Kinos in Steglitz

Quelle: Postkarte. Industrie-Fotografen Klinke & Co, Berlin-Tempelhof
Der Titania-Palast in Berlin-Steglitz, Anfang 1950er Jahre

August 1903: Beim Vogelschießen in Steglitz spielten die Kinematographen von Wilhelm Hartkopf, der auch ein nicht näher bezeichnetes "Museum" zeigte, sowie eines Herrn Salzmann. Ferner gab es eine amerikanische und russische Schaukel, Karussells, Athleten und Riesenmädchen, Schießbuden, Photographen sowie eine ganze Anzahl von Spiel- und Verkaufsbuden. "Geschäft und Wetter sehr schlecht." (Der Komet, Nr. 961, 22.8.1903)

Die ersten nachweisbaren Kinos in Steglitz entstanden ab 1907. Es waren kleinere, wenig repräsentative Räume. Sie eröffneten in Straßen mit starkem Publikumsverkehr, etwa in der Schlossstraße, damals wie heute die zentrale Einkaufs- und Flanierstraße von Steglitz, sowie in der nahegelegenen Albrechtstraße.

Vermutlich ab 1907 spielte das Metropol-Lichtbild-Theater (200 Plätze) in der Schlossstraße 31; es dürfte das erste feste Lichtspieltheater in Steglitz gewesen sein. 1910 eröffneten das Flora-Kino (Schlossstraße 10, 200 Plätze) und die Filmburg (222 Plätze, Schlossstraße 92). 1911 folgten das Deutsches Theater (126 Plätze, Albrechtstraße 132) und die P.T. Lichtspiele bzw. Palast-Theater (230 Plätze, Albrechtstraße 91 am Steglitzer Stadtpark).

In Lichterfelde eröffnete 1909 der Mechaniker Paul Eitner in der Chausseestraße 93a (heute: Hindenburgdamm) Ecke Augustastraße das Central-Kino (172 Plätze). "Bei der Neubestuhlung – zuerst waren nur Sitzbankreihen ohne Lehnen – half eine Brauerei; denn zu jener Zeit gehörte zum Kintoppbesuch noch eine anständige Molle. Voller Stolz erzählt Vater Eitner, daß bei den Sonnabend- und Sonntagsvorstellungen manchmal zwei Tonnen ausgeschenkt wurden." (Kinobesitzer, Erfinder, Bastler in einer Person, in: Steglitzer Lokal-Anzeiger, 16.12.1961) 1916 folgten die Hindenburg-Lichtspiele (Lichterfelde, Hindenburgdamm Nr. 58a) mit 250 Plätzen. Weitere kleine Kinosäle entstanden in Südende, Potsdamerstraße 22 (Lichtspiele, 221 Plätze) und in der Thorwaldsenstraße 26 (Thorwaldsen-Lichtspiele, 210 Plätze)

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Quelle: Friedenauer Lokal-Anzeiger, Nr. 302, 24.12.1908
Anzeige für "Schröder's Welt-Theater"

Ab dem 31. Dezember 1908 zeigte "Schröder‘s Welt-Theater" im Restaurant "Zum Feldschlößchen" (Körnerstraße 48b) nachmittags "lebende, singende und sprechende Photographien". Das Unternehmen zeigte Bilder aus den Bereichen Länder- und Völkerkunde, Aufnahmen neuester Begebenheiten sowie heitere Szenen. Anschließend gab es in dem nahe der Steglitzer Radrennbahn gelegenen Restaurant eine große Silvesterfeier mit Tanz. Die Filmdarbietungen sollten bereits am 1. Weihnachtstag beginnen, mussten aber wegen unvorhergesehener Probleme verschoben werden. (Friedenauer Lokal-Anzeiger, 23., 24. und 30. Dezember 1908)

Am 1. Mai 1909 eröffnete auf dem Vergnügungspark auf dem Grundstück Schloßstraße 1-5 in Steglitz eine Kirmes mit zahlreichen Schaustellungen wie eine Gondel-, Berg- und Talbahn und Deutschlands größter "Schieß-Salon". Außerdem spielte der "Nobleß Riesen-Kinematograph". (Friedenauer Lokal-Anzeiger, Nr. 102, 2.5. 1909)

Mai 1910: Auf dem Schützenfest in Steglitz war neben einem Bären-Theater, einem Hunde-Theater und einen Spezialitäten-Theater auch ein von dem Schausteller Karl Birkeneder betriebener Kinematograph vertreten. Ferner lockten ein Zirkus, ein Auto-Karussell, mehrere Schaukeln, Spielbuden und Schankzelte. (Der Komet, Nr. 1315, 4.6.1910)

Quelle: Steglitzer Zeitung, Nr. 247, 19.10.1912
Anzeige der Albrechtshof-Lichtspiele

Ab 1912 eröffnete in der Albrechtstraße 1a Ecke Schlossstraße 81/82, in unmittelbarer Nähe des Rathauses, im großen Saal des Hotels Albrechthof Steglitz' auf lange Zeit größtes und repräsentativstes Kino: die Albrechtshof-Lichtspiele mit 700 Plätzen. Großspurig warb es im Oktober 1912 mit dem größten Programm von Groß-Berlin und einer Spieldauer von vier Stunden mit vier "Schlagern", also vier längeren Hauptfilmen in einem Programm. Damit hatte sich das Kino auch in Steglitz als Unterhaltungsstätte für ein breites, sich nun auch verstärkt aus bürgerlichen Schichten rekrutierendes Publikum etabliert. Trotz Kriegsschäden und einem Rückbau auf nur noch 480 Plätze hielt sich das Kino Albrechtshof bis 1967.

Größer waren das 1921 etablierte Schloßparkkino (982 Plätze, Schlossstraße 48), ab 1930 die Park-Lichtspiele (1.000 Plätze, Albrechtstraße 48/49) und das 1933 eröffnete Capitol in Lankwitz mit 950 Plätzen.

1915. Auch in Steglitz spielten einige Kinos am gleichen Tag das gleiche Programm. Sogenannte "Filmpendler", häufig Jugendliche, transportierten als Fahrradkuriere die jeweils vorgeführten Filmrollen von einem Kino zum anderen. Offenbar besaßen aber nicht alle eigene Fahrräder. Am 4. August 1915 wurde einem jugendlichen Filmpendler vor den Metropol-Lichtspielen in der Schloßstraße 31 das Rad gestohlen. "Da der junge Mann die Maschine ersetzen muss, bittet er, sie ihm wieder zuzustellen." (Steglitzer Anzeiger, Nr. 180, 5.8.1915)

1915. Unter der Überschrift "Bubenstreiche" berichtet der "Steglitzer Anzeiger" (Nr. 182, 7.8.1915) über einen "sonderbaren Spaß", den sich "dumme Jungen" am Hause der P.T.-Lichtspiele in der Albrechtstraße 91 erlaubt hatten. Aus dem Glasaushang des Kinos hatten sie die Einlageschilder mit Aufschriften wie "Am Bußtage geschlossen", "Heute Anfang 3 Uhr" usw. entfernt und an mehreren Läden in der Umgebung angebracht. "Der Besitzer der P.TT.-Lichtspiele setzt eine Belohnung von 10 Mk. aus, wenn ihm der Täter so nachgewiesen wird, dass Strafanzeige erfolgen kann."

1919. Einer Aufstellung der LichtBildBühne Nr. 48 vom 29. November 1919 zufolge spielten in Steglitz sieben, in Lichterfelde drei und in Lankwitz ein Kino.

Ende 1924 begeisterte sich der Steglitzer Anzeiger (Nr. 240, 11.10.1924) über die Aktualität des Steglitzer Kinospielplans, so dass man nicht "den zeitraubenden Weg nach Berlin antreten muß, wenn man die neuesten und beliebtesten Darbietungen der gegenwärtigen Filmkunst genießen will!" Auch die filmtechnischen Sensationen wie der 3D-Film sind in Steglitz zu sehen. Mitte September 1924 zeigten die Albrechtshof-Lichtspiele im Vorprogramm zu einem amerikanischen Western den "plastischen" Film "Plastigram – Der Film der dritten Dimension". Gratis verteilte Brillen verschafften den Zuschauern angeblich den Eindruck, "als handle es sich auf der Leinwand nicht mehr um 'Bilder', sondern als träten Persönlichkeiten und Gegenstände in voller, plastischer Lebenserscheinung hervor." (Steglitzer Anzeiger, Nr. 221, 19.9.1924)

Quelle: DIF
"Wein, Weib, Gesang" - Goethe bei Franz v. Brentano

Der am 16. September 1924 in den Kammer-Lichtspielen in Berlin uraufgeführte Ufa-Film "Wein, Weib, Gesang" von Willy Achsel – ein Kulturfilm mit Gesangseinlagen – stand bereits zwei Wochen später auf dem Spielplan der Albrechtshof-Lichtspiele.

Auch Kino-Brände gab es in Steglitz zu verzeichnen: So entzündete sich am 14. November 1927 - drei Tage nach Wiedereröffnung - im Vorführraum des Lichtspielhaus Südende ein Film: "Der Löschzug Steglitz kämpfte den Brand mit einem C-Rohr nieder und konnte nach etwa 1½-stündiger Tätigkeit abrücken. Eine Panik unter den Besuchern entstand nicht." (Steglitzer Anzeiger, Nr. 268, 15.11.1927) Zur Wiedereröffnung am 1. Januar 1928 in neuer Ausstattung Ende des Jahres spielte es den Mittelfilm "An der Weser (Hier hab ich so manches liebe Mal)" (1927, mit Grete Reinwald und Eduard von Winterstein) im Doppelprogramm mit dem amerikanischen Sensationsfilm "Der Millionenschatz unter dem Wolkenkratzer"; das Programm war auf pausenlose Vorführung umgestellt.

Filmvorträge zu Stummfilmen fanden ebenfalls ihren Weg nach Steglitz. Anfang Dezember 1927 hatten die Albrechtshof-Lichtspiele für eine Sonntags-Matinee um 11 Uhr den programmfüllenden Kulturfilm "Das schaffende Amerika" eingesetzt. Der bekannte Vortragsredner Kapitän Gottfried Speckmann kommentierte diese Studienreise durch die Vereinigten Staaten von Amerika. Am 19. Oktober 1929 war der Sexualforscher Magnus Hirschfeld in Steglitz, wo er in Nachtvorstellungen im Globus-Palast und den Bismarck-Lichtspielen Vorträge über die sexuelle Frage hielt und zu dem bereits von 1922 stammenden österreichischen Kulturfilm "Hygiene der Ehe" sprach.

Quelle: Steglitzer Anzeiger, Nr. 20, 24.1.1928
Eröffnungsprogramm des Titania-Palasts, 26. Januar 1928

Am 26. Januar 1928 öffnete mit dem Titania-Palast in der Schlossstraße 5 Ecke Gutsmuthsstraße mit seinen 1.920 Plätzen das größte und repräsentativste Kino in Steglitz. Erbauer und Eigentümer war die National-Film Verleih- und Vertriebs AG. Als luxuriöses Uraufführungskino wurde es weit über die Steglitzer Bezirksgrenzen hinaus bekannt und ist auch heute noch mit seinem markanten Lichtturm, wenn auch im Innern vollständig umgebaut, ein architektonisches Wahrzeichen des Bezirks.

Zur Eröffnung wurde die Uraufführung von "Der Sprung ins Glück" (1927/28) von Augusto Genina gezeigt – eine Produktion der Nero-Film für die National-Film AG. Der renommierte Kinomusiker Hans Heinrich Dransmann leitete das 50 Musiker umfassende Hausorchester. "Die Gebäudemasse wird wirkungsvoll durch die Konzentration auf den Turm und die Lichtleiter an die Ecke gerückt. Zur Abendzeit [...] ist der Eindruck bei der geschickten Ausnutzung neuzeitlicher Lichtmöglichkeiten ausgezeichnet und wirkungsvoll, und die Lichtreklame schon von weitem ins Auge fallend. Die roten Stufen der Lichtleiter enden oben in rosa Ringen. Über den Leuchtbuchstaben schließt das Hauptgesims mit weißem diffusen Licht ab. Der Eingang konzentriert eine indirekte Lichtfülle unter der großen Platte an der Gebäudedecke, die Platte selbst trägt in geldweißen Leichtbuchstaben die Titelschriften." (Dirichs: Der Titania-Kinopalast in Berlin-Steglitz, in: Deutsche Bauhütte, Nr. 20, 19.9.1928)

Nach 1945 war der Titania-Palast der einzige unzerstörte große Saal in Berlin und wurde daher in der Folgezeit vor allem als Veranstaltungsort genutzt. Am 26. Mai 1945 gaben hier die Berliner Philharmoniker ihr erstes Nachkriegskonzert in Berlin, am 4. Dezember 1948 fand im Titania-Palast die Gründungsfeier der Freien Universität Berlin statt. Von 6. bis 17. Juni 1951 beherbergte das Haus die 1. Internationalen Filmfestspiele Berlins.

Kino-Neugründungen zwischen 1948 und 1957 waren durchweg Bezirkskinos mit einem Platzangebot zwischen 500 und 700 Plätzen, die ihr Publikum in der näheren Umgebung fanden.

Das Adria bzw. Adria-Filmbühne (Schloßstraße 48, 12165 Berlin-Steglitz) entstand 1952 an der gleichen Stelle, wo die im Zweiten Weltkrieg zerstörten Schloßpark-Lichtspiele standen. Eröffnung war am 28. August 1952. "Der dritte Betrieb Arthur Ludwigs, der in Steglitz bereits die Albrechtshof-Lichtspiele und in Lichterfelde-West den Gloria-Palast besitzt. Außerdem gehören Arthur Ludwig drei Lichtspielhäuser in Hameln. Ein auf sechs Säulen ruhender Vorbau, der abends wirksam indirekt erleuchtet wird, empfängt die Besucher. Foyer und Zuschauerraum, der 630 Personen faßt, zeichnen sich durch eine betont schlichte Schönheit aus. Der Gesamtentwurf stammt von Architekt Hans Bielenberg." (Der neue Film, Nr. 71, 1952) Das Haus war "bei Berliner Kinoeröffnung eine Seltenheit, am Premierentage auch wirklich fertig." Die Ausstattung bestand aus den neuesten Askania-Tonbild-Projektoren AP XII. (Film-Echo, Nr. 37, 1952) Anlässlich ihres 10jährigen Bestehens 1962 wurde die Adria-Filmbühne von Grund auf umgestaltet. "Als in Deutschland einmalig werden die neuen himmelblauen Sessel bezeichnet, die sich mit ihrer weichen Gummipolsterung jeder Körperform anpassen. Auch die Kniefreiheit ist so gehalten, dass man bequem durch die besetzten Reihen gehen kann, ohne die Sitzenden zu belästigen. Die vorteilhafte Änderung und die breiteren Sessel gingen zwar auf Kosten von 132 Sitzplätzen, dafür finden aber jetzt 500 Filmbesucher eine bequemere Sitzgelegenheit." (Steglitzer Lokal-Anzeiger, Nr. 37, 8.9.1962). Auch das Programm wurde umgestellt: Bei erhöhten Eintrittspreisen wurden nun ausschließlich anspruchsvolle Filme gezeigt. Den Auftakt machte die Theaterverfilmung "Der Rosenkavalier" (GB 1962) von Paul Czinner. "Da Arthur Ludwig im gleichen Bezirk über mehrere Theater verfügt, kann er für das 'Adria' aus allen Programmen die entsprechenden Filme auswählen." (Film-Echo/Filmwoche, Nr. 72, 1962) Im Anschluss an die Wiedereröffnung führten die Adria-Lichtspiele "Steglitzer Filmfestwochen" mit täglich wechselnden Spitzenfilmen der letzten zehn Jahre auf. Nach einer Renovierung 1989 zeigt das Adria auch Erstaufführungen. In der Sonntags-Matinee ist regelmäßig der Dokumentarfilm "Berlin wie es war" (1950) von Leo de Laforgue zu sehen. (Jubiläum im Adria, in: Film-Echo/Filmwoche, Nr. 49, 6.12.1991) 

Im Mai 1952 eröffnete Kurt Rilk in der Drakestraße 50 in Lichterfelde-West sein neues Kino "Der Spiegel" – "ein behaglich eingerichtetes 600 Platz-Theater, das von den Architekten Volk und Große errichtet und von Ufa-Handel ausgestattet wurde. Im Vorführungsraum stehen zwei Ernemann X-Maschinen. Die Eröffnung durch Paul Hörbiger fand unter lebhafter Anteilnahme der Lichterfelder Bevölkerung statt." (Film-Echo, Nr. 20, 1952) "Der Spiegel" hatte 625 Plätze und bestand bis 1973. 2014 wurde das Gebäude stilgerecht renoviert und als Bio-Supermarkt wiedereröffnet.

1953 wurde im Ortsteil Lankwitz das Thalia bzw. Thalia-Filmtheater (Kaiser-Wilhelm-Straße 71, 12247 Berlin Steglitz) mit 704 Plätzen eröffnet. "Das Haus entstand in einer Gegend, in der in absehbarer Zeit 2.000 neue Wohnungen entstehen werden und nimmt den Zuwachs der Interessenten vorweg." Erbaut wurde es von dem Wohnungsunternehmen degewo, Architekt Klaus Müller-Rehm. "Das geräumige Foyer dient Ausstellungen der Bildenden Kunst." (Film-Echo, Nr. 44, 31.10.1953). Zur Eröffnung lief die Farbfilmoperette "Der Vogelhändler" (1953) von Arthur Maria Rabenalt. Eine Bürgerinitiative verhinderte 1979 die Schließung. Nach einem Umbau entstand ein Kino-Center mit vier Sälen.

Am 24. September 1954 eröffnete das "Apollo-Filmtheater" mit 660 Plätzen in der Bismarckstraße 68 in Berlin-Steglitz. Architekt: Hans Bielenberg. Vorgeführt wird mit Bauer B 12-Maschinen.

Heute spielen in Steglitz noch drei Kinos: das Adria Filmtheater, das Thalia Movie Magic Berlin und der Cineplex Titania.