Engelein

Deutschland 1913 Spielfilm

Engelein


Dr. Alexander Elster, Bild und Film, Nr. 8, 1913/14


Vorbemerkung: Asta Nielsen "zieht" nach wie vor. Man drängt sich wie bei Hungersnot um Brot an Bäckertüren und bricht um ein Billet sich fast die Hälse. Dabei gibt es zahlreiche Leute, die den Film zwei- und dreimal kurz hintereinander ansehen und immer wieder entzückt find. Absprechende Stimmen hört man kaum. Der Grund liegt klar darin, daß auf allen Gebieten des modernen Lebens das Virtuosentum und der Personenkultus immer zum Erfolge verhelfen. – (...)

Das Stück ist ein Gesellschafts-Lustspiel mit dem Leitgedanken, daß Asta Nielsen einmal ein zwölfjähriges Kind spielen wollte, weil dieses von ihrer erstaunlichen Verwandlungsfähigkeit noch nicht versucht war. Das lockte sie und ihren Dichter Urban Gad, und dieser schrieb um diese Idee ein Stück herum. (...)

Der Wert des ganzen Stückes liegt lediglich im Spiel der Asta Nielsen. Hier zeigt sie wieder einmal, daß sie geradezu alles kann. Ihre Augen und ihre Lippen sprechen eine Sprache, die nirgends die Worte vermissen lassen. Wenn wir irgendwo Worte vermissen, so war dies durch das Stück bedingt, nicht durch das Spiel der Asta Nielsen. Mit gleicher Grazie und gleicher Kunst spielt sie ein zwölfjähriges Mädchen wie eine Siebzehnjährige und wie das Weib überhaupt. Trotzdem hat sie sich bei der Darstellung dieses Stückes in einer wichtigen Frage gänzlich geirrt. Sie spielte die ausgesprochene Zwölfjährige auch da, wo sie allein war, wo also das siebzehnjährige reifere Mädchen, das durch seine Liebe hätte nachdenklich werden müssen, zum Vorschein kommen sollte. Es ist zu verwundern, daß weder die Darstellerin noch der Regisseur diesen Fehler der Aufführung bemerkt haben. Viele feinere Reize gingen dem Stück dadurch verloren. Statt dessen fällt es hie und da auf, daß sich die Künstlerin über sich selber luftig macht, so z. B. in der Szene, wo sie um den Onkel wirbt. (...)

Das Stück ist ein Blender und die Darstellung auch. Von innerlicher Wahrheit und Echtheit ist nur so viel zu spüren, als die Nielsen dank ihrer Darstellungskunst jede Situation echt zu gestalten weiß, und wäre es selbst die absonderlichste. (...)


Sittlich erzieherisch kann dieser Film allerdings nur ganz negativ sein. Weder die Ungezogenheiten des Mädchens im Pensionat noch die etwas weitgehende Preisgabe ihrer weiblichen "Reize" lassen sich erzieherisch-ethisch irgendwie rechtfertigen, es sei denn eben nur durch die Echtheit und Natürlichkeit der von ihr gewählten Rolle. Dies ist denn auch immerhin etwas, und die Nielsen darf sich dank ihrem an sich so gänzlich unerotischen Körper vieles erlauben, was bei andern gemein wirken würde, bei ihr aber noch durchaus innerhalb der Grenzen des Erträglichen bleibt. Jedenfalls ist ihre Kühnheit durch künstlerischen Willen geadelt. (...)

Daß hie und da ein köstlicher Humor in dem Stück sich zeigt, erwähnte ich schon. Vielfach hat der Humor hier einen satirischen und grotesken Einschlag und ist von der allerdings seltenen Art, daß sowohl der Feinschmecker wie das breite Publikum darüber lachen. Das ift für den Film ja immerhin etwas Bemerkenswertes. (...)

Kinomäßig ist das Stück gar nicht, und das ist sein größter Fehler. Dasselbe, was hier dargestellt wird, würde besser auf der Sprechbühne gemacht werden, wenn es eben eine Künstlerin wie die Nielsen darstellt. Namentlich z. B. bei dem Unterricht, welcher der Siebzehnjährigen, alias Zwölfjährigen, erteilt wird, bedauert man, daß dabei nicht gesprochen wird. Die besten Lustspielwirkungen hätten sich da erst durch das Wort eingestellt, und so wäre es an manchen andern Stellen auch gewesen, während dieser Mangel durch keinerlei besondere Vorzüge der filmmäßigen Darstellung ausgeglichen wird. Lediglich die Tatsache, daß man die darstellerischen Leitungen der Nielsen durch ein solches Bild auf der ganzen Welt sehen kann, berechtigt einigermaßen zu der Wahl des Lichtspiels für dieses Stück.

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