Fontane Effi Briest

BR Deutschland 1972-1974 Spielfilm

Fontane Effi Briest


G. P., film-dienst, Nr. 14, 09.07.1974

Noch an keinem anderen Film hat Fassbinder so lange und intensiv gearbeitet wie an der Adaption des Romans von Theodor Fontane. "Effi Briest" ist sein bislang teuerstes Projekt. Die stilistische Geschlossenheit dieses Werks, die bis ins letzte Detail ausgefeilte Regie, mag man an einem verblüffenden Umstand erkennen: Aus verschiedenen Gründen mußte Fassbinder während dieser Arbeit den Kameramann wechseln, aber es ist gänzlich unmöglich, in diesem Film irgendwelche Brüche oder Nahtstellen zu erkennen. Da er sich auf den ersten Blick sehr streng an die Romanvorlage hält, liegt es nahe, den Film an ihr zu messen. Die Grundstruktur von Fontanes Roman bleibt, bis hin zu einigen verkürzt wiedergegebenen Motiven (Ein schönes Beispiel für geglückte Motiv-Verkürzungen ist die andeutende Erwähnung von Effis Hund Rollo!) erhalten. Man sieht die zu früh erfolgte Bindung Effis an einen älteren Mann, Baron von Instetten, der seine Frau als Unmündige behandelt; Effi wird kalt in das Besitz- und Machtsystem ihres Mannes integriert, für sie ein erstickendes Gefängnis, das sie noch unfreier macht als das Elternhaus, von dem sie sich zu lösen versuchte. Nach einigen Jahren erfährt Instetten von einer kurzen, längst vergangenen Affäre zwischen seiner Frau und Crampas, einem cleveren Offizier, der Effis Situation sofort erkannt und zu seinem Vergnügen verwertet hatte. Instetten beharrt auf dem steifen, ritualisierten Ehrenkodex seiner Gesellschaft, erschießt den Offizier im Duell und läßt sich scheiden. Selbst Effis Tochter wird als Mittel zur Bestrafung der Mutter mißbraucht; diese lebt als Ausgestoßene, von den wahren Schuldigen verachtet, die sich auf eine Tugend berufen, deren Scheinheiligkeit Effi gegen Ende ihres Lebens erkennt.

Entscheidend an dieser Verfilmung ist, daß es Fassbinder nie um die simple Übertragung eines Romans ging, sondern auch um die Darstellung einer Erzählhaltung, der künstlerischen Position Fontanes, des bürgerlichen Romanciers, der die Gesellschaft, in der er lebt, ablehnen möchte, sich aber doch von ihr ernähren läßt und so nicht umhinkommt, sie letztlich zu akzeptieren. Dies entspricht auch Fassbinders eigener Position: Die Wut von früher ist der aufmerksamen Beobachtung, dem geduldigen Beschreiben gewichen. Gearbeitet hat Fassbinder mit einem sehr schwer handhabbaren, kaum lichtempfindlichen Schwarz-Weiß-Material, man sieht ruhige, spröde, fast abweisend kühle Bilder, die sich nie zu einer runden, den Zuschauer mitnehmenden Geschichte fügen. Fassbinders Romanverfilmung macht noch den Vorgang des Lesens transparent, stellt Distanz her zum Zuschauer und zwingt ihn, das Gesehene ständig mit eigenen Erfahrungen und Emotionen anzufüllen. Selbst der Gestus des Lesens bleibt erhalten, immer wieder blendet Fassbinder am Ende seiner Szenen in grelles Weiß aus, markiert gleichsam den Vorgang des Umblätterns. Neue Kapitel deuten sich in Zwischentiteln an, übersprungene Zeiträume in Schwarzblenden. Eine äußerst ausgefeilte Lichtführung läßt die Objekte in den Szenerien schwer und erstickend aussehen, eine beklemmende Welt aus dunklem Eichenholz und Gußeisen, aus Plüsch und Gips. Die Unfreiheit der Figuren, ihr Verharren in gesellschaftlichen Zwängen, die ja selbst Effis selbstgerechten Mann ins Unglück stürzen, dies erscheint in den Bildern auch als Mangel an Bewegung, der Bildrhythmus ist dem Erzählduktus Fontanes konsequent angeglichen. Und immer wieder zeigt Fassbinder seine Figuren in Spiegeln: er gibt nicht vor, Leben zu inszenieren, sein Film gibt nur die Reflexe von Leben wieder – diese freilich haben mit unserer bürgerlichen Gegenwart mehr zu tun als viele andere Filme, die sich forsch und glatt deren Beschreibung vorgenommen haben.

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