Abwege

Deutschland 1928 Spielfilm

Abwege



Hans Feld, Film-Kurier, Nr. 213, 6.9.1928


Das Autorentrio Adolf Lantz, Ladislaus Vajda und Helen Gosewitsch hat sich zusammengetan, um nach einer Idee von Fritz Schulz, dem Regisseur G.W. Pabst eine Filmunterlage zu liefern.

Ein Kollektiv unternimmt den Versuch, ein Kammerlustspiel zu schaffen. Wobei es ihm mehr darauf ankommt, die psychologischen Voraussetzungen einer Ehestörung filmisch klar zu machen, als eine gerade Linie zu bestimmen.

Als Ausgangspunkt dient die Realität: jene Störungen, die unvermeidlich sind im Zusammenleben zweier Menschen, denen Ehe nicht Gewohnheit bedeutet.

Dem Kollektiv mag die "Angst" des tbm vorgeschwebt haben, des tired business man, der sich um die Frau nicht kümmern kann, weil er Geschäfte hat; der sieht, wie ihm die Frau entgleitet und erst im letzten Augenblick dazukommt, sie sich wiederzuholen.

Bis dahin wird die Linie des Kammerspiels gewahrt.

Hinterher muß die Frau eine zweideutige Situation eindeutig gestalten, indem sie sich dem Gatten beim Rendezvous mit einem Verehrer im Hemdhöschen zeigt. (So lustspielerisch sind manchmal Autoren.)

Ehescheidung nur, damit die Gatten sich wieder ehelichen können.

Also doch Lustspiel? Vielleicht hätte man sich das auch vor Ablieferung des Drehbuches überlegen können.

Wie hat man seine Frau nun wirklich zu behandeln, um sie bei der Stange zu halten? Auf diese Frage gibt das Autorenkollektiv keine Antwort.

Sie belassen es bei dem modernisierten Marlit-Komplex: Er groß und stark, mit dem Mantel vor dem Sturm. … Sie, ungefähr bis zur Herzgrube reichend, mit dem rührenden Zutrauen, er soll dein Herr sein.


Vom Allgemeinen her wird zum Einzelfall umgebogen, und selbst da gibt es keine Lösung. Vermutlich werden sich die beiden kurz nach der Neuverheiratung wieder scheiden lassen.

Autoren, gehet in euch.

G.W. Pabst vermag wirksam zu inszenieren, so lange das ihm gelieferte Drehbuch gerade Wege vorzeichnet.

Er ist der Meisterregisseur der Zwischenstimmungen. Ein Gang durchs Haus, nebenbei, der mehr erläutert als in anderen Filmen Spielszenen; ein Diener, der gegen Morgen mit dem Staubsauger den Teppich des Treppenflurs bearbeitet. Passagen, die etwas bedeuten.

Immer geht bei Pabst etwas vor. Nie konzentriert er die Einstellung auf Monologe und Duos seiner Schauspieler. Der Hintergrund, sonst zumeist tot, bleibt bei ihm belebt.

Dadurch erhalten seine Bilder den Eindruck des Lebensechten. Sie sind Ausschnitte, aus denen man den ganzen Komplex rekonstruieren kann.

Aus der Einmaligkeit eines ausgeklügelten Falls, wird in solchen Szenen Allgemeingültigkeit.

Einmal, in irgendeiner Szene, läßt er die Helm durch das Zimmer rennen, überreizt, verzweifelt. Nicht nur Gesicht und Hände werden expressiv, auch der Körper muß mitspielen. Ein optischer Monolog von größter Subtilität.

Dabei ist er zu zwei Dritteln des Films wenigstens – knapp. Billigen Effekten, wie einem Zusammentreffen von Mann und Hausfreund, geht er aus dem Wege.

Er zeigt, wie sie zusammenkommen, zeigt, was dann folgt, als Ergebnis der Unterredung. Die Aussprache selbst überläßt er der mitarbeitenden Phantasie des Zuschauers. (...)

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