Falk Harnack
Falk Harnack wurde am 2. März 1913 in Stuttgart als jüngster Sohn der Malerin Clara Harnack (1877–1962) und des Literaturwissenschaftlers Otto Harnack (1857–1914) geboren. Seinen Vater, der 1914 Suizid beging, lernte er nicht mehr kennen. Zur Familie gehörten weitere prominente Persönlichkeiten aus Kultur und Wissenschaft. So waren zum Beispiel der Theologe Adolf von Harnack und der Pharmakologe Erich Harnack seine Onkel und der Theologe Dietrich Bonhoeffer sein Cousin.
Nach dem Abitur nahm Falk Harnack 1933 in Berlin ein Studium der Theaterwissenschaft auf, wechselte im April 1934 aber nach München. Durch seinen älteren Bruder Arvid hatte er schon in jungen Jahren einige Menschen kennen gelernt, die Anfang der 1940er Jahre zur Widerstandsgruppe 'Rote Kapelle' gehören sollten. Die humanistische Haltung seiner Familie und dieser Bekanntschaften prägte ihn so stark, dass auch er die Nazi-Ideologie von Beginn an ablehnte. So war er bereits im Mai 1934 in München an einer Flugblattaktion gegen den NS-Studentenbund beteiligt.
1936 promovierte Harnack bei Artur Kutscher über den Dramatiker Karl Bleibtreu, dessen Credo einer engagierten, zu gesellschaftlichen Konflikten Stellung beziehenden Kunst auch er selbst sich zeitlebens verpflichtet fühlte. 1937 erhielt er eine Stelle als Dramaturg am Weimarer Nationaltheater, von wo er 1940 als Regisseur ans Landestheater Altenburg ging. 1941 wurde er zum Kriegsdienst eingezogen.
Als Harnack sich 1942 in Chemnitz aufhielt, nahmen Mitglieder der Münchner Widerstandsgruppe Weiße Rose Kontakt mit ihm auf, weil sie Kontakte zur Roten Kapelle in Berlin suchten, der auch sein Bruder Arvid angehörte. Dann aber wurde die Mitglieder der Roten Kapelle verhaftet und viele von ihnen hingerichtet, darunter Arvid Harnack und seine US-amerikanische Ehefrau Mildred. Auch Falk Harnack wurde 1943 wegen seiner Kontakte angeklagt, jedoch vom Volksgerichtshof München im April 1943 aus Mangel an Beweisen und wegen "einmalig besonderer Verhältnisse" freigesprochen.
Stattdessen versetzte man ihn im August 1943 ins Strafbataillon 999 nach Griechenland. Allerdings begann er, sich im dortigen Widerstand zu engagieren. Aufgrund dieser Aktivitäten sollte Harnack im Dezember 1943 von der Gestapo verhaftet und deportiert werden. Mit Hilfe eines Leutnants, Gerhard Fauth, gelang ihm vorher die Flucht. Harnack schloss sich der griechischen Partisanenbewegung ELAS an und gründete zusammen mit Gerhard Reinhardt das 'Antifaschistische Komitee Freies Deutschland'.
Nach dem Ende des Krieges kehrte Falk Harnack nach Deutschland zurück, wo er erfuhr, dass mehrere Angehörige seiner Familie noch im Frühjahr 1945, also unmittelbar vor Kriegsende, von der SS ermordet worden waren: sein Cousin Ernst von Harnack, seine Cousins Klaus und Dietrich Bonhoeffer sowie sein Schwager Hans von Dohnanyi.
Er selbst begann als Regisseur und Dramaturg am Bayerischen Staatsschauspiel München zu arbeiten; 1947 wechselte er ans Deutsche Theater Berlin. Von 1949 bis 1952 war er künstlerischer Direktor bei der DEFA. Dort gab er 1950 mit der Arnold-Zweig-Adaption "Das Beil von Wandsbek" sein Debüt als Filmregisseur. Allerdings gab es um den in Nazi-Deutschland spielenden Film heftige Diskussionen. Neben der DEFA-Kommission hatte auch das Zentralkomitee der KPdSU erhebliche Einwände: Der Film wecke Mitleid mit den Mördern des NS-Regimes und solle deshalb aus dem Programm genommen werden – was nach nur einem Monat auch geschah. Ursprünglich sollte Harnack auch bei "Der Untertan" Regie führen, doch dazu kam es nicht mehr. 1951 wurde er von Artur Brauner für einen Film über die Geschwister Scholl engagiert, der dann aber nicht zustande kam. 1952 verließ Harnack die DDR und zog nach West-Berlin.
Dort arbeitete er einige Jahre für Brauners Produktionsfirma CCC-Film. Nach dem eher anspruchslosen Melodram "Roman eines Frauenarztes" (1954) inszenierte er 1955 "Der 20. Juli", über das gescheiterte Attentat auf Adolf Hitler. Der Film wurde 1956 mit dem Deutschen Filmpreis in der Kategorie "Filme, die zur Förderung des demokratischen Gedankens beitragen" ausgezeichnet und gilt heute als Klassiker.
Bis Ende der 1950er Jahre drehte Harnack noch einige Melodramen, darunter "Nacht der Entscheidung" (1956, ein inoffizielles Remake von "Mensch ohne Namen", 1932), mit Carl Raddatz als Kriegsheimkehrer, und "Anastasia, die letzte Zarentochter" (1956) mit Lilli Palmer, die auch die Hauptrolle in der Selbstfindungsgeschichte "Wie ein Sturmwind" (1957) übernahm. Mit "Unruhige Nacht" (1958), nach dem Roman von Albrecht Goes, realisierte Harnack einen intensiven und hoch gelobten Antikriegsfilm über einen Militärpfarrer (Bernhard Wicki), der einem zum Tode verurteilten Deserteur (Hansjörg Felmy) in seiner letzten Nacht Beistand leisten soll. In "Arzt ohne Gewissen" (1959) thematisierte er in Form eines Thrillers die menschenverachtenden "Moralvorstellungen" der Nazis und ihrer ärztlichen Handlanger über "wertes" und "unwertes" Leben. Offenbar war es für solche Themen in Deutschland noch zu früh, der Film erhielt eher mäßige Kritiken.
Danach war Harnack fast nur noch fürs Fernsehen tätig, wo er häufig auch die Drehbücher seiner Filme schrieb. 1962 drehte er "Jeder stirbt für sich allein" (TV) nach dem gleichnamigen Roman von Hans Fallada, über ein Arbeiterpaar, das Widerstand gegen das NS-Regime leistet, am Ende jedoch hingerichtet wird.
Von 1963 bis 1965 war Harnack leitender Regisseur beim neu gegründeten ZDF. Fürs Kino drehte er noch einen Film, das Arztmelodram "Ein Frauenarzt klagt an" (1964), der die damalige Debatte über das Sterilisationsverbot aufgreift. Bedeutende Fernseharbeiten Harnacks waren das Gerichtsdrama "Weiß gibt auf" (1966), die Fontane-Adaption "Unwiederbringlich" (1968) und das zweiteilige Dokudrama "Peenemünde" (1970), über den Bau der V-1-Flugbombe und der V-2-Rakete in der Heeresversuchsanstalt Peenemünde während des Zweiten Weltkriegs. Ansonsten inszenierte er häufig Krimis wie zum Beispiel "Ein Fall für Herrn Schmidt" (1971) und "Der Tote vom Pont Neuf" (1973). Bemerkenswert ist seine letzte Regiearbeit, die feministische Emanzipationsgeschichte "Erika" (1976, TV, auch Drehbuch), über eine Ehefrau, die aus ihrem geordneten bürgerlichen Leben ausbricht und allen Widrigkeiten zum Trotz gegen die Ungleichbehandlung von Frauen aufbegehrt.
Danach zog Harnack sich aus dem aktiven Filmgeschäft zurück. In einer Hommage der Deutschen Kinemathek Berlin 1983 schrieb der Autor und (Film-)Historiker Gerhard Schoenenberner: "In einer Zeit, als der westdeutsche Nachkriegsfilm künstlerisch und politisch seinen Tiefpunkt erreicht hatte, setzten seine Arbeiten erneut neue Maßstäbe."
Falk Harnack war mit der Schauspielerin Käthe Braun verheiratet, die auch in einigen seiner Filme mitwirkte. Er starb am 3. September 1991 nach langer Krankheit in Berlin.