Das Zeugenhaus

Deutschland 2014 TV-Spielfilm

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Heinz17herne
Heinz17herne
Nürnberg, 20. September 1945. „Wer müde ist, lügt schlecht“ sagt ein gewisser Mister Bernstein vom CIC, dem Counter Intelligence Corps der US-Army, das unmittelbar nach Kriegsende in den besetzten oder, richtiger: befreiten Gebieten nach Kriegsverbrechern fahndet. Und setzt mit Nachdruck hinzu: „Alle lügen!“.

„Ich bin eine gute Gesellschafterin, aber eine schlechte Spionin“: Gesprächspartnerin des vor seiner Emigration in Hamburg lebenden gebürtigen Deutschen ist die ungarische Gräfin Belavar, die seine Leute durch Gefangenenaustausch aus der Hand des russischen Geheimdienstes NKWD befreit haben. Das „Volkskommissariat für Innere Angelegenheiten“ hatte die Adlige, die zuvor ihren gelynchten Mann und ihre ebenfalls erschlagenen drei Söhne begraben musste, als Spionin verhaftet.

Auf Vermittlung eines Priesters, Captain Fabian Flynn (Jeff Burrell), dessen Orden mit der Familie Belavar in Verbindung stand, ist die Gräfin nach Nürnberg gekommen, um in einer beschlagnahmten Villa ein Zeugenhaus zu führen. Sie erfüllt alle Voraussetzungen für ihren Job auf Zeit: politisch unbelastet, mehrsprachig, integer. Als Gastgeberin hat sie Zeugen zu betreuen, die in den „Nürnberger Prozessen“ seitens der Anklage berufen worden sind. Und stellt als erstes die bisherige Hausbesitzerin Elise Krollmann als Köchin ein, damit diese mit ihrem Sohn Werner zumindest im Keller wohnen bleiben kann.

„Alle hegen Verdacht, jeder gegen jeden“ bekundet einer der ersten Gäste, Erwin von Lahousen. Der Generalmajor der Deutschen Wehrmacht gehörte zum Widerstandskreis um Claus Schenk Graf von Stauffenberg und überlebte das gescheiterte Hitler-Attentat am 20. Juli 1944 in einem Lazarett an der Ostfront. Er wird später erstmals öffentlich die unmittelbare Beteiligung der Wehrmacht an den Verbrechen des Nazi-Regimes bezeugen. „Bald sind wir wieder obenauf“ hofft dagegen Adolf Hitlers Leib- und Hoffotograf Heinrich Hoffmann, der zusammen mit seiner impertinent hochnäsigen Tochter Henny mit großer Aufmerksamkeit das Prozessgeschehen verfolgt. Ist Henriette von Schirach doch die Gattin eines der Angeklagten, des Reichsjugendführers und Wiener Statthalters Baldur von Schirach.

Wie Hoffmann weiß auch Hermann Görings Privatsekretärin Gisela Limberger nur Gutes vom nach wie vor verehrten „Führer“ zu berichten, während sich der geheimnisvolle Herr Gärtner bevorzugt im Garten aufhält und die Mahlzeiten getrennt von den anderen in der Küche einnimmt. Auch die junge Französin Marie-Claude Vaillant-Couturier, offiziell als Dolmetscherin engagiert, hält sich mit politischen Äußerungen sehr bedeckt, während sich Heinrich Ross als Pazifist und Berliner Kunsthändler zu Unrecht verwechselt fühlt mit seinem Bruder Wilhelm, einem SS-Offizier, dem schwere Kriegsverbrechen in Weißrussland vorgeworfen werden.

Als vorletzter Gast kommt Rudolf Diels spät in der Nacht in die Villa, in der er ein separiertes Zimmer mit Bad erhält, das er nicht verlassen darf. Der weltläufig-elegante, smarte Womanizer hat als Beamter im preußischen Innenministerium einst im Auftrag Hermann Görings die Geheime Staatspolizei gegründet und kann nun mit Material aus dem Innenleben der Gestapo seine Haut retten. Schließlich bekommt Erwin von Lahousen mit Emilia noch eine angebliche Nichte in sein Zimmer...

28. Januar 1946. Gräfin Belavar wird von Captain Flynn in die US-Militäradministration zitiert. Rudolf Diels hat sie als heimliche Morphinistin denunziert, aber Bernstein kennt ihre Leidensgeschichte und hält seine schützende Hand über sie, die Ampullen aus Armybeständen eingeschlossen. Die Causa Ross wird zugunsten Heinrichs entschieden, obwohl Hoffmann auf einem seiner Fotos erkannt hat, dass es sich bei ihm eigentlich um Wilhelm Ross handelt. Eine kleine Niederlage, die von zwei teuer erkauften Siegen über die selbsternannte Herrenmenschen-Rasse mehr als ausgeglichen wird: „Herr Jäger“ war drei Jahre jüdischer Häftling im KZ Mauthausen, wo er den Holocaust-Leugner Heinrich Hoffmann als Staats-Fotograf gesehen hat. Und die einstige Résistance-Kämpferin Marie-Claude berichtet im Nürnberger Justizpalast von ihrem mehrjährigen Martyrium im KZ Auschwitz.

1. Oktober 1946. Nach 218 Verhandlungstagen werden die Todesurteile verlesen. Nur Baldur von Schirach kommt mit 20 Jahren Gefängnis davon. Hennys Triumphgefühl ist nicht von langer Dauer: Ihr Vater wird von der Bayerischen Kriminalpolizei verhaftet. Und Gräfin Belavar? Wird das Angebot Captain Flynns, mit ihm in die USA zu gehen, wohl ablehnen...

„Das Zeugenhaus“ beruht auf dem gleichnamigen, 2005 bei Goldmann erschienenen Buch der Journalistin Christiane Kohl, dem neun Jahre zuvor ein „Spiegel“-Artikel der SZ-Korrespondentin vorausgegangen war. Der sich wiederum auf die Erinnerungen der ungarischen Gräfin Ingeborg Kálnoky stützte, die während der Nürnberger Prozesse in einem unscheinbaren Haus in der Novalisstraße im Stadtteil Erlenstegen besagtes „Zeugenhaus“ geführt hatte – weder drogenabhängig noch von einer Familientragödie gezeichnet wie die von Iris Berben verkörperte Protagonistin.

Matti Geschonneck, Sohn des großen DDR-Schauspielers Erwin Geschonneck, der mit Sachsenhausen, Dachau und Neuengamme gleich drei Konzentrationslager überlebte, hat in seiner Dokufiction nicht nur bei der Gräfin Belavar eigene Akzente gesetzt. Auch etwa die Figur der angeblichen Nichte Emilia entspricht nicht der historischen Vorlage: Lahousen hat vom CIC eine Prostituierte verlangt – und auch gestellt bekommen. In die fiktionale Handlung eingeflochten sind Original-Hörfunk- und Filmszenen aus dem Prozess u.a. mit Hermann Göring, Rudolf Hess, Joachim von Ribbentrop, Albert Speer und Baldur von Schirach, der Film selbst beschränkt sich kammerspielartig aber weitgehend auf das spannungsreiche Miteinander in der Villa.

Pitt Herrmann

Credits

Drehbuch

Darsteller

Produzent

Alle Credits

Drehbuch

Casting

Darsteller

Produzent

Dreharbeiten

    • 25.02.2014 - 06.04.2014: Berlin
Länge:
105 min
Format:
16:9
Bild/Ton:
Farbe, Stereo
Aufführung:

Uraufführung (DE): 20.11.2014, Baden-Baden, Fernsehfilmfestival;
TV-Erstsendung (DE): 24.11.2014, ZDF

Titel

  • Originaltitel (DE) Das Zeugenhaus

Fassungen

Original

Länge:
105 min
Format:
16:9
Bild/Ton:
Farbe, Stereo
Aufführung:

Uraufführung (DE): 20.11.2014, Baden-Baden, Fernsehfilmfestival;
TV-Erstsendung (DE): 24.11.2014, ZDF

Auszeichnungen

Hubert Burda Media 2015
  • Bambi, Schauspieler National
Banff Wold Media Festival 2015
  • Hauptpreis, Made for TV Movie
New York Filmfestival 2015
  • Golden World Medaille, Bester Fernsehfilm