Yella

Deutschland 2006/2007 Spielfilm

Yella

Christian Petzold erzählt von einem Aufbruch in den Westen



Hinnerk Schönemann verleiht Ben den jungenhaften Charme eines Provinzhelden, aber auch eine latente Gefährlichkeit. Sein Besitzanspruch und seine Gewaltbereitschaft, Yellas Verschlossenheit und ihre Angst sind jedoch diesen beiden Körpern und dem Blick der Kamera auf sie eingeschrieben.

Die Meisterschaft, mit der Petzold seine Geschichten in Bildern erzählt, ist immer wieder atemberaubend. Und der Anfang von Yella ist besonders aufregend, weil dieser Teil der Erzählung den ohnehin zur Kargheit neigenden Regisseur zu noch stärkerer Konzentration zwingt. Am nächsten Tag lässt sich Yella von Ben zum Bahnhof fahren, es gibt Streit. Als Ben die Elbbrücke überquert, reißt er das Steuer herum, das Auto stürzt in den Fluss. Yella kann sich gerade noch retten und erwischt sogar noch den Zug nach Hannover.

Ein neues Leben also: Begleitet wird es vom Wind in den Bäumen und dem Glucksen des Wassers, das Yella gehört hatte, als sie nach dem Unfall aus der Elbe gekrochen war. Und dieser unnatürliche und aufdringliche Soundtrack ist ein erster Hinweis, wohin der Trip geht. Als Schickalselement hatte das Wasser schon in früheren Filmen Petzolds eine wichtige Rolle gespielt.

Yella mietet sich in einem Hotel ein, wo sie Philipp (Devid Striesow) trifft, der für eine Private-Equity-Firma arbeitet. Er nimmt sie mit zu Verhandlungen in die verglasten Konferenzräume mit weiter Aussicht über der Stadt, und Yella hat Spaß daran. Private Equity, das ist Kapitalismus potenziert: Firmen in akuter Finanznot erhalten Kredite gegen eine Unternehmensbeteiligung. Devid Striesow ist die perfekte Verkörperung dieses Gewerbes: jung, gut aussehend und windschnittig, dabei als Schauspieler so wandlungsfähig, so wenig festlegbar, wie es Philipp als Person ist.

Nach ihrem ersten gemeinsamen Job gibt Philipp Yella Geld, so, als bezahle er eine Nutte. Auch Yellas erster Chef in Westdeutschland, ein schmieriger Typ namens Schmidt-Ott, hatte sie missbraucht für einen illegalen Botendienst. Klebrig wirkte da der Kapitalismus, abstoßend war die Verbindung von Geld und Sex. Philipp ist eleganter, smarter als sein Vorgänger – und doch ein Brutaler, der nicht nur seine Verhandlungsgegner aufs Kreuz legt, sondern auch seine eigenen Chefs.

Wunderbar präzise agiert Nina Hoss, die Petzolds Rächerin war in Toter Mann und Wolfsburg, und nun zum dritten Mal mit ihm zusammenarbeitet. Sie lässt Yella gleichzeitig bodenständig und mysteriös erscheinen, verwundbar und unsicher, dabei mächtig in ihrer Sehnsucht. Dafür bekam sie in diesem Jahr in Berlin einen Silbernen Bären als beste Darstellerin – zu Recht, schließlich lässt sie eine ganz und gar unglaubliche Figur lebendig werden. Yella ist eine Traumfrau, aber eine, die selbst träumt, sich träumend selbst erschafft, nicht das Ergebnis eines fremden Traums, das macht ihre emanzipatorische Faszination aus.

Der moderne Kapitalismus als Phantomwelt – Christian Petzold bringt seine Beschreibung deutscher Gegenwart mit einer Gespenstererzählung zwingend zusammen. Überzeugend sind vor allem die Darsteller, Devid Striesow und Nina Hoss als Liebespaar in der Welt des Hochrisiko-Kapitals.

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