Bonnys Blues

DDR 1977/1978 TV-Spielfilm

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Heinz17herne
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„Ab heute bist du der Hausherr“: Wilhelm Gerlach, einst in jungen Jahren hoffnungsvoller Pianist, heute in seinem Beruf geradezu aufgehender Klavierstimmer, übergibt die Schlüssel seines Gartenhäuschens, das schon weit mehr ist als eine Datsche mit Obst- und Blumengarten, an den Freund seiner Tochter, Dietmar „Bonny“ Bohnstengel.

Seit drei Jahren ist dieser nun mit Annemarie Gerlach und deren Sohn Uwe zusammen, da haben anfängliche Ressentiments gegen den unkonventionellen „Fensterputzer“ bei der PGH Glas- und Gebäudereinigung, der zugleich an seiner Karriere als Sänger in einer Band mit musikalischem Schwerpunkt Jazz und Blues bastelt, keinen Platz mehr. Zumal Opa Wilhelm nicht entgangen ist, dass es in jüngster Zeit in der Beziehung kriselt.

Was sich bei der spontanen Einweihungsfete mit Bonnys Bandkollegen, welche die Hütte sogleich als weiteren Probenort in Beschlag nehmen wollen, offenbart: Während Annemarie, Rezeptionistin im Erfurter Interhotel, mehr seiner freien Zeit für sich und die Familie beansprucht, fordert Bandkollege Harry Rauchfuß von Bonny, sich stärker auf die Musik zu konzentrieren und täglich mindestens eine Stunde zu üben. Die Gruppe steht kurz vor einem öffentlichen Konzert beim Festival „Jazz auf der Burg“ (gedreht wurde in der Burgruine Gleichen), das zum Ausgangspunkt einer lukrativen Tournee werden könnte.

Vor die Wahl gestellt, entscheidet sich Bonny für die Musik. Und lernt in einer Kirche die Musiklehrerin Christa Schneider kennen, die gerade ihren Schülern die Orgel vorführt. Spontan gibt Bonny ein Konzert mit modernen jazzigen Klängen – und nicht nur die Kids sind begeistert. Christa, einst die Schülerin Rainer Aurichs und seit zwei Jahren die Verlobte des erheblich älteren Musikdozenten, trifft Bonny zufällig in der Stadt wieder. Beide unternehmen einen Ausflug in die Umgebung samt Nacktbaden in der Kiesgrube – und flüchten vor einem Wolkenbruch in ein verwunschenes Schloss (gedreht wurde in Molsdorf).

„Ich hab‘ da gestern einen verrückten Kerl kennengelernt“ beichtet Christa ihrem Lebensgefährten, der den Seitensprung scheinbar locker aufnimmt. Und sie zur Generalprobe für das Burg-Festival in einen verräucherten Kellerclub begleitet, in der die Band um Arthur „Atta“ Schellhaase und Hermann Spreng (der Jazzposaunist und Filmkomponist Hermann Anders) erstmals den neuen Song „Als dein Gesicht vor mir sich hob“ aufführt. „Naturtalent, ganz begabt, aber nicht ernst zu nehmen“ kommentiert Aurichs.

Am Tag des Konzertes nimmt sich Bonny ein Zimmer im Hotel – entgegen der Vorschrift in der DDR, wonach nur Gäste außerhalb des Standortes beherbergt werden dürfen: Annemarie hat das ermöglicht, um ihm die notwendige Ruhe vor dem vielleicht wegweisenden Konzert zu verschaffen. Als dem Zimmermädchen Christiane gegen 17 Uhr eine offene Tür auffällt, findet sie Bonny tot auf dem Bett liegend vor. Die Bandkollegen auf der Burg warten vergeblich auf ihren Frontsänger.

Eine leere Flasche Nordhäuser Korn und leere Tablettenhülsen weisen zunächst auf Selbstmord hin: 2,1 Promille und Überdosis. Doch der Gerichtsmediziner kann die Kriminalisten, Oberleutnant Jürgen Hübner und Leutnant Woltersdorf, schon wenig später über die wahre Todesursache informieren: Aufprall des Kopfes auf die Zentralheizung. Stand der Ermittlungen: Alle waren im Hotel, aber keiner war auf Bonnys Zimmer…

In der hochkarätig besetzten „Polizeiruf 110“-Folge „Bonnys Blues“ geht es nur am Rande um ein Gewaltverbrechen, dass sich am Ende gar nicht als ein solches herausstellt. Sondern um Lebensentwürfe im real existierenden Sozialismus – um Zusammenhalt, um Verantwortung für den Anderen. Und die Vereinbarkeit von Beruf, dem als Berufung empfundenen Hobby und den bisweilen grau erscheinenden Pflichten im Familienalltag: Harry Rauchfuß, so etwas wie der Vertraute Bonnys in der Band, ist als Kellner in einer beliebten Gaststätte beruflich stark gefordert, hat daheim Frau und drei Kinder und macht trotzdem Musik.

Bonnys Lied „Als dein Gesicht vor mir sich hob“ nach einem russischen Liebesgedicht von Jewgeni Jewtuschenko („Babi Jar“) wird im Abspann von der Hermann Anders-Band mit der Sängerin Uschi Brüning im Original intoniert. 1973 hatte sie das sensationelle Studioalbum „Uschi Brüning und das Günther Fischer-Quintett“ für Amiga eingespielt, das der gebürtigen Leipzigerin zahlreiche Auftritte im Westen einbrachte. Die sie freilich erst absolvieren konnte, als sie 1976 ihre Unterschrift gegen die Ausbürgerung Wolf Biermanns zurückzog.

Pitt Herrmann

Credits

Regie

Schnitt

Darsteller

Alle Credits

Regie

Regie-Assistenz

Kamera-Assistenz

Schnitt

Musik-Ausführung

Darsteller

Produktionsleitung

Dreharbeiten

    • Erfurt und Umgebung
Länge:
88 min
Format:
35mm, 1:1.33
Bild/Ton:
Orwocolor, Mono
Aufführung:

Uraufführung (DD): 26.03.1978, DDR-TV

Titel

  • Reihentitel (DD DE) Polizeiruf 110
  • Originaltitel (DD) Bonnys Blues
  • Arbeitstitel (DD) Requiem
  • Schreibvariante (DD DE) Bonnies Blues

Fassungen

Original

Länge:
88 min
Format:
35mm, 1:1.33
Bild/Ton:
Orwocolor, Mono
Aufführung:

Uraufführung (DD): 26.03.1978, DDR-TV