Familie Benthin

DDR 1950 Spielfilm

Familie Benthin



Ralf Schenk, in: ders. (Red.): Das zweite Leben der Filmstadt Babelsberg 1946-92. Herausgegeben vom Filmmuseum Potsdam. Berlin: Henschel 1994.


Mitte Mai wird Slatan Dudow mit der Regie beauftragt. Vergeblich erhebt er Protest, die Mängel des Drehbuchs sind ihm nur allzu bewußt. Als abzusehen ist, daß er – der bedächtige Inszenator – den Termin unmöglich halten kann, schaltet die DEFA-Leitung Kurt Maetzig ein, der später über seine Mitwirkung an "Familie Benthin" rekapituliert: "Ich habe einfach angeguckt, wie er (Dudow) das gemacht hat, und habe ein paar dieser Komplexe so gemacht, daß sie in seinen Inszenierungsstil hineinpaßten. (...) Und diese Aufnahmen, die vom Aufwand her und technisch ein bisschen schwierig (...) waren, habe ich für ihn inszeniert, habe aber mit dem Film als solchem gar nichts zu tun."

Im Sommer beordert Sepp Schwab dann noch Richard Groschopp, Regisseur der in Dresden ansässigen "DEFA-Produktion Sachsen", nach Berlin, vorwiegend um ein paar Nachtaufnahmen zu drehen. "Familie Benthin" wird mit 16 000 Überstunden allein im VEB Filmstudio Johannisthal durchgepeitscht; die Arbeiter, die dort von Mitte Januar bis Anfang Juni Däumchen drehen mußten, weil keine Stoffe in Produktion gegangen waren, geraten nun an den Rand ihrer physischen Kräfte.

Doch das Ergebnis ist künstlerisch mäßig. Maly Delschaft hat ein paar schöne Momente als Witwe Annemarie Naumann, die mehrere ihrer Kinder in den Wirren der Nachkriegszeit verliert; und einen filmischen Fluß weist besonders eine Szenenfolge auf, in der ein weißer Hut als begleitendes Symbol für den Abstieg des in die Westzonen geflüchteten Peter Naumann (Ottokar Runze) fungiert. Mit dem breitkrempigen, sehr amerikanisch und weltmännisch wirkenden Monstrum steht der Junge in der schier unendlichen Arbeitslosenschlange; während Peter tagsüber auf einer Parkbank schläft, liegt der Hut auf seinem Gesicht; schließlich versucht er ihn in der Pfandleihe zu versetzen, wobei er sich belehren lassen muß, daß getragene Hüte nicht beliehen werden. Der gescheiterte Peter fällt als Fremdenlegionär in Vietnam, sein Bruder Klaus und die Mutter reihen sich zu den Klängen der DDR-Nationalhymne in einen Demonstrationszug ein – das letzte Bild: die wehende Flagge des neuen Staates.



Einigermaßen pikant ist: Keiner der prominenten Regisseure möchte sich im Vorspann zu diesem ersten großen politischen Auftragsfilm der DEFA bekennen. Die DEFA-Kommission beschließt am 14. August, knapp vier Wochen vor der Premiere, daß vorsichtshalber drei Titel angefertigt werden: "1. Regie führte ein Kollektiv unter der Leitung von Slatan Dudow und Dr. Kurt Maetzig, 2. Ein Regiekollektiv unter der Leitung von Slatan Dudow. 3. Ein Regiekollektiv der DEFA". Am 16. August schreibt Anton Ackermann an Maetzig, lobt die Qualität des Films ("Er ist in jeder Beziehung ideologisch klar, realistisch und dabei interessant und spannend") und fordert den Regisseur auf: "Ich bitte Dich als Genosse und als Freund dringend, Dein Einverständnis zu geben, in irgendeiner Form den Namen Dr. Kurt Mätzig als Mitregisseur dieses Films zu nennen. Dudow besteht darauf und ist trotz aller meiner Bemühungen nicht davon abzubringen, daß neben seinem auch Dein Name genannt wird. Die Antwort, die Du auf den Lippen hast, kenne ich auch: "Ich habe an dem Film nur gearbeitet unter der Bedingung, dass mein Name nicht genannt wird. Es ist Dir aber auch bekannt, daß Dudow dieselbe Bedingung gestellt hat. Es ist ausgeschlossen, dass bei einem so gut gelungenen Film die Regisseure anonym bleiben (…)." Maetzig zeigt Einsicht in die Notwendigkeit und entscheidet sich für die erste Variante des Titels.

Rechtsstatus