Heute sterben immer nur die anderen

DDR Deutschland 1990/1991 Spielfilm

Heute sterben immer nur die anderen



Ralf Schenk, Filmspiegel, Berlin, Nr. 5 1991

Eine lange Kamerafahrt durch den Park. Weiße Statuen mit Engelsflügeln. In der Ferne eine Krankenschwester, die eine Frau im Rollstuhl schiebt Dazu Motive einer Koloraturarie aus der "Fledermaus". "Heute sterben immer nur die andern" beginnt wie ein Traum: abgehoben von der Wirklichkeit voller unerklärlicher Momente. Das Schwebende, Nicht-Faßbare, Geheimnisvolle dominiert schließlich den gesamten Film. Das zerfallende, vermodernde Venedig als letztes Urlaubsziel der krebskranken Maria. Der Gevatter Tod in Gestalt einer Pantomime auf der abendlichen Straße. Die Fahrt zur Klinik in einer Nebelnacht, in der kleine Scheiterhaufen an den Kreuzungen den Weg weisen. Doch all diese bedeutungsschwangeren Bilder wirken wie aus zweiter Hand, zusammengestoppelt aus den Arsenalen der Filmgeschichte. Wobei Siegfried Kühn sogar häufig sich selbst zitiert: die Kreisfahrt der Kamera, die Personen wie in einem Netz einspinnt, kannten wir schon aus seiner "Schauspielerin", die (hier im übrigen überflüssigen) Rückblenden in die sonnigen ersten Lebensjahre aus "Kindheit". Kühn hat Charlotte Worgitzkys Erzählung über das Sterben und den Umgang mit dem Tod auf merkwürdige Art veropert und mystifiziert. Wo Kunst entstehen sollte, herrscht angestrengte Künstlichkeit. An der Stelle von Kontemplation wabert der Schwulst, an der Stelle von Stille die Hysterie. Katrin Saß (Hanna), die ich ansonsten sehr schätze, erweist sich darin diesmal als Meisterin: am Ende verabreicht sie ihrer Schauspieler-Kollegin und spröden Freundin Maira die Todesspritze. Ulrike Krumbiegel als Lisa, die der an Knochenkrebs Erkrankten nicht beistehen kann, die Leid und Tod verdrängt, kommt über ein paar stichwortartige Auftritte nicht hinaus.

Gudrun Ritter aber als sterbende Maria macht in einigen Szenen bewußt, daß der Film auch hätte anders aussehen können: leiser, in gutem Sinne einfacher.

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