Addio, piccola mia

DDR 1977/1978 Spielfilm

Ein Büchner für die Nach-Mai-Generation



Heinz Kersten, Frankfurter Rundschau, 15.2.1979


Zu den ersten Filmen, die die DEFA nach dem Kriege drehte, gehörte eine Adaption von Büchners "Woyzeck" – Kurt Meisel spielte damals die Titelrolle, Regie führte Georg C. Klaren. Jetzt präsentierte die DEFA einen Film über den Autor selbst. Beide Filme reflektieren auf besondere Weise den Geist ihrer Entstehungszeit. 1947 galt die Übertragung von Büchners sozialer Tragödie auf die Kinoleinwand der Wiederentdeckung eines Dichters, dessen Werke bei den Nazis unerwünscht waren. Heute findet man im Bilde seiner Zeit, des deutschen Biedermeier, manche Parallelen zur Gegenwart des geteilten Landes.

"Addio, piccola mia" lautet der Titel des Films, der als erste Babelsberger Produktion des neuen Jahres in die Kinos der DDR kam. Es sind die letzten Worte aus dem letzten Brief Georg Büchner s an seine Geliebte Wilhelmine Jaegele in Straßburg. Er schrieb ihn am 27. Januar 1837, wenige Tage bevor er am 19. Februar 1837 lm Züricher Exil mit 23 Jahren an Typhus starb. So wie diesen Brief zitiert der Film mehrfach schriftliche Äußerungen Büchners, seiner Verwandten und Freunde. Szenaristin Helga Schütz, auch im Westen bekannte Roman- und Filmautorin, hat sich bei der Schilderung der letzten drei Lebensjahre des Mediziners, Dramatikers und Revolutionärs Büchner überhaupt eng an Dokumente gehalten. Trotzdem ist dies kein biographischer Film im herkömmlichen Sinne geworden – eher ein stimmungsvoller Bilderbogen aus einer Zeit der Repression und Restauration, zugleich das Porträt einer Generation scheiternder Revolutionäre. (…)

© Heinz Kersten

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