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Nach einem mysteriösen Todesfall erhält der FBI-Agent Skinner den Auftrag, die Bewohner eines ehemals luxuriösen, mittlerweile aber heruntergekommenen Hotels unter die Lupe zu nehmen. Skinner, ein Besessener Cop mit einer metallischen Rückenstütze, stößt in dem Hotel auf ein Sammelsurium überaus skurriler Gestalten. Und je länger er sich in dem surreal anmutenden "Million Dollar Hotel" aufhält, desto schwerer fällt es ihm, Realität und Illusion zu unterscheiden.
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Doch Izzy ist der labile Sohn des vermögenden und entsprechend einflussreichen amerikanischen Medien-Tycoons Goldkiss gewesen, sodass die Polizei vermutet, er sei vom Dach heruntergestoßen worden. Der so coole wie geheimnisumwitterte FBI-Agent Skinner (mit martialischem Stützkorsett: Mel Gibson) wird mit den Ermittlungen beauftragt. Er überwacht mit elektronischen Geräten die Hotelzimmer der anderen Bewohner und läuft ständig mit einer Digitalkamera herum.
Skinners Observationsobjekte sind skurrile Typen zwischen Wahn und Wirklichkeit: Izzys Zimmergenosse Geronimo ist ein kleiner Ganove, der sich als Maler ausgibt und sich den Namen des legendären Indianerhäuptlings als Künstler-Pseudonym zugelegt hat, Dixie behauptet, das fünfte, von der Geschichtsschreibung völlig vergessene Bandmitglied der Beatles zu sein, Shorty war einst ein Hollywood-Agent und lebt nur noch von den Bruchstücken der Erinnerung an glanzvolle Zeiten, Vivien geriert sich wie ein Starlet und gibt vor, die Geliebte des toten Izzy gewesen zu sein...
Mit diesem Kriminalfall verwoben ist die „unmögliche“, wunderbar zarte Liebesgeschichte zwischen dem verstörten, aber sympathischen Tom, Izzys bestem Freund, der immer wieder auf das Dach des Hotels unter das übermannshohe Stahlskelett mit dem Namen der Herberge in riesigen Neonbuchstaben zurückkehrt, und der jungen, stillen, zunächst scheinbar verschlossenen Straßendirne Eloise. Sie verschlingt in ihrer Freizeit Bücher gleich dutzendweise und erwidert die linkische Annäherungsversuche Tom Toms zu seiner großen Überraschung: Von ihm fühlt sie sich verstanden und als Individuum, das, wenn’s drauf ankommt, etwa im Gespräch mit dem so rabiaten wie intriganten Ermittler Skinner, wache Intelligenz offenbart, endlich ernst genommen.
Die Clique der Hotelbewohner (Tom Tom: „Ein Haufen Verlierer“) wittert das große Geschäft, als sie einen prominenten Galeristen für Izzys Teerbilder, die in Wirklichkeit von Geronimo stammen, interessieren. Sogar das Fernsehen hat sich angesagt, um die Geschichte des rasch zum „Heiligen“ hochstilisierten Izzy auszuschlachten. Doch der Rambo-Typ von Bulle lässt nicht locker, spielt einen gegen den anderen aus: Er braucht dringend ein Erfolgserlebnis, und das möglichst rasch.
Als er Eloise mit Verhaftung droht und dann überraschend Geronimo festnimmt, fasst Tom Tom (der im Film auch als – sogar postmortaler - Erzähler fungiert) einen Rettungsplan: Er stürzt sich mit einem vehementen Sprung vom Hoteldach in den Tod, die Clique ist gerettet – wenn auch der Plan mit der großen Kohle aus dem Bilder-Verkauf jämmerlich scheitert. Tom Toms Schlusswort klingt wie ein Vermächtnis: „Das Leben ist wunderbar – es gibt nichts besseres.“
Wim Wenders: „Er tötet sich, um die anderen Hotelbewohner freizusetzen. Er nimmt eine Schuld auf sich, um die anderen wieder zu ihrem Leben zurückzuführen. Natürlich beinhaltet sein Selbstmord eine große Tragik und Ausweglosigkeit – gleichzeitig ist da aber auch viel Zärtlichkeit in diesem Akt. Weil er es eben nicht für sich tut. Sein Selbstmord ist der Schlusspunkt seines Heilungsplans für seine Liebste und die anderen.“
Der Himmel über L.A., der neuen Heimat des deutschen Regisseurs: „The Million Dollar Hotel“, am 9. Februar 2000 als Eröffnungspremiere der 50. Berlinale uraufgeführt, hat nur eine grobe Rahmenhandlung, setzt sich aus vielen kleinen, zumeist fragmentarischen Geschichten zusammen. Der Film geht auf eine Idee des „U 2“-Musikers Bono zurück, der mit seiner Band auf dem betonierten Dach des vielstöckigen „Rosslyn Million Dollar Hotel“ einen Video-Clip gedreht und Drehbuchautor Nicholas Klein für diesen faszinierenden Ort hoch über L.A. interessiert hat.
„Wir wollten“, sagt Bono im Presseheft, „etwas über den Glauben in ungewöhnlichen Formen und Situationen erzählen, über die Präsenz von Menschlichkeit zu jedem Zeitpunkt unseres Lebens, über die Subjektivität persönlicher Beurteilungen und wie heimtückisch das sein kann.“ Die eindrucksvollen Cinemascope-Bilder, zu denen auch ein grandioser 360-Grad-Schwenk gehört, stammen von Phedon Papamichaels.
Gedreht im Frühjahr 1999 in Downtown Los Angeles, genauer im „Rosslyn Million Dollar Hotel“ sowie im angrenzenden Straßenblock zwischen Fifth und Main Street, startete der auf der Berlinale mit dem Silbernen Bären ausgezeichnete gut zweistündige Film am 10. Februar 2000 in den Kinos, die Erstausstrahlung erfolgte am 1. Januar 2003 in der ARD. Die im 4K-Standard restaurierte und digitalisierte Fassung feierte am 15. August 2021 auf dem 27. Sarajevo Filmfestival Premiere.
Pitt Herrmann