Das wahre Leben

Deutschland Schweiz 2005/2006 Spielfilm

Das wahre Leben



Der neue Shooting-Star Hannah Herzsprung beweist in der Rolle der sensiblen 18-Jährigen nach "Vier Minuten" (fd 38 013) erneut eine große Wandlungsfähigkeit, und die beschränkt sich nicht nur auf den Mut, sich im Verlauf des Films den Kopf kahl scheren zu lassen. Ihrer Präsenz und allen anderen hervorragend besetzten Mitspielern – darunter der junge Volker Bruch, eine weitere Neuentdeckung – verdankt sich, dass der allzu lange die Balance zwischen Tragödie und Satire suchende und auf die Bildästhetik besserer Fernsehspiele setzende Film nicht aus der Kurve getragen wird. Bevor der jüngere Filius das Eigenheim in die Luft sprengt und unter freiem Himmel das wahre Leben lauert, vergaloppiert sich die ihrer eigenen Courage nicht trauende Deutschland-Clownerie jedoch leider in überflüssige Peinlichkeiten, die allzu vorhersehbar auf den finalen Showdown hinauslaufen. Zuvor muss Ulrich Noethen noch nackt und alkoholisiert zwischen Ölfarbtuben wühlen, während die nicht korrumpierbare Hannah Herzsprung in Katja Riemanns Galerie ihrer vielversprechenden Karriere als Nachwuchsmalerin mit konsequenter Provokation widersteht und sich am heimischen Swimmingpool schreiend und weinend eine Überdosis aus Wodka und Beruhigungstabletten verpasst.

Bei all den Knalleffekten bleiben die feinen Details und subtil entlarvenden Beobachtungen von ganzen Branchen wie des Kunstmarkts oder der privaten Jobvermittler auf der Strecke. Regisseur Gsponer gelingt es vor lauter Sympathie nicht, seinen häufig menschelnden Figuren mit Abstand zu begegnen. Äußere Leere und inneres Drama der Einsamkeit kommen so nicht ins Gleichgewicht, und auch wenn "Das wahre Leben" es schafft, ein Stimmungsbild der auf hohem Niveau kriselnden Republik zu zeichnen, verlässt sich der Schweizer Gsponer zu sehr auf gängige Erzähltechniken und modische Musikuntermalung, um der Fallhöhe seines Themas wirklich gerecht zu werden. Im Schlussbild entfaltet er nach all dem die Emotionen reinigenden Spektakel einen von Hoffnung schillernden Traum, der an den der Hippie-Zeit erinnert: Haben oder Sein? Die Zeit scheint angehalten und die dysfunktionale Familie ist schlafend im Vorgarten vereint auf dem rauchenden Trümmerhaufen bürgerlicher Statussymbole und verselbstständigter Ambitionen. Wie lange die Einsicht in die Dinge bleibt, möchte man in diesem friedvollen Moment gar nicht wissen, zufrieden, dass der Atem endlich stockt. Das muss reichen.

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