Nick's Film - Lightning Over Water

BR Deutschland 1979/1980 Dokumentarfilm

Inhalt

Semidokumentarische Hommage an den amerikanischen Regisseur Nicholas Ray. Gemeinsam mit Ray selbst drehte Wim Wenders diesen unsentimentalen Film über die letzten Wochen im Leben des krebskranken Meisterregisseurs.

 

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Heinz17herne
Heinz17herne
8. April 1979. Das gelbe Taxi hält um sechs Uhr in der Frühe am New Yorker West-Broadway. Wim Wenders ist mit dem Nachtflugzeug aus Los Angeles gekommen, wo er gerade an seinem aktuellen Film „Hammett“ arbeitet, um Nicholas Ray zu sehen. Den er zwei Jahre zuvor hier kennengelernt und in das Drehbuch seines Films „Der amerikanische Freund“ eingebaut hatte. Ray, der vor allem durch seinen 1955 entstandenen Jugendstreifen „... denn sie wissen nicht was sie tun“ Filmgeschichte geschrieben hat, ist lebensbedrohlich an Krebs erkrankt. Nach drei Operationen innerhalb eines Jahres ist er wieder daheim, will unbedingt wieder arbeiten. Weshalb nicht nur seine junge Gattin Susan stets bei ihm ist, sondern auch Kameramann Tom Farrell, der die VHS-Kamera gefühlt rund um die Uhr surren lässt.

Als der verrückte Disney-Huhn-Wecker Kinderzimmer-Ratschläge krächzt, zündet sich Ray nach einer Hustenorgie erst einmal ein Zigarillo an, bevor er zum Rasierapparat greift. Und einem Tonbandgerät seinen jüngsten (Alp-) Traum anvertraut. Wenders hat Skrupel, seinen Kameramann Ed Lachman in Position zu bringen, um den Todgeweihten in Eastmancolor auf 35mm-Zelluloid zu bannen: Er will seinen väterlichen Freund weder kränken oder verraten – und schon gar nicht für ein Filmprojekt missbrauchen. „Unsere Realität war unsere Geschichte“ steuert Wenders im Off-Kommentar bei, als Ray mit Susan, Wim und Tom im Straßenkreuzer zum Vassar College kutschiert wird.

Dort läuft erst Rays hierzulande „Arena der Cowboys“ genannter Schwarzweiß-Streifen „The Lusty Men“ mit Robert Mitchum aus dem Jahr 1952, bevor der 68-jährige Regisseur über die Dreharbeiten ohne festes Script spricht: Zusammen mit den Schauspielern sei Nacht für Nacht das ursprünglich keine dreißig Seiten umfassende Drehbuch fortgeschrieben worden. Ray verwahrt sich ausdrücklich gegen die Genrebezeichnung Western: „The Lusty Men“ sei eine Heimkehrer-Geschichte über Leute, die den amerikanischen Traum vom eigenen Heim verwirklichen wollen.

Nicks Filmprojekt eines an Krebs Erkrankten, der noch einmal etwas Verrücktes machen will, ist längst zu Wims Hommage mutiert, selbst als Letzterer nach zwei Wochen zurückkehren muss, um in Los Angeles mit dem hier nicht erwähnten Produzenten Francis Ford Coppola weitere Details zur „Hammett“-Produktion zu besprechen. Als Susan ihren Mann aufgrund unerträglicher Schmerzen ins Memorial Hospital bringt, bekundet Wenders seine „ödipale Furcht“, dass der Film Nick umbringen könnte bei dessen fragiler Konstitution. Dennoch sind Tom Farrell und Ed Lachman wieder mit ihren Kameras dabei...

Vier Wochen später ist Wenders zusammen mit seiner Gattin Ronee Blakley zurück in New York und wird Zeuge, wie Nick mit dem Schauspieler Herry Bamman an einer Bühnenfassung von Franz Kafkas „Bericht für eine Akademie“ feilt. Bevor Nicholas Ray am 16. Juni 1979 stirbt, gibt er noch einen gnadenlos realen King Lear im Klinikbett: keine Shakespeare-Figur, sondern ein König des Films, der ganz unfreiwillig abdankt und dabei das letzte „Cut!“-Kommando selbst erteilt.

Im Epilog schippert die mit chinesischen Zeichen beschriftete Urne mit Rays Asche auf einer Dschunke über den Hudson dem offenen Meer entgegen – platziert zwischen einer Kamera und einer analogen Moviola-Schneideapparatur. Unter Deck spricht die Crew über den aus beiden Vorhaben entstandenen „ehrlichen Film“ und über die Motivation Nicks, die Filmleute bis zuletzt gewähren zu lassen: „Um dem Tod zu trotzen, machte er den Film.“

„Nick's Film“ ist auch technisch eine Hommage an Nicholas Ray, der schon früh mit dem neuen Medium Video experimentierte. Film im Film: Immer wieder rückt die Entstehung dieser semidokumentarischen Hommage in den Vordergrund. Video im Film: Damit das Ergebnis nicht zu schön, zu sauber, zu „geschleckt“ aussieht, stehen gestochen scharfe 35-mm-Sequenzen neben unscharfen, verwackelten VHS-Schnipseln – und das häufig mit fließenden Übergängen. Schrift im Film: Wenders übersetzt handschriftliche Tagebuchnotizen Nicks ins Deutsche, während die Originalvorlage faksimiliert im Bild erscheint.

Der Neunzigminüter ist zuerst im Mai 1980 beim 33. Int. Filmfestival in Cannes gezeigt worden, allerdings außer Konkurrenz. Sodass die Uraufführung am 2. November 1980 bei den Int. Filmtagen Hof stattfinden konnte. 1981 gabs gleich zwei Deutsche Filmpreise in den Sparten „Produktion“ (Chris Sievernich und Pierre Cottrell für Road Movies) und „Bester Spielfilm“ (Wim Wenders), hier allerdings nur ein Filmband in Silber (Gold wurde in diesem Jahr nicht vergeben).

Pitt Herrmann

Credits

Alle Credits

Regie-Assistenz

Kommentar

Kamera-Assistenz

Standfotos

Mischung

Sprecher

in Zusammenarbeit mit

Produzent

Co-Produzent

Dreharbeiten

    • New York, City, Vasar College (New York), Malibu (Kalifor.)
Länge:
2452 m, 90 min
Format:
35mm + 16mm + 1/2 Zoll Sony Betamax, überspielt, 1:1,66
Bild/Ton:
Eastmancolor, Ton
Prüfung/Zensur:

FSK-Prüfung (DE): 26.02.1981, 52194, ab 12 Jahre / feiertagsfrei

Aufführung:

Erstaufführung (DE): 02.11.1980, Hof, Internationale Filmtage;
TV-Erstsendung (DE): 15.02.1987, ARD

Titel

  • Originaltitel (DE) Nick's Film - Lightning Over Water

Fassungen

Original

Länge:
2452 m, 90 min
Format:
35mm + 16mm + 1/2 Zoll Sony Betamax, überspielt, 1:1,66
Bild/Ton:
Eastmancolor, Ton
Prüfung/Zensur:

FSK-Prüfung (DE): 26.02.1981, 52194, ab 12 Jahre / feiertagsfrei

Aufführung:

Erstaufführung (DE): 02.11.1980, Hof, Internationale Filmtage;
TV-Erstsendung (DE): 15.02.1987, ARD

Digitalisierte Fassung

Länge:
90 min
Format:
DCP, 1:1,66
Bild/Ton:
Farbe, Dolby 5.1

Auszeichnungen

Deutscher Filmpreis 1981
  • Filmband in Silber, Programmfüllende Spielfilme