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Österreich-Ungarn, Anfang des 20. Jahrhunderts. Der Schüler Törless geht auf ein Internat, das vorwiegend von jungen Männern aus gehobenen Familien besucht wird. Unter den Schülern herrscht eine strikte Hierarchie, die sich unter anderem in verschiedenen Formen der Demütigung niederschlägt. Als Törless und drei seiner Mitschüler erfahren, dass ihr jüdischer Mitschüler Basini wegen Spielschulden zum Dieb geworden ist, nutzen sie dieses Wissen aus, um ihn systematisch zu erniedrigen.
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Während Reiting seine sadistischen Gelüste voll auslebt und Beineberg die Torturen als „wissenschaftliche Studie“ nimmt, hält sich ihr Mitschüler Törless eher beobachtend im Hintergrund, um sich nicht unmittelbar beteiligen zu müssen. Bald jedoch eskalieren die verbalen Erniedrigungen zu handfesten Folterungen und Törless, der wissen will, was in Basini vor sich geht, während die anderen ihn erniedrigen, muss sich entscheiden, ob er die zunehmend blutigen Handlungen weiterhin billigt oder zumindest nicht verhindert. Schließlich rät Törless dem Opfer, seinen Diebstahl selbst bei der Schulleitung anzuzeigen, da Reiting und Beineberg inzwischen die ganze Klasse gegen Basini aufhetzen. Dieser wird in der Turnhalle von nahezu allen grausam gequält...
Volker Schlöndorff ist mit seinem Hauptdarsteller Mathieu Carrière eine kongeniale Verfilmung von Robert Musils Roman „Die Verwirrungen des Zöglings Törleß“ gelungen. Indem er Törless' Worte vor dem Lehrertribunal wörtlich nimmt und ganz normale Menschen zeigt, die plötzlich und ganz selbstverständlich grausame Dinge tun, ohne dass die (eigene) Welt zusammenbricht. Musils Roman war hier sehr prophetisch.
Mathieu Carrière spielt einen zurückgezogenen, überheblich-intellektuell wirkenden Einzelgänger, der mehr beobachtet, wenn auch aus ungesicherter Position heraus – für eine gesicherte ist Törless noch zu jung. Aber er macht sich mitschuldig und diesen Roman-Aspekt verstärkt Schlöndorff aus der retrospektiven Sicht der Geschichte des 20. Jahrhunderts, die Musil 1906 noch nicht zur Verfügung stand. Gleichzeitig bedeutet diese Interpretation eine Herauslösung des Protagonisten als Kunstfigur von der (auto-) biographischen Figur des Romans.
Bemerkenswert ist die Besetzung u.a. mit Lotte Ledl, Jean Launay, Hanna Axmann von Rezzori, Barbara Steele und Herbert Asmodi. Und die Musik stammt von keinem geringeren als Hans Werner Henze! Gedreht in München, am Tegernsee, im oberbayrischen Kloster Schäftlarn (Internat), in Graz und im Burgenland (Rust, Neusiedlersee) ist „Der junge Törless“ am 9. Mai 1966 in Cannes uraufgeführt worden, am 20. Mai 1966 ins Kino gekommen und am 20. Dezember 1969 vom ZDF erstausgestrahlt worden.
Pitt Herrmann