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Während der Dreharbeiten zu einem neuen Film überfällt den Western-Schauspieler Spence, der schon bessere Zeiten gesehen hat, der große Frust. Nach einer wieder einmal betrunkenen Nacht schwingt sich der Lebemann kurz entschlossen in seinem Cowboy-Kostüm auf sein Pferd und reitet dem Film und seinem Leben davon. Von einem Detektiv der Filmproduktion verfolgt, macht Spence zunächst bei seiner Mutter Station, mit der er seit dreißig Jahren keinen Kontakt mehr hatte. Im weiteren Verlauf seiner Reise durch Amerika erfährt Spence, dass er von verschiedenen Frauen sowohl einen Sohn als auch eine Tochter hat. Die Begegnungen mit seinen Kindern, die er nie zuvor gesehen hat, verlaufen überaus konträr.
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Nach einer durchzechten Nacht hat Spencer die Schnauze voll und haut vom Set eines Films namens „Phantoms of the West“ ab, ganz stilvoll kostümiert auf dem Rücken seines Film-Pferdes – und dahin, wo seine Wurzeln liegen und in Marlboro-Country die Freiheit grenzenlos scheint. Verfolgt von einem Beauftragten der um ihren Kapitaleinsatz bangenden Filmgesellschaft, dem coolen Versicherungsagenten Sutter (Tim Roth geistert durch den Film wie die Personifizierung eines Gegenentwurfs), der Spencer an den Set zurückholen soll, geht es von Utah durch die mythische Landschaft Nevadas und das Monument Valley bis nach Elko, einem Spielerparadies als Bonsai-Ausgabe von Las Vegas.
Dort macht er bei seiner Mutter Station, die er bald drei Jahrzehnte nicht mehr gesehen hat. Und die vorgibt, ihn nicht erkannt zu haben, als er aus dem Bus gestiegen ist, obwohl sie seit damals jeden Zeitungsartikel, der über ihren Sohn erschienen ist, sorgfältig archiviert hat. Als er von ihr erfährt, dass er ein fast erwachsenes Kind haben soll, einen Sohn auch noch, erwacht ein neues Lebensgefühl in ihm: War doch nicht alles umsonst in den letzten drei Jahrzehnten?
Spencer macht sich im Oldtimer seines im Zweiten Weltkrieg gefallenen Vaters auf in die Bergwelt von Montana, in die Kleinstadt Butte. Dort hat er einst nicht nur seinen ersten Film gedreht, sondern auch Doreen kennengelernt, seine erste und, wie er sich heute eingestehen muss, einzige große Liebe. Und er erlebt, obwohl sein Sohn, der Country-Sänger Earl, von ihm ebenso wenig etwas wissen will wie Doreen, die Überraschung seines Lebens.
Denn das wunderschöne, stille Mädchen, das sich ihm seit geraumer Zeit an seine Fersen geheftet hat, stellt sich als seine Tochter Sky heraus. Sie entstammt einer weiteren Kurz-Liaison des damals jugendlichen Western-Darstellers und ist nach Butte gekommen, um die Asche ihrer gerade verstorbenen Mutter, die sie in einer Urne stets mit sich herumträgt, dort zu verstreuen, wo ihre Mutter einst ihre glücklichsten Stunden verlebte.
„Zuhause sein, das hast du doch immer gewollt“: Sky rät Spencer, in Butte zu bleiben und es gelingt ihr, Zugang zum völlig verstörten Halbbruder Earl zu finden. Ein klattriges Happy End steht zu befürchten, da taucht der Agent Sutter auf und bringt Spencer in Handschellen zurück zum Set. Doch im Schlussbild sehen wir ein fröhliches Trio in Spencers Oldtimer, das ebenfalls auf dem Weg nach Utah ist: Sky, Earl und sein nervtötendes Girlie-Groupie Amber...
Zwanzig Jahre nach seinem ersten US-Erfolg „Paris, Texas“ hat Wim Wenders wieder mit dem Schauspieler und Drehbuchautor Sam Shepard zusammengearbeitet. Und die vom jungen Kameramann Franz Lustig („Land of Plenty“) mit berückenden (Landschafts-) Aufnahmen und stilechten Edward Hopper-Interieurs bereicherte Mischung aus Familiengeschichte und Road-Movie wurde bei der Uraufführung in Cannes mit zwanzigminütigen stehenden Ovationen im „Lumiere“ gefeiert – ein einziger Triumph.
Der sich drei Tage nach der Deutschen Erstaufführung bei der Revier-Premiere in der Essener „Lichtburg“ in Anwesenheit des aufgeräumten Regisseurs und frischgebackenen „Sechzigers“ wiederholte: „Don’t Come Knocking“ zeigt ein kritisches, wenn auch altersmildes Amerika-Bild aus der Perspektive eines Ausländers, des im benachbarten Oberhausen aufgewachsenen Regisseurs Wim Wenders. Er lebt seit Jahren auch in Los Angeles und hat den Amerikanern in seinen Filmen immer wieder einen Spiegel vorgehalten, was diese freilich gar nicht zu schätzen wissen.
Pitt Herrmann