicher Bühnenschauspieler, danach eigentlich mehr Dokumentarist als Spielfilm-Regisseur, einen der erfolgreichsten TV-Mehrteiler Nachkriegs-Deutschlands drehen konnte.

Verständlich, dass der Wunsch der Fernsehgewaltigen wie des begeisterten Publikums nach einer Fortsetzung sofort Erfüllung fand beim unverändert gebliebenen Team. Das diesmal aus dem Vollen schöpfen konnte: 241 Sprechrollen, 8.000 Komparsen, an 168 Schauplätzen rekordverdächtige neunmonatige Drehzeit. „Ein Kapitel für sich“ zeichnet als TV-Dreiteiler binnen sechs Stunden die Chronik der familiären Ereignisse bis in die bundesdeutsche Gegenwart nach: Am 8. März 1956 gibt es ein bewegendes Wiedersehen in einem Behelfsheim in Hamburg-Wandsbek…

Die Lagerhaft dreier Familienmitglieder in der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ) und in der späteren DDR als politische Häftlinge in Schwerin, Bautzen, im einstigen Konzentrationslager Sachsenhausen (!) und auf der Festung Hoheneck, wird erneut mit selbstironischem Galgenhumor und reichlich Abstand des Erzählers zur eigenen Geschichte erzählt. Walter Kempowskis Erzählung „vom leisen, privaten Widerstand in der DDR, dessen Existenz gemeinhin nicht an die große Glocke gehängt wird“, so der Autor 1979 im Gespräch mit Werner Höfer, ist eine ebenso bewunderungswürdige Leistung wie die distanziert-dokumentarische Haltung des Regisseurs Eberhard Fechner.

Den sich aufdrängenden Vergleich mit Rainer Kunzes „Die wunderbaren Jahre“ besteht das Duo Kempowski/Fechner mit Bravour. Und das nicht, weil Kunze die – im Übrigen allzu verständlichen – Emotionen seines Buches 1:1 auf den Film überträgt. Was den herrschenden Feuilletons politisch nicht ins Korsett der eigenen Ideologie passte und sie es die Filmemacher durch Nichtbeachtung spüren ließen. Sondern weil Kempowskis beinahe emotionsfreie Schilderung der harten Nachkriegsjahre in der SBZ, die bisweilen den Charakter eines militärischen Lageberichts annimmt, über das individuelle Familienschicksal hinaus ein – allerdings nur scheinbar nüchtern-objektives - Zeitpanorama entstehen lässt.

„Tadellöser & Wolff“ zeigt exemplarisch, wie das konservative Bürgertum in die braune Katastrophe hineinschliddert. „Ein Kapitel für sich“, erstaufgeführt am 26. und 29. Dezember 1979 sowie am 1. Januar 1980 im ZDF, beweist, dass, der Holocaust naturgemäß ausgenommen, die Unterdrückungsmechanismen des Dritten Reichs beinahe ungebrochen weiterhin Anwendung fanden unter sowjetischer Besatzung.

Pitt Herrmann

Credits

Drehbuch

Kamera

Darsteller

Alle Credits

Drehbuch

Kamera

Kostüme

Darsteller

Redaktion

Herstellungsleitung

Länge:
366 min bei 25 b/s
Format:
16mm, 1:1,37
Bild/Ton:
s/w, Ton
Aufführung:

TV-Erstsendung (DE): 26.12.1979, ZDF [3 Teile]

Titel

  • Originaltitel (DE) Ein Kapitel für sich

Fassungen

Original

Länge:
366 min bei 25 b/s
Format:
16mm, 1:1,37
Bild/Ton:
s/w, Ton
Aufführung:

TV-Erstsendung (DE): 26.12.1979, ZDF [3 Teile]