Faust

Deutschland 1925/1926 Spielfilm

Faust


e., Die Welt am Montag, Nr. 42, 18.10.1926


Mit der Faustsage verbindet die landläufige Vorstellung Goethes gedankentiefe Dichtung mit der wundersam ergreifenden Tragödie Gretchens, sie ist für alle Ewigkeit mit ihr verknüpft. Auch Hans Kyser konnte sich in seinem Faustmanuskript dem Goldgeflecht Goetheschen Geistes nicht entziehen; es mußten daher, um letzteres nicht zu entweihen, bedeutende künstlerische Faktoren am Werke sein. Man sieht staunend in die grandiose Bildwelt Murnaus und seiner Mithelfer Herlth, Röhrig und Carl Hoffmann. Herrlich, wenn die apokalyptischen Reiter Pest, Hunger und Krieg ohnmächtig gegen den Strahlenglanz der himmlischen Mächte ziehen, wenn die mächtigen schwarzen Schwingen des Teufels die von den Dämonen heimgesuchte Stadt überschatten, in der der Doktor Faust der geplagten Menschheit hoffnungslos Hilfe leistet, oder wenn Faust und Mephisto auf schwebendem Mantel über Städte und Länder, Gebirge und Abgründe, über Wasserfälle und Schluchten dahingleiten. Auch die Kirchenszenen sind einzig. Aber wenn aus der Bildsymphonie die unendlich zarte Liebesmelodie Goethes heraustönt, dann streift Murnau ganz leise die etwas süßliche Spielfilmatmosphäre. So wunderlieblich das Gretchengesicht Camilla Horns anmutet, soviel Reinheit und Jungfräulichkeit sie ausstrahlt, in den großen tragischen Auftritten rührt nichts an unser Herz. Auch Gösta Ekmanns Faust verrät nicht die himmelanstürmende Kraft inneren Erlebens. Emil Jannings als Mephisto hat natürlich große Momente. Murnau hat in diesem Film Überragendes geschaffen, jedoch läßt auch er mitunter zwingende Notwendigkeit vermissen und man sagt sich: um wieviel schöner und festlicher hätte dieser Film sein können, wenn, bei aller Hochachtung vor dem Werk, auf der ganzen Linie letzte künstlerische Forderungen erfüllt worden wären.

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