Farland

Deutschland 2002-2004 Spielfilm

Farland

Michael Kliers Film über eine zufällige und schicksalhafte Begegnung



Martina Knoben, epd Film, Nr. 9, 02.09.2004

Im roten Glitzer-Cowgirl-Dress steht Karla (Laura Tonke) auf der Bühne eines Messestandes und wirbt für Countryhäuser. Ein Foto noch mit dem Gewinner eines Quizspielchens – das Ganze ist offensichtlich ein mieser Hurenjob. Gleichzeitig wirkt Karla wie eine Prinzessin oder ein Engel oder auch wie Alice im Wunderland: unantastbar, magisch geschützt – wie schon in "Ostkreuz" (1991), ebenfalls unter der Regie von Michael Klier, als sie eine 14-Jährige in einem Containerlager spielte.

Nach "Heidi M." ist Klier mit "Farland", seinem vierten Spielfilm, wieder in das trostlose Niemandsland der Nomaden, in dem schon "Überall ist es besser, wo wir nicht sind" (1989) und "Ostkreuz" angesiedelt waren, zurückgekehrt. Wunderbare Filme waren das; ein Versprechen, das Klier mit "Heidi M." und auch "Farland" nicht mehr so ganz einlösen konnte. Die Figuren der Jungen wie der Männer strahlen wenig Leben aus. Aber Klier hat sich den zärtlichen Blick für seine Figuren bewahrt, die er mit der Spröde seiner Erzählung in gewisser Weise schützt.

Ein Auto überschlägt sich, Karlas Schwester Marie und deren Freund Thorsten liegen im Koma. Karla kehrt deshalb für kurze Zeit an den Ort zurück, wo sie aufgewachsen ist. Irgendwo in Ostdeutschland muss das sein; die Landschaft, die Klier vor uns auslegt, erscheint jedoch wie Science-Fiction. Klier nennt sie die "Speckgürtelwelt": Autobahnen, Durchgangsstraßen, Tankstellen, Gewerbegebiete mit Großhandelsmärkten, ein Hotel, ein McDonald"s - Zeugnisse der Goldgräbermentalität nach der Wende. Deutschland kann ja so fremd aussehen und ist gleichzeitig erschreckend kenntlich in dieser Stilisierung.

Klier vergleicht diesen Ort mit einer Westernstadt – im Western wie im Science-Fiction-Film geht es um die "frontier", die Grenze. In Überall ist es besser, wo wir nicht sind und "Ostkreuz" waren seine Figuren immer weiter nach Westen unterwegs. In "Heidi M." kam diese Bewegung zum Stillstand; nun ist der Westen im Osten aufgegangen.

Karla ist eine Pionierin, deshalb trägt sie immer eine Wasserflasche in der Tasche ihres Wintermantels, ein schönes Detail. Sie ist eine Durchreisende wie Kliers frühere Frauenfiguren, nicht ganz so hungrig, aber kaum weniger hart. Gleichzeitig ist sie kindlich und unschuldig; um ihre Schwester aus dem Koma zu holen, hält sie ihr ein Stück Harz unter die Nase, von einem Baum, auf den Marie als Kind geklettert war – ihre Mutter hatte sie damals zurückgeholt.

Die Beziehung von Eltern und Kindern erscheint als etwas Besonderes in Kliers Filmen. Gleichzeitig sind seine Figuren auf eine grundlegende Art und Weise einsam, auch wenn sie sich vorübergehend mit anderen Menschen zusammentun. Im Krankenhaus lernt Karla Thorstens Vater Axel (Richy Müller) kennen, der seinen Sohn verlassen hat und deshalb ganz versteinert ist. In der Begegnung mit Karla findet er wieder ins Leben – in diesem Sinne ist Klier bei aller Trostlosigkeit sogar Optimist.

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