Sisi und der Kaiserkuß

Deutschland Frankreich 1990/1991 Spielfilm

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Heinz17herne
Heinz17herne
In Bayern ist die Welt noch in Ordnung, weil man en familie ganz unter sich ist. Herzog Max unternimmt ausgedehnte (Bildungs-) Reisen und zeigt sich als weltoffener Mann, der keinem Abenteuer aus dem Weg geht, auch keinen amourösen. Wie unterwegs auf der Fahrt nach Bad Ischl in einen Dorfgasthof mit der attraktiven Gräfin von Wrangel, die zuvor dem österreichischen Thronfolger vergeblich die Geheimnisse der Liebe näherzubringen versucht hat, weil sie Liebe mit Sex verwechselte.

In dieser freien, ungezwungenen Atmosphäre wächst die 14-jährige Elisabeth, noch ganz verspieltes Kind und erst allmählich knospende Schönheit, auf, welche davon profitiert, dass ihre Mutter, die Herzogin Ludovika, ihre ganze Aufmerksamkeit auf die ältere Tochter Prinzessin Helene lenkt, mit der die ehrgeizige Landadlige Großes vorhat: Helene soll den künftigen österreichischen Kaiser Franz-Joseph heiraten und damit zur mächtigsten Frau Europas aufsteigen.

Ganz anders gestaltet sich das Leben an der Wiener Hofburg, wo Erzherzogin Sophie ein strenges Regiment führt. Sie ist es, welche die Zügel in den Händen hält, familiär und politisch. Und sie will diese auch nach der Kaiserkrönung ihres Sohnes nicht aus der Hand geben, weshalb sie die künftige Schwiegertochter auswählt. Doch Franz-Joseph ist ein junger Mann, der lieber mit Zinnfiguren spielt als sich am üppigen Busen der Gräfin von Wrangel, noch dazu vor dem gesamten Hofstaat als Zeugen hinter den Türen der Kammer, zu schaffen zu machen. Und die Gräfin zeigt sich verständig: ihre Lustschreie sind getürkt wie das ganze Beischlafritual.

Gefühle, so die vorherrschende Meinung am Wiener Hof, sind „emotionale Dummheiten“. Ein Herrscher hat zu dienen und Verzicht zu üben im gekachelten Kühlhaus der Wiener Residenz. So geht der Kaiser nicht in die Venusfalle, sondern entscheidet sich für die fröhliche, kindlich-naive, natürliche Elisabeth – zum Entsetzen seiner Mutter, die ihren Einfluss schwinden sieht...

Christoph Bölls Kunst-Film wirft einen entlarvenden Blick hinter die Kulissen der Macht, stellt aber nicht den Anspruch, dokumentarisch zu sein. „Sisi“ ist ein für den Sissi-Mythos untypischer Film, untypisch auch für die eher konventionelle Unterhaltung des „FilmMittwoch im Ersten“-Vorläufers, da er mit ungewöhnlichen inszenatorischen Mitteln arbeitet, wie wir sie aus dem Theater kennen, etwa Brechtschen Verfremdungseffekten unter Einsatz einer Drehbühne. Das schafft analytische Distanz zwischen Gegenstand und Betrachter, historischem Geschehen und Fernsehzuschauer.

Ursprünglich war neben dem Süddeutschen Rundfunk Stuttgart das Österreichische Fernsehen ORF mit im Boot dieser 1990 in Hamburg sowie auf der Zeche Waltrop im Ruhrgebiet gedrehten Fernsehproduktion für die ARD-Reihe „Wilde Herzen“, in der sie erst sechs Jahre später, am 20. November 1996, erstausgestrahlt wurde. Aber als sich herausstellte, dass der 1949 in Köln geborene Christoph Böll, der 1970 an der Ruhr-Universität Bochum ein Studium aufnahm, wo er den heute legendären „Studienkreis Film“ mitbegründete, zu kritisch mit dem Heiligtum „Sissi“ umging, stiegen die Wiener aus.

In seinem Kunst-Film wollte Böll nichts weniger als „die Nebel des schwelenden Wahnsinns“ über die Entscheidung des Kaisers für Sisi und gegen deren Schwester Helene hinwegfegen „wie ein Frühlingssturm über den Starnberger See“, und das mit dem Mittel des harten Schwarz-Weiß-Kontrastes: Der Hof in Wien kommt ganz schlecht, das bayerische Landadelsleben sehr gut weg. Was naturgemäß die nunmehr republikanischen ORFler bis ins Mark getroffen haben muss.

Christoph Böll (1949 – 2023) auf der Homepage seiner in Witten ansässigen Filmproduktion: „Satirische Nachzeichnung der Heiratspläne am Wiener Hof für Kaiser Franz Joseph, der sich nicht der von der Kaiserin-Mutter ausgesuchten Braut, sondern deren jüngerer Schwester Elisabeth von Bayern, zuwendet. Eine zum Teil in theatralischer Verfremdung vorgenommene Ironisierung von Historiengestalten, verbunden mit frivol-sarkastischen Erläuterungen von weiblicher Dominanz und männlicher Traumatisierung nach Sigmund Freuds psychoanalytischen Aufklärungsmodellen. Ein Filmprojekt, um dessen Verwirklichung ich fast zehn Jahre gekämpft hatte mit einer wirklich grandiosen Besetzung.“ „Sisi und der Kaiserkuß“, am 19. September 1991 in nur wenige (Programm-) Kinos gekommen, war ein so großer kommerzieller Misserfolg, dass sich der Neffe des Literatur-Nobelpreisträgers Heinrich Böll fortan nur noch dem Dokumentarfilm widmete.

Pitt Herrmann

Credits

Drehbuch

Darsteller

Produzent

Alle Credits

Drehbuch

Kameraführung

Standfotos

Szenenbild

Kostüme

Darsteller

Produzent

Ausführender Produzent

Länge:
2481 m, 91 min
Format:
35mm, 1:1,85
Bild/Ton:
Agfacolor, Ton
Prüfung/Zensur:

FSK-Prüfung (DE): 05.09.1991, 66490, ab 12 Jahre / feiertagsfrei

Aufführung:

Uraufführung (DE): 22.02.1991, Berlin, IFF

Titel

  • Originaltitel (FR) Sissi
  • Originaltitel (DE) Sisi und der Kaiserkuß
  • Arbeitstitel Sisi - der Film
  • Schreibvariante (DE) Sissi und der Kaiserkuss

Fassungen

Original

Länge:
2481 m, 91 min
Format:
35mm, 1:1,85
Bild/Ton:
Agfacolor, Ton
Prüfung/Zensur:

FSK-Prüfung (DE): 05.09.1991, 66490, ab 12 Jahre / feiertagsfrei

Aufführung:

Uraufführung (DE): 22.02.1991, Berlin, IFF