Denk bloß nicht, ich heule

DDR 1964/1965 Spielfilm

Es ist zum Weinen


Günter Agde, Filmspiegel, Berlin/DDR, Nr. 3, 1990


Sie waren zwischen Anfang und Mitte 30, ungebrochen und munter in ihrem Filmverständnis, hatten erfolgreiche Starts und erste Erfolge in der DDR-Filmkunst und beim Publikum hinter sich, als sie 1965 ihren Spielfilm "Denk bloß nicht, ich heule" gemeinsam machten: das Autorenpaar Manfred Freitag und Jochen Nestler und der Regisseur Frank Vogel. Sie glaubten, einen "ganz normalen" Film zu machen, nichts außergewöhnliches oder gar schädliches. Sie fühlten sich am Puls des Lebens in unserem Land zu jener Zeit. Und sie wußten sich in einem intensiven Verbund mit vielen ihrer anderen Film- und Künstlerkollegen, unterschieden lediglich im künstlerischen Temperament, Handschrift, Figurenwahl… Sie trugen das Formierungsstreben, die Aufbruchsstimmung mit, mit der sich im Alltag des Landes abzeichnete, als in dieser Zeit sich ein kräftiger Impuls an DDR-Selbstbewußtsein erkennen ließ, der nun hätte ausgebaut und vertieft werden müssen. (…)

Der Film wurde 1965 – nach wenigen Testaufführungen und verschiedenen Änderungen des Schlusses – verboten, er war – nach Kurt Maetzigs "Das Kaninchen bin ich" – der am meisten gescholtene Film jenes DEFA-Jahrgangs. Die Eigenwilligkeit der Hauptfigur, insbesondere Peters kaum zu bremsender Anspruch auf Individualität, passten nicht in die Harmonisierungs- und Glättungstaktiken, die die damalige Parteiführung in ihrer Ignorierung wirklicher Lebensprozesse als Politik ausgab. Die Widersprüche zwischen den Generationen, die Verständigungsschwierigkeiten zwischen den ganz Jungen (wie Peter und Anne) und den Älteren (obendrein aktiven Antifaschisten), die der Film als Aufgabe am künstlerischen Beispiel öffentlich diskutieren wollte, wurden nicht als nützliche Anstöße oder gar Triebkräfte für ein demokratisches Erziehungs- oder gar Lebens-Konzept begriffen, sondern als Skeptizismus, als Verabsolutierung von Widersprüchen, als schädlich kurzgeschlossen. Ein Kunstwerk wurde als Angriff angesehen, wurde diskriminiert, beschimpft und verboten. 25 Jahre später wird dem Zuschauer des Films bitter zumute, wenn er sehen muß, wie aktuell der leidenschaftliche Film-Vorschlag – und die anderen damals auch – nicht angenommen und öffentlich wurde. Und welche Filmhelden, welche Figuren uns fehlen – Peter könnte der jüngste Bruder Ballas ("Spur der Steine") und der Bruder Marias ("Das Kaninchen bin ich") sein … Die Bitterkeit nimmt zu, wenn man alle Schäden, die wir jetzt überblicken und deren Anfänge weit zurückreichen in unserer Geschichte, hinzunimmt.


Der Film (in strengem Schwarz/Weiß und durchkomponiertem Breitwandformat) wird im Frühjahr 1990 noch in die Kinos der DDR kommen und hoffentlich bei jungen Zuschauern (etwa in Peters Alter) auf große Resonanz stoßen. Bei seiner Vor-Aufführung Anfang Januar in der Akademie der Künste hinterließ er tiefe Betroffenheit und Nachdenklichkeit, da jeder im Saal die unheilvolle Verschränkung von 1965 empfand und verstand. Die sachliche, obgleich begreiflicherweise nicht emotionsfreie Diskussion bündelte all die Gedanken und Gefühle: Bitterkeit über verpasste ideelle und künstlerische Chancen und über die Aktualität des Films, Mut zu subjektivem Anspruch eines jeden und Ablehnung von Heuchelei und Doppelmoral, Hoffnung auf endgültige Erneuerung jetzt und Sorge um Gewalt und Dialogfähigkeit.

Die Filme des Jahres 1965 – beginnen, über ihre und ihrer Schöpfer aktuelle und nötige Rehabilitierung hinaus, öffentlich zu werden.

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