Die Nibelungen. 1. Teil: Siegfried

Deutschland 1922-1924 Spielfilm

Die Nibelungen, 1. Teil


Heinz Udo Brachvogel, Lichtbild-Bühne, Nr. 16, 14.2.1924


Wir stehen vor der Uraufführung eines der größten Filme, die Deutschland hat erstehen sehen, seit es eine Filmindustrie hat. Mit riesenhaften Anstrengungen, mit beispielloser Zähigkeit hat die Decla-Ufa in zwei Jahre langer Arbeit, unter den schwierigsten wirtschaftlichen Verhältnissen die Herstellung der "Nibelungen" vor sich gehen lassen. Gleichgültig, wie man sich dem Werke gegenüber kritisch verhalten will . . . das eine muß von allen bewundernd anerkannt werden: man hat Großes mit großen Kräften und großen Opfern angestrebt. – Namen bürgen. Wenn Fritz Lang und Thea von Harbou in jahrelanger Anspannung an der Verwirklichung eines der größten Epen arbeiteten, wird und muß Großes und Künstlerisches erstehen. Was man an Bildern bisher sah, war eine große Verheißung . . . wir hoffen, daß heute abend die Verheißung zur Erfüllung werde!

Uraltes, tiefinnerstes Volksempfinden in schwere Verse gegossen, flammende primitivste Leidenschaftlichkeit, gebändigt durch den gleitenden Rhythmus der dichterischen Formen, Allermenschlichstes, das durch die Stürme der Jahrhunderte hin dauerte und dauern mußte, weil es menschlich in der höchsten Potenz war . . . so ragt das Nibelungenlied aus der grauen Dämmerung der Jahrhunderte vor uns auf. Jahrhundertelang war es ein Epos des Volkes, war dem Bauern sowohl bekannt, wie dem Edelherren . . . nicht urdeutsche, nein, urmenschliche Ideale waren es, die dies Lied feierte, Ideale, die allen Völkern vorschwebten, die alle Herzen höher schlagen lassen mußten. – – – Unter Friedrich Hebbels riesenhaftem Griff entstand in neuer Form das alte Lied von leidenschaftlicher Liebe, von flammendem Haß, von sieghaft kühnem Wagemut und eisern durchhaltender Treue. Ging über die Bühnen der Welt und ergriff die ganzen Völker, wie ehedem das uralte Epos es getan.

Nach Jahrzehnten wogte die urgewaltige Melodie der großen Leidenschaftlichkeit wiederum aufs neue – durch die brausenden Klangmeere Wagnerischer Musik . . .

Der Volksdichter, der hinreißende Dramatiker, der Musiker, sie haben den Ausdruck tiefsten Empfindens, erschütternsten Gefühles gefunden . . .

Was früher legendenhaft in Hof und Halle erklang, was später von den weltbedeutenden Brettern herab packte und erschütterte, was endlich aus Riesenorchestern in unerhörter Leidenschaftlichkeit und umwogte . . . das soll nun in bildhafter Schöne vor uns erstehen.Ein ungeheures Wagnis und ein überwältigender Griff . . . Lächerlich wäre es und fast wie Blasphemie, wollte man heute, da wir vor dem Ereignis selber stehen, sich lieblos rechnend in Details verlieren. Ein gewaltiger Wille hat gewaltige Kräfte durch lange, lange Monate hindurch angespannt, durch Monate, welche die schauerlichsten dieser Jahre waren. Die sieghafte Kraft, die unwandelbare Treue, die ihr Werk nicht aufgeben kann . . . sie haben sich durchgesetzt. – Ein Epos, das aus den fernsten Kindheitstagen der Völker stammt, aus Tagen, da wir kaum politische künstliche Grenzen kannten, ein Werk, das das naivste, einfachste und deshalb größte Empfinden der Völker verherrlicht . . . es wird in strahlenden Bildern vor allen Völkern erscheinen. Das ist der große Sinn dieses Filmes. Vor ihm müssen die Schlagworte von "Internationalität" usw. die großen Worte prunkender Reklamen verblassen. Er wird hinausgehen in die Welt, in alle Länder und überall, wo noch ein Empfinden lebt für lodernde Liebe und flammenden Haß, für sieghafte Manneskraft und eiserne Treue soll er ein unsterbliches Echo erwecken . . . Heil dem, der den Griff gewagt hat! . . . Heil uns, wenn der Wurf gelang!

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