Alle meine Mädchen

DDR 1979/1980 Spielfilm

Vergnügliches Gruppenporträt


Günter Agde, Filmspiegel, Berlin/DDR, Nr. 11, 1980

Der Titel dieses neuen DEFA-Filmes "Alle meine Mädchen" soll assoziieren, daß die männliche Hauptfigur, der Filmstudent Päschke, die Heldinnen des Films für sich "vereinnahmt". Damit nimmt er vorweg und faßt zusammen, was sich im Verlauf der Geschichte erst herausstellt. Anfangs nämlich wollte der Jungfilmer an diese Frauenbrigade "gar nicht ran". Aber er stellt sich der Aufgabe, über dieses bekanntlich spröde Thema einen Film zu machen. Da er jung, offen und sensibel ist, kann er bei seiner Arbeit nicht "draußen" bleiben. Er interessiert sich für diese Mädchen, wird von ihnen fasziniert, lässt sich in ihre Probleme hineinziehen. So sind sie am Ende tatsächlich alle seine Mädchen … Man kann den Titel freilich auch "aus der Brigade heraus" interpretieren: dann sind es die Mädchen der Meisterin Boltzin. Sie spricht ja selbst oft genug von ihren Mädchen. Und sie ist auch – denke ich – die heimliche Hauptfigur des Films. Die Widersprüche und Konflikte, die zwischen ihr und den Mädchen ausbrechen, machen den eigentlichen inneren Motor der Geschichte aus. Da geht es um Ehrlichkeit und Vertrauen, um Sauberkeit und Freundlichkeit im Umgang miteinander, um Einheitlichkeit und Widersprüchlichkeit im Privaten und in der Arbeit. Da geht es aber ebenso um Qualität der Arbeit, Pünktlichkeit und Disziplin, sozialistische Demokratie ganz konkret und ganz alltäglich. Die beiden Deutungsmöglichkeiten des Titels machen auf die zweischichtige Struktur der Fabel aufmerksam. Allerdings verknüpfen die debütierende Autorin Gabriele Kotte und die Regisseurin Iris Gusner (Dramaturgie Tamara Trampe) diese beiden Ebenen geschickt und unterhaltsam miteinander. Als Hauptmittel dient ihnen dazu das dankbare und auch attraktive Prinzip "Film im Film". Päschkes Film nämlich wird in seinen einzelnen Entstehungsphasen immer wieder in die Handlung eingeflochten, ganz ohne Willkürlichkeiten und Brüche. So gelingt insgesamt ein erfreulich vergnüglicher, leise mahnender, sehr ansehenswerter Film.


Dies schöne Ergebnis ist an die Schauspieler gebunden wie selten beim Film. Das Gruppenporträt junger, heutiger Arbeiterinnen dieser Brigade wird erst durch die Darsteller zum ästhetischen Erlebnis. In den meisten und wichtigsten Szenen des Filmes treten sie ja tatsächlich als Gruppe auf, Einzel- oder Duo-Szenen sind merklich seltener. Spielfreude, Temperament und Typ der Darstellerinnen – ganz offenbar bestärkt, angespornt und behutsam gelenkt von der Regisseurin – verschmelzen mit den Rollen. Keine der Schauspielerinnen ist ein Star, aber keine wäre so gut, wenn nicht die anderen auch gut wären. Ensemblespiel im Film, bei dem man richtig studieren kann, wie sich künstlerische Potenzen eben durch Zusammenspiel gegenseitig steigern können. (…) Und Lissy Tempelhof hat mit der Meisterin nun endlich auch mal wieder eine Filmrolle, die ihrem gereiften, kräftigen Talent gemäß ist. Glänzend, wie sorgfältig und genau und ganz menschlich die Tempelhof Heiteres und Tragisches, ja Elegisches ihrer Rolle aufbaut, wechselt und zuweilen auch verdeckt, so daß eine bedeutende Frauenfigur entsteht. Die Männer des Films stehen etwas zurück; was vor allem am Profil der Rollen, weniger am Können der Darsteller liegt. Immerhin prägen sich Andrzej Pieczynski als Päschke durch seine frische Natülichkeit, Fritz Marquardt durch seine Skurrilität und Wolfgang Dehler durch seine Massigkeit ein. Zu den Qualitäten des Films zählt auch, daß Günter Haubold durchweg gut fotografiert hat.

Natürlich sieht man in dem Film auch Schwachstellen, aber man ignoriert sie, weil die Qualitäten insgesamt so deutlich überwiegen. Und Iris Gusner hat – nach manch Mißlungenem (z. B. "Einer muß die Leiche sein") – endlich einen großen Wurf erzielt.

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