Eine Berliner Romanze

DDR 1955/1956 Spielfilm

Ein neuer und guter Weg


Wera und Claus Küchenmeister, Deutsche Filmkunst, Berlin/DDR, Nr. 6, 1956


(…) Der Autor Wolfgang Kohlhaase nannte seine Geschichte eine Romanze. Ist sie es? Ja und nein. Ja, was den Inhalt angeht. Denn Kohlhaase versucht eine objektive Wirklichkeit durch die emotionellen Erlebnisse seiner Helden sichtbar zu machen, wie es die Romanze verlangt. Der Autor zeigt uns die gespaltene Stadt Berlin, wie sie sich in der Gefühlswelt von Hans und Uschi widerspiegelt. Und das ist das Kühne seines Versuchs: wesentlicher, als die Handlung des Films ist, sind die Empfindungen der im Mittelpunkt stehenden Figuren. Darum konnte Wolfgang Kohlhaase auch auf eine sogenannte starke Fabel, auf effektvolle Situationen verzichten. Dem Wesen der Romanze entspricht, daß Personen, die die Helden umgeben, nicht als vollausgeführte Charaktere, sondern als Typen gezeichnet werden. Sie erscheinen nur dann, wenn sie für das seelische Erleben der beiden Liebenden Bedeutung haben.

Selbst Lord, zunächst Gegenspieler des Hans, muß aus eben diesem Grunde im Verlauf der Handlung verschwinden und kann schließlich zum Ende des Films nur noch als Typ in der Gruppe der anderen Jungen auftreten.

Die Behandlung des Stoffes entspricht nicht immer der einer Romanze. Gelungen scheint sie uns in der Szene am Wasser, wo Hans und Uschi Steine springen lassen, mit dem Übergang zum Kuß am Abend vor der Haustür. Hier finden wir das für das lyrische Kunstwerk, für die Romanze, notwendige Verdichten der Aussage. Wie in einem guten Gedicht genügen zwei Zeilen; in unserem Falle etwa: Sie warfen Steine aufs Wasser am Nachmittag – und am Abend küßten sie sich. Die detaillierte Schilderung, wie es dazu kam, kann entbehrt werden. Gut gelöst ist auch die Beschreibung der Arbeitssuche des Hans. Unvermittelt, scheinbar willkürlich wird er uns auf einem Holzplatz, auf dem Arbeitsamt, vor der Tafel mit Annoncen gezeigt. Gelöst ist ebenfalls der Text des Sprechers, er wird wie die kommentierenden Strophen einer Romanze eingeschoben. So wirkt er in diesem Film natürlich und angenehm, nicht wie in den meisten Fällen störend als dramaturgische Krücke. Zu erwähnen ist noch ein Einfall von poetischer Schönheit: als sich die beiden kennenlernen, vergnügen sie sich auf einem Rummelplatz; wenn sie sich kennen, am Ende des Films, wird dieser Rummelplatz abgebaut. Hans und Uschi brauchen ihn nicht mehr.


Das sind nur einige von vielen Schönheiten, die den Film erstaunlich machen.

Leider gelang es dem Autor nicht, auch den Dialog zu verdichten. Der blieb naturalistisch. Es ist schade, daß Wolfgang Kohlhaase nicht den Mut besaß, auch den Dialog in der gleichen Weise poetisch umzusetzen wie die Handlung. Die Regie Gerhard Kleins wird allen Qualitäten und allen Anforderungen des Buches gerecht. Er inszenierte die schlichte Fabel schlicht, zeichnete unsentimental die Entwicklung junger Gefühle. Und es gelang ihm, die Personen um Hans und Uschi milieugerecht zu gruppieren. Durch Gerhard Klein wird ein alltägliches Geschehen inmitten der großen, gespaltenen Stadt Berlin besonders.

Bereits die Besetzung ist kennzeichnend für den sich immer deutlicher abzeichnenden Stil dieses Regisseurs. Da sieht man Erika Dunkelmann als Mutter der Uschi. Sicher und bestimmt weiß sie sich in einer Berliner Arbeiterwohnung zu bewegen. Herzhaft schimpfend dirigiert die vielbeschäftigte Frau das aufregende Leben ihrer Familie. Neben der Mutter steht, nur scheinbar das Oberhaupt der Familie, der Vater. Er wird zurückhaltend dargestellt durch Erich Franz. Marga Legal ist die Mutter des Hans, eine verbitterte, von Sorgen bedrückte Arbeiterfrau. (…)

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