Summary
On the 70th birthday of famous piano virtuoso Hannes Westhoff, a celebration is to take place at the patriarch's estate. For this occasion, his second wife Anne not only invited Westhoff's three sons Max, Fredrik and Gregor, but also their mother, Westhoff's ex-wife Renate. While Anne tries to maintain a friendly atmosphere, old conflicts resurface among the family. With tensions already high, things take a turn for the dramatic when son Max reveals shocking news.
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„Du bist mein Kerl, dich habe ich mir ausgesucht“: Frederik kreuzt mit seinem Lebensgefährten, dem Realschullehrer Vincent, auf und sieht sich sogleich mit anzüglichen Kommentaren seines Vaters konfrontiert. Ein schwuler Sohn passt nicht ins Hannes Westhoffs Weltbild und scheint zudem für den anerkannten Künstler, der am Abend darauf einen großen Empfang auf seinem idyllischen Seegrundstück geben will, auch nicht gesellschaftsfähig zu sein. Was, diese Bemerkung vermag ich mir nicht zu verkneifen, gerade in der Hauptstadt blanker Unsinn ist.
Dass Max, ein so begabter wie erfolgreicher Journalist und so etwas wie der Lieblingssohn des Patriarchen, was dieser freilich niemals eingestehen würde, als Letzter mit reichlich Verspätung eintrifft, war durchaus erwartet worden. An seiner Seite jedoch tritt zur Überraschung aller mit Jenny Mühlenkamp eine junge, attraktive und, dies vor allem, ungezwungene Natürlichkeit ausstrahlende Frau ins familiäre Rampenlicht. Das für die Krankenschwester, die dem „schönen großen Mann“ ohne weiteres gefolgt ist, nachdem sich Max nach einem Autounfall in klinische Behandlung begeben musste, so überwältigend grell ist, dass sie sich zunächst als Molekularbiologin ausgibt.
Hannes hat es sich nicht nehmen lassen, seine „Ex“ persönlich von Tegel abzuholen und auf die ersten Drinks in die Paris Bar am Savignyplatz zu begleiten – in Erinnerung an das gute alte, aufregende und naturgemäß antibürgerlich-linke West-Berlin der 1970er und 1980er Jahre. Renate trinkt immer noch zu viel, hat aber an Charme nichts eingebüßt. Und an ihren politischen Überzeugungen auch nicht, wie sich bereits kurz nach Beginn des Abendessens im großen Familienkreis zeigt.
„Ich bin zu alt und zu wohlhabend, um mir diesen Scheiß anzuhören“: Kaum ist der Rinderbraten auf dem Tisch, den Anne, die alles für eine entspannte Stimmung gibt, festlich geschmückt hat, muss Hannes seine Gäste, die in Wirklichkeit die Gäste seiner zweiten Frau sind, provozieren: Vincent soll, als „Frau“, die Tischseite wechseln. Nun gibt ein Wort das andere, ohne Rücksicht auf Verluste lassen alle den gegenseitigen Sticheleien, Vorwürfen und Aversionen freien Lauf. Mit zwei Ausnahmen: Anne und Jenny stehen der Eskalation mit Abscheu gegenüber – aber auch hilflos.
„Ein Windei, ein Schwuler und ein Schlaumeier“ lautet die Bilanz seines Lebenswerkes, als Hannes in der Küche seinen Geburtstagsbraten verzehrt – allein: „Einer will Geld, der andere will Absolution und Max weiß gar nicht, was er will.“ Immerhin kommt es dann doch noch zu einem versöhnlichen Neuanfang zwischen Vater und Lieblingssohn: Brahms vierhändig am Klavier. Leider dauert diese – musikalisch geradezu vollendete – Harmonie nur wenige Minuten, dann ist wieder das „Pantoffeltierchen mit Helfersyndrom“ gefragt, also Anne, um die Scherben aufzusammeln.
Als Max in der Nacht Blut erbricht, erfährt Jenny die Wahrheit: „Zwölf Ärzte, sieben Kliniken, elf Behandlungszyklen“ haben nichts gebracht, denn er leidet unter dem Cup-Syndrom, unter Krebs mit unbekanntem Primärtumor. Als er am Abend auf dem großen Empfang nach seiner kurzen, aber prägnanten Laudatio in Form der Fabel vom Frosch und dem Skorpion zusammenbricht und ins Krankenhaus eingeliefert werden muss, hat der Arzt nur die niederschmetternde Prognose parat, dass Max, im Endstadium seiner Erkrankung, nur noch wenige Tage bleiben. Max will sie im Elternhaus verbringen, wo ihm der Vater und die beiden Brüder ein letztes Hauskonzert geben. Bei seiner Beerdigung versprechen alle, Annes Einladung zu Weihnachten zu folgen – auch Renate sowie ganz selbstverständlich Jenny...
Mit bitterbösem Humor seziert Regisseur Lars Kraume subtil die Dramen, Eigenarten und Geheimnisse, die so oder so ähnlich unter der Oberfläche einer wohl jeden Familie schlummern. Kraume, von dem zuletzt die unter die Haut gehende Polit-Historie „Der Staat gegen Fritz Bauer“ zu sehen war, legt in seiner Tragikomödie, deren Titel schon die ganze Story beinhaltet, die kleinen und großen Grausamkeiten, die man sich nur innerhalb einer Familie zuzufügen vermag, gnadenlos offen. Aber auch die Gemeinsamkeiten, welche die Mitglieder einer Familie mehr verbinden, als uns allen vielleicht manchmal lieb ist. Zu einem echten Fest macht den Film vor allem das großartige Schauspieler-Ensemble.
„Familienfest“ ist ursprünglich fürs „Zweite“ in Koproduktion mit Arte entstanden. Nach seinem großen Uraufführungs-Erfolg beim Münchner Filmfest ist die am Ende sehr zu Herzen gehende, final gar melodramatische Familiengeschichte zunächst in die Kinos gekommen – und bestand in den kammerspielartigen Bildern Jens Harants durchaus auf der großen Leinwand, auch wenn das manche Kritiker anders sehen. Die TV-Premiere war am 25. November 2016 auf Arte.
Pitt Herrmann