Das alte Gesetz

Deutschland 1923 Spielfilm

Das alte Gesetz


del., Lichtbild-Bühne, Nr. 44, 3.11.1923


(...) Uralter Konflikt zwischen Vätern und Söhnen, alter und junger Generation – wie oft schon diente er als dichterischer Vorwurf, auch im Film, ja ganz besonders auch im Judenfilm. Meinerts "Glaubensketten" eröffneten den Reigen und "Das alte Gesetz" schließt ihn – für heute. Wie schön hat Paul Reno diesen dankbaren Stoff verarbeitet! Wie glücklich läßt er die starr-beschränkte, tief in sich gekehrte, grüblerische Welt des Ghettos kontrastieren mit der sprühend lebensfrohen des glänzenden Alt-Wiens der sechziger Jahre, die enge Gelehrtenstube des alten Rabbi mit der rauschenden Pracht des österreichischen Hofes, den stillen Gottesfrieden des Tempels mit dem lauten, geschäftigen Bühnentreiben des Hofburgtheaters unter Laubes Direktion.

Versunken sind diese glänzenden Zeiten, die nur noch die ganz Alten unter uns gekannt haben. Und doch ... müssen sie nicht gerade so ausgesehen haben, diese Sonnenmenschen des alten Wien, ist das nicht Laube, wie er leibt und lebt, ist das nicht die fröhliche Erzherzogin Elisabeth Theresia mit dem warmen Menschenherzen? Wir glauben sie unbedenklich der großen Kunst ihrer Darsteller, die Kabinettstücke geliefert haben. Nie sahen wir Hermann Valentin besser, seit langem Henny Porten nicht mehr so gut. Und wie gern möchten wir die "Henny" noch viel, viel öfter sehen, gerade in diesen Rollen, die ihrem Charme ebenso liegen, wie ihrem tiefen Gemüt.

Geblieben dagegen sind die Zeiten des Elends und der Not, geblieben noch immer der gequälte Ostjude und ihn haben wir gesehen im Grau seines Ghettos. Hier brauchen wir nicht gläubig hinzunehmen, wir können vergleichen ... und können sagen: Richtig so! Goldecht, lebenswahr, bis auf kleinste Nuancen der Natur abgelauscht; nicht nur von dem Ostjuden Avrom Morewski (Rabbi), glänzend im Spiel und Maske, sondern besser fast noch von Robert Garrison, der den weltweisen kleinen Schnorrer mit soviel Herz und entzückendem Humor hinstellte (und wie nahe lag gerade hier possenhafte Übertreibung!). Groß und stark auch Ernst Deutschs Leistung als junger Stürmer; nur ein allerletztes fehlte, um uns auch seelisch warm werden zu lassen. Rein äußerlich als junge Jüdin nicht recht am Platze Margarete Schlegel, trotz verinnerlichten Spiels. Das Schmierenvolk lustig und treffend persifliert durch Jacob Tiedtke, Olga Limburg und die bildhübsche Alice Hechy.

Und nun Duponts Regie: Gewiß, er hat Fehler begangen durch Längen und Breiten. Aber wie verzeihlich sind sie! Muß man nicht unwillkürlich liebevoll haften bleiben an der Schilderung dieses Milieus, die nötig ist, um tieferes Verständnis zu erwecken? Mit ein paar Scherenschnitten sind diese Mängelchen zu beseitigen. Und wie sind sie ausgeglichen durch hinreißende Regiefeinheiten, wundervoll gesehene Bilder und eine Dezenz der Linienführung, die bei der Heikligkeit des Themas nicht immer leicht gewesen sein mag. (...)

Bedanken kann er sich bei seinen technischen Mitarbeitern. Ganz wundervoll und stilecht die Bauten von Junge und Kahle, geschmackvoll und zeitwahr Huberts Kostüme, eine Glanzleistung deutscher Photographie aber Sparkuhls Aufnahmen. Nicht umsonst ist er auf dem Zettel auch für die Beleuchtung verantwortlich gemacht worden, sie stellt selbst höchstwertige Arbeiten seiner tüchtigen Kollegen in den Schatten und zeugt von reifer, empfindender Kunst! Der Herstellerfirma, Comedia-Film, ist ein großer Wurf gelungen. An ihren sicheren Erfolgen wird auch der deutsche Verleih des "Lloyd-Film" teilhaben ... und mit ihnen das Kinogewerbe.

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