Der Rest, der bleibt

Deutschland 1991 TV-Spielfilm

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Heinz17herne
Heinz17herne
Robert Bertram schiebt Frust. Wegen Karla (Andrea Loewig). Aber die hält seine Großmutter Gerda Lingner sowieso für ein „Flittchen“. Und rät zu Honigmilch. Doch Robert will von solchen Hausmittelchen nichts wissen – und produziert Scherben. Ob die ihm Glück bringen werden, sei dahingestellt. Jedenfalls besänftigt er seinen Zorn und räumt sie weg, bevor er seinen Liebeskummer an der Bar eines Nachtclubs ertränkt. Das überwiegend sehr junge Publikum dieses Etablissements ist nicht wirklich interessiert an der musikalischen Unterhaltung, schenkt dem Song „Freundlichkeit“ ebenso wenig Aufmerksamkeit wie der Interpretin Marianne Walther und dem Mann am Klavier, Felix. Nur der 23-jährige Drucker Robert, dessen Bude voller Schwarz-Weiß-Fotos von seinem Hobby zeugt, ist in der rechten Stimmung, um der Melancholie der Chansonette zu folgen.

Als er nach Feierabend den Club, in dem er offenbar bisweilen aushilft, abschließen will, findet er die Sängerin mit Tränen in den Augen in der Garderobe vor – und macht ihr zu Mariannes ungläubigem Erstaunen Komplimente. Die ist gerade in der rechten Stimmung, um solch warme Worte aufzusaugen wie einen Schwamm. „Was wir machen ist Mittelmaß“: Denn soeben hat ihr Felix die seit zehn Jahren bestehende Zusammenarbeit aufgekündigt. „Was ich will, geht nicht mit Dir“: Der Pianist will bei einer Bluesband in Leipzig anheuern. Aber bereits eingegangene Verpflichtungen mit ihr natürlich noch erfüllen. „In unserem Alter fängt man nicht noch ‘mal neu an“ ist dagegen die 47-jährige Sängerin überzeugt, obwohl sie seit Jahren unglücklich mit Michael Walther verheiratet ist. Einem ziemlich nüchternen höheren Tier in der Industrie, der spätabends seiner desillusionierten Gattin vom Zusammenbruch eines Kollegen erzählt, der sich dem Betrieb aufgeopfert hat ohne dass ihm die Kollegen Dank und Anerkennung zollten. Als Michael beruflich für drei Tage nach Leuna muss, steht Robert plötzlich vor Mariannes Tür, um ihr den fehlenden Steuerbeleg zu überbringen.

Er bleibt zum Tee und erfährt, dass Marianne schon als Kind im Kirchenchor gesungen hat. Damit ihr Gatte promovieren konnte, hat sie nicht nur ihre Sängerkarriere hintangestellt, sondern auch das gemeinsame Kind abgetrieben. Seitdem kann sie keine Kinder mehr bekommen. Im Gegenzug erzählt er der vom über 20 Jahre jüngeren Gegenüber zunehmend faszinierten Gastgeberin, dass er bei seiner Großmutter aufgewachsen ist, nachdem er seine nervenkranke Mutter nur ein einziges Mal bei der Jugendweihe zu Gesicht bekommen hat – und den unterhaltspflichtigen Vater überhaupt nicht. Vielleicht erklärt sich so die Faszination, die die mütterlich-reife und gleichzeitig - auch hüllenlos - sehr attraktive Frau auf den jungen Mann ausübt. „Hauptsache ein Mann im Haus, auch wenn er im Bett sitzt und hustet“: Mariannes pragmatische Freundin Christina besorgt Robert für zweieinhalb Jahre eine möblierte Wohnung, deren Mieter auf Auslandsmontage sind. Oma Gerda ist nicht amüsiert: „Ich hab‘ alles für dich gegeben, meine besten Jahre.“ Was der Junge nicht bestreitet, aber nun doch ein Recht auf ein eigenes Leben reklamiert. Zumal es ihm die Wonnen einer intimen Zweisamkeit mit Marianne beschert, die einer Amour fou sehr nahe kommt - und von Kameramann Jürgen Heimlich ganz unmittelbar, aber ohne schwüle Schlüsselloch-Perspektive eingefangen wird.

Marianne unterstützt ihren hingebungsvollen Liebhaber beim Lernen fürs Abitur an der Abendschule und impft ihm neues Selbstbewusstsein ein. Als Marianne eine Feier bei Michaels Chef Büttner (Arnim Mühlstedt) vorzeitig verlässt, um die Nacht mit Robert zu verbringen, kommt ihr Gatte dahinter. Naturgemäß stellt er Marianne zur Rede. Als das nichts fruchtet und sie bereit ist, sich scheiden zu lassen, bittet Michael zum „Gespräch unter erwachsenen Männern“. Für Robert sind zwanzig Ehejahre kein Argument: „Es gibt keinen Blankoscheck für den Besitz.“ Marianne kommt hinzu – und verlässt an der Seite Roberts die Wohnung. In der Bibliothek ihrer Freundin Christina bekommt sie Arbeit. Als Robert sie zum Feierabend abholt, lobt Kollegin Bauer: „Sie haben aber einen netten Sohn, Frau Walther.“ Auch unter Roberts gleichaltrigen Freunden wird der Altersunterschied zum Thema. Und dann ist da noch Susanne, Roberts Banknachbarin in der Abendschule – und alleinerziehende Mutter eines Jungen (Felix Kammler). „Du bist zu jung, du hast noch alles vor dir“: Marianne verlässt Robert und kehrt zu ihrem Gatten zurück. Und die Oma tröstet ihren Enkel: „Wird alles wie früher!“. Sieben Monate später hat sich Marianne endgültig von ihrem Mann getrennt und eine kleine Wohnung mit Blick auf die Elbwiesen bezogen. Sie schreibt Robert von der Premiere ihres neuen, nun von einem Gitarristen begleiteten Programms. Der antwortet: Abitur läuft, Studienplatz in Leipzig winkt, nur das mit Susanne hat nicht geklappt…

Der mit französischen Liebsliedern unterlegte Neunzigminüter nach einer literarischen Vorlage von Gisela Steineckert und Henry Kaufmann gehört zu den in Wendezeiten produzierten Adlershofer Streifen für die geplante DFF-Länderkette, die dann aus egoistischen Gründen westdeutscher Rundfunkanstalten und insbesondere des NDR, der Mecklenburg-Vorpommern seinem Sendegebiet zuschlagen wollte, gescheitert ist. So geht Bodo Fürneisens Fernsehfilm, der noch den Ost-Linolgeruch in abbruchreifen Häusern, die Ost-Polizeifahrzeugsirene, die Tristesse grauer Straßenschluchten und den DDR-Sound (Musik: Rainer Oleak) transportiert, in die deutsch-deutsche Rundfunkgeschichte ein als erster DFF-Spielfilm (PL Hans Reichel), der in der ARD erstausgestrahlt worden ist. „Der Rest, der bleibt“ ist ein typischer Wendefilm: er atmet noch die Atmosphäre des Alten und lässt mit Mariannes mutigem Schritt in die Emanzipation doch schon Neues erahnen.

Pitt Herrmann

Credits

Drehbuch

Musik

Darsteller

Alle Credits

Drehbuch

Dramaturgie

Bauten

Requisite

Kostüme

Musik

Darsteller

Produktionsleitung

Länge:
88 min
Aufführung:

TV-Erstsendung (DE): 12.09.1991, ARD

Titel

  • Originaltitel (DE) Der Rest, der bleibt

Fassungen

Original

Länge:
88 min
Aufführung:

TV-Erstsendung (DE): 12.09.1991, ARD