CineGraph Babelsberg zeigt Filme von Christian Rischert

Anlässlich seines 82. Geburtstag widmet CineGraph Babelsberg im Rahmen seiner beiden Filmreihe "Wiederentdeckt" und "FilmDokument" dem Dokumentar- und Spielfilmregisseur ein langes Wochenende. Vom 6. bis 9. Dezember werden sechs Programme mit Spiel- und Dokumentarfilmen von Christian Rischert präsentiert, der am 9. Dezember seinen 82. Geburtstag feiern wird.

 

In den 1960er Jahren wirkte er zunächst an Werbe- und Industriefilmen mit, drehte dann kurze Spiel- und Dokumentarfilme und war Mitinitiator des Oberhausener Manifests. Mit "Kopfstand Madam!" drehte er 1967 seinen ersten Kinospielfilm. Seit den 1970er Jahren drehte Rischert vor allem Dokumentarfilme für das Fernsehen. Im Rahmen dieses langen Rischert-Wochenendes lädt CineGraph am 8. Dezember auch zu einem Workshop ein. Die Filme von Christian Rischert sind in der Deutschen Kinemathek – Museum für Film und Fernsehen archiviert, der CineGraph für ihre Unterstützung ebenso dankt wie Christian Rischert selbst.

Donnerstag, 6. Dezember 2018 im Zeughauskino
Eröffnung der Filmreihe "Mit stiller Beharrlichkeit. Filme von Christian Rischert"

"Der Tod des Fischers Marc Leblanc" (BRD 1976, R/B: Christian Rischert, K: Kurt Lorenz, Petrus Schloemp, Lothar Elias Stickelbrucks, 97‘, Digital HD)
Begrüßung: Martin Koerber
Zu Gast: Christian Rischert

Im Sommer 1974 möchte Christian Rischert einen Film in der Normandie drehen. Zwei Jahre zuvor war sein Interesse für die Menschen und die Landschaft dieser Region bei Aufnahmen für die Folge "La Bouffe" aus der Reihe "à la carte" geweckt worden. Freundschaften waren entstanden. Am Tag vor dem Drehbeginn erschießt sich jedoch Rischerts designierte Hauptfigur, der Fischer Marc Leblanc. Das ursprüngliche Filmvorhaben gibt Rischert auf. Stattdessen begibt er sich auf die filmische Spurensuche nach den Beweggründen für den Selbstmord des Freundes, Ehemanns und Familienvaters. Nach und nach entblättert sich in Interviews und zurückhaltenden Bildern ein unerfülltes Leben zwischen unausgesprochenen Erwartungen und der immer härter werdenden Arbeit der kleinen Fischer, die sich in Konkurrenz zu Hochseeflotten und einer zunehmend industrialisierten Fischereiwirtschaft behaupten müssen. (fl)

Freitag, 7. Dezember 2018 um 18 Uhr im Zeughauskino

"Lena Rais" (BRD 1979, R: Christian Rischert, D: Manfred Grunert, K: Gérard Vandenberg, D: Krista Stadler, Tilo Prückner, Nikolaus Paryla, Kai Fischer, 121‘ • DCP)
Einführung: Britta Hartmann (CineGraph Babelsberg e.V.)

Mit seinem zweiten Kinospielfilm "Lena Rais" knüpft Rischert an sein gut zehn Jahre zuvor entstandenes Debüt "Kopfstand, Madam!" an und aktualisiert die Ehe- und Emanzipationsthematik. Lena ist seit 15 Jahren mit dem Maurer Albert Rais verheiratet. Durch das zweite Einkommen, das sie als Angestellte bei der Post einbringen kann, haben sie es zu bescheidenem Wohlstand gebracht – trotz ihres Hangs, über die Verhältnisse zu leben. Die drei heranwachsenden Kinder beginnen derweil immer offener gegen den patriarchalen Vater zu rebellieren. Lena hingegen probt zaghaft Formen des stillen Widerstands: "Lena hebt den Kopf und macht sich auf den Weg zum Ausbruch. Albert spielt sich als Eigentümer auf, dem das 'beste Stück' seines Inventars, mit dem er seine ungelebte Zukunft möbliert, abhandenkommt. Rischert schwelgt nicht im Küchenrealismus. Ihn interessiert das Typische am Sozialcharakter seiner Figuren. So gleiten die Schauspieler, auch um den Preis, massiv unsympathisch zu wirken, nie ins naturalistische Rührstück ab." (Karsten Witte, Die Zeit 21/1980) (fl)

Freitag, 7. Dezember um 21 Uhr im Zeughauskino

"Il Diavolo – Mein venezianischer Freund" (D 2009, R/B: Christian Rischert, K: Ralph Zipperlen, Marion Pietz, 90‘ • Digital SD)
Einführung: Ralph Eue (CineGraph Babelsberg e.V.)

"Erinnerung ist das einzige Paradies, aus dem wir nicht vertrieben werden können" (Jean Paul) steht am Anfang von "Il Diavolo – Mein venezianischer Freund". Zwischen 1977 und 2009 drehte Christian Rischert mehrere Filme in, um und über Venedig. Schon bei seinem ersten filmischen Besuch, bei dem "Venedig – Die Insel der Glückseligen am Rande des Untergangs" und die "à la carte"-Folge "Paradiesgarten" entstanden, lernte er den auf der Lagunen-Insel Burano lebenden Künstler und Fischer Carlo Memo kennen, genannt Il Diavolo. Als Rischert erfährt, dass Memo damit beschäftigt ist, seinen künstlerischen Nachlass an die Stadt Venedig zu übergeben, beschließt er, einen abschließenden Film über den Freund, aber auch über die Stadt, die Lagune und die massiven Veränderungen der vergangenen dreißig Jahre zu drehen. Sein neu gedrehtes Material ergänzt Rischert um zahlreiche Ausschnitte aus seinen früheren Arbeiten, die den Wandel der Orte und Menschen spürbar machen. (fl)

Samstag, 8.12. um 18.30 Uhr

Kurzfilmprogramm: "Alltag, Lyrik, Krieg"
Einführung: Stefanie Mathilde Frank, Fabian Tietke (CineGraph Babelsberg e.V.)

Rischerts frühe Kurzfilme verbinden in einer fragilen Balance scheinbar disparate Elemente: dokumentarische Alltagsaufnahmen und fiktionale Passagen, lyrische Subjektivität und einen Drang ins Typologisierende. "Maniac", Rischerts erster Kurzfilm mit fiktionalen Elementen, greift eine Urkonstellation des Kalten Krieges auf: ein Spiel gegen die Möglichkeit der Zerstörung der Welt mit einem Elektronengehirn als Gegenspieler. Der Traum unterlegt Beobachtungen am Rande eines wochenendlichen Fußballspiels mit einem reflexiven, literarischen Kommentar über Fußball als Massenphänomen. "Friedliche Zeiten" und "It's a Wonderful Life" sind Etüden auf dem Weg zu Rischerts erstem Langfilm. Sie versuchen eine Gratwanderung zwischen fiktionaler Individualität und gesellschaftlicher Struktur. In "Friedliche Zeiten" driftet ein Tischgespräch in italienischer Landschaft zu einer Diskussion über den Zweiten Weltkrieg, in "It's a Wonderful Life" werden eine junge Frau und ein nicht mehr ganz junger Mann bei der Vorbereitung auf ein Rendezvous mit ihren Rollenerwartungen an sich selbst und den bzw. die andere konfrontiert. Im Dokumentarfilm "Einzelhaft in Fuhlsbüttel" spricht Rischert mit Insassen und Aufsichtspersonal über den schwierigen Alltag und die Bedingungen in der Haftanstalt Fuhlsbüttel. (ft) Mit Dank an das Archiv des SWR

"Maniac" BRD 1962, R: Christian Rischert, 10‘ • Digital HD
"Der Traum" BRD 1964, R: Christian Rischert, 12‘ • 35mm
"Friedliche Zeiten" BRD 1965, R: Christian Rischert, 14‘ • Digital HD
"It's a Wonderful Life" BRD 1965, R: Christian Rischert, 12‘ • 35mm
"Einzelhaft in Fuhlsbüttel" BRD 1972, R: Christian Rischert, Klaus Antes, 42‘ • Digital SD

Samstag, 8.12.2018 um 21 Uhr
"Kopfstand, Madam!" (BRD 1967, R: Christian Rischert, B: Christian Geissler, Alfred Neven DuMont, Christian Rischert, K: Fritz Schwennicke, D: Miriam Spoerri, Herbert Fleischmann, Heinz Bennent, 82‘ • 35mm)

Eine mittelständische Wohlstandsehe in den 1960er Jahren: Karin hatte einst als Dolmetscherin gearbeitet, dann den Ingenieur Robert geheiratet und ein Töchterlein bekommen – nun möchte sie zurück ins Berufsleben, doch der Gatte kann diesen Wunsch überhaupt nicht verstehen. Karin will raus aus der Hausfrauenrolle, und bei einer Affäre mit dem Freiberufler Ulrich findet sie zumindest vorübergehend Verständnis. In seinem Spielfilmdebüt konzentriert sich Rischerts Erzählweise auf seine Hauptfigur, sie macht die Enge und bedrohliche Gleichgültigkeit dieses Lebens ebenso spürbar, wie die sehnsüchtigen Ausbrüche daraus: "Ein asketischer Film. Lang ausgehaltene Einstellungen, wenig Schnitte, ruhige Arrangements vor weißen Wänden. (…) Mehr noch: alles Atmosphärische, Zufällige, Unberechenbare ist verbannt, zugunsten einer genauen Kalkulation (…) Die strenge Komposition wird in den Sequenzen mit dem Liebhaber ein wenig durchbrochen." (Werner Kließ, film 3/1967) (fl)

Sonntag, 9.12. um 15 Uhr

"Christian Rischerts Dokumentationen à la carte"
Einführung: Jürgen Kasten, Frederik Lang (CineGraph Babelsberg e.V.)

Zwischen 1972 und 1982 drehte Christian Rischert zahlreiche Folgen für die Essens- und Reisedokumentationsreihe "à la carte" des Bayerischen Rundfunks, Ende der 1980er Jahre schließt die 16-teilige Serie "Die Weinmacher" daran an. Exemplarisch zeigen wir Rischerts Besuch bei Winzern im Friaul und zwei frühe Folgen von "à la carte": Im Pilotfilm "La Bouffe" wohnt Rischert einem ganztägigen bäuerlichen Festmahl unter Freunden in der Normandie bei und begleitet die vorangegangenen Einkäufe und Vorbereitungen. In "Der Trüffelsucher" reist der Regisseur ins Piemont, um mit einem Wirt auf die Jagd nach den wertvollen Pilzen zu gehen, die für die Einheimischen Alltags-, Handelsgut und Luxuslebensmittel zugleich sind, vor allem, wenn am Wochenende die Städter aus Turin und Mailand einfallen.

Neben dem (mitunter verklärenden) Feiern einer ursprünglich erscheinenden Lebensart in den bundesdeutschen Sehnsuchtsländern Italien und Frankreich ziehen sich durch viele von Rischerts "à la carte"-Beiträgen Themen, die nichts an Aktualität eingebüßt haben: Es geht um Unterschiede zwischen Stadt- und Landbewohnern (oder von Konsumenten und Erzeugern) hinsichtlich ihres Bewusstseins für den Wert ihrer Nahrung, um die Industrialisierung der Lebensmittelproduktion und Landwirtschaft, um Regionalität, Saisonalität und einen nachhaltigen Umgang mit Ressourcen. (fl)

"La Bouffe – Von der Lust am Essen" (BRD 1972. R/B: Christian Rischert, K: Andreas Lembcke, Bernd Staudenmaier, 45‘ • Digital SD)
"Der Trüffelsucher", BRD 1973, R/B: Christian Rischert, K: Kurt Lorenz, 43‘ • Digital HD
"Die Weinmacher: Friaul", BRD 1989, R/B: Christian Rischert, K: W. P. Hassenstein, Christian Gripenberg, 27‘ • Digital SD

Workshop zur Filmreihe im Zeughauskino am 8.12.2018 ab 12 Uhr
Ort: Medientheater, Institut für Musikwissenschaft und Medienwissenschaft
Georgenstraße 47, 10117 Berlin

Programm:
12 Uhr: Impuls: Rischerts Venedig-Filme mit Filmausschnitten (Ralph Eue, Fabian Tietke)
13 Uhr: Diskussion der Filme im Zeughauskino mit Britta Hartmann, Ralph Eue, Frederik Lang, Fabian Tietke, Moderation: Stefanie Mathilde Frank
14 Uhr: Impuls: Frauen und Emanzipation in Rischerts Spielfilmen: "Lena Rais" und "Kopfstand Madam!" (Britta Hartmann)
15 Uhr: Impuls: Filmen à la carte (Frederik Lang)

Quelle: www.cinegraph.de