Darsteller, Regie, Drehbuch
Hannover

"Die Welt schaut auf deutsche Filme"

Der Lehrer, gespielt von Jürgen Vogel, geht vollkommen in seiner Rolle auf. War das so von Anfang an intendiert? Was war euch bei der Lehrerrolle wichtig und wie habt ihr sie gezeichnet?

D.G.: Ich habe schon einmal mit Jürgen Vogel einen Film gemacht, den Christian auch produziert hat, meinen Debütfilm "Das Phantom". Seitdem war immer der Wunsch da, noch einmal mit Jürgen zusammenzuarbeiten - und da das Buch ihn total fasziniert hat, lag diese Besetzung nahe.
Danach haben wir uns dann überlegt, welchen Lehrertyp er im Film spielen könnte. Es ging um die Frage, welchen Lehrer wir selbst gerne in der Schule gehabt hätten. Während meiner Schulzeit hatte ich einen guten Kontakt weniger zu den betont intellektuellen Lehrern, die ihre Distanz zu den Schülern hielten, sondern zu denen, die sich wirklich für uns interessiert haben. Das waren Typen mit einer sehr lockeren Art – vielleicht ein bisschen schluffig, aber extrem beliebt. Und wir fanden es sehr spannend, gerade einen Lehrer zu nehmen, der eigentlich davon ausgeht, dass ihm so etwas wie im Film niemals passieren kann – also keinen konservativen Knochen! Dafür war Jürgen Vogel die perfekte Besetzung.

Viele Deiner Filme beschäftigen sich mit Heranwachsenden. Was fasziniert dich an ihrer Welt?

D.G.: Ich weiß noch ganz genau, wie ich mit 17 war, und es gibt ja auch im Film eine Figur, die Dennis heißt – da liegt natürlich viel von mir mit drin! Aus dieser Zeit habe ich sehr viel mitgenommen und ich habe sie als sehr prägend empfunden. Sie war für mich so eine Art Wegweiser. Ich habe gelernt, gegen Widerstände den Mund aufzumachen, und vor allem, meine eigene Meinung zu vertreten.

Wie habt ihr auf dieser Basis eure jugendlichen Figuren entwickelt?

D.G.: Während der Drehbuchentwicklung sind wir in die Schulen gegangen. Wir haben uns bei ehemaligen Mitschülern, die jetzt selbst Lehrer sind, in den Unterricht gesetzt und einfach zugehört. Und dann findet man eben diese Typen…Es gibt keine Figur im Film, für die kein reales Vorbild existiert, und auch die Elternhäuser sind der Realität nachempfunden: Das liberale Elternhaus von Karo zum Beispiel ist inspiriert von meinen früheren Nachbarn. Beide Kinder waren auf der Waldorfschule und ihre Eltern waren "Müslis mit Geld", wie man bei uns in Hannover sagt: liberal und links eingestellt, aber eben auch mit Kohle. Das haben wir alles in diesen Film reingenommen, wobei die guten Dialoge Peter Thorwarth zu verdanken sind. Er ist dafür einer der besten in Deutschland.

Beim tatsächlich stattgefunden Experiment hieß der Lehrer Ron Jones. Wie hat er das Drehbuch und den Film aufgenommen?

C.B.: Ron Jones spielt im Film sogar mit! Er ist in der Tagging-Sequenz zu sehen, in der ein Restaurant verwüstet wird. Da gibt es einen glatzköpfigen Mann, der ein bisschen unsicher nach links und rechts blickt – das ist Jones. Er hat immer gesagt, dass er das Buch von Morton Rhue gehasst hat, aber bei Dennis" und Peters Drehbuch war er ganz sprachlos. Laut Jones haben sie, von ihrem heutigen Wissen ausgehend, viel dazuerfunden, über das er selbst nie geredet hat. Für ihn ist dieser Film näher an dem dran, was damals passiert ist, als alles, was bislang dazu geschrieben wurde.

D.G.: Ron Jones ist sehr froh, dass gerade wir den Stoff verfilmt haben, denn er denkt, dass die Deutschen die Vergangenheit äußerst kritisch reflektieren können. Er hat gesagt, so ein Film hätte in Amerika niemals so werden können, wie er jetzt ist.

Ihr habt die Geschichte vom Ort her unspezifisch gehalten. Wolltet ihr damit das Parabelhafte unterstützen?

D.G.: Ganz genau. Viele Leute haben uns vorgeschlagen, die Geschichte in Ostdeutschland oder in irgendeinem Problembezirk in der Lausitz anzusiedeln, aber das wollten wir auf gar keinen Fall. Ich möchte nicht, dass Leute in Stuttgart oder in Reutlingen im Kino sitzen und nach dem Film sagen: "Ja gut, aber das könnte uns hier ja nun gar nicht passieren, das ist ja ganz klar ein ostdeutsches Problem!" Das Originalexperiment fand 1967 schließlich auch in Palo Alto statt, einer damals schon sehr wohlhabenden Gemeinde in Kalifornien. Genau das sagt auch Ron Jones: Es funktioniert eigentlich überall! Deshalb wollten wir einen Film machen, bei dem man sich nach dem Kinobesuch fragt, was die Thematik mit dem eigenen Leben zu tun hat.

Noch einmal zu Ron Jones: Bei ihm endete das Experiment unspektakulärer als bei euch. Er brach es einfach ab, weil er Skrupel hatte und auch, weil seine Frau dagegen war. Ihr habt ein dramatisches Ende gewählt – warum?

D.G.: Es war uns wichtig, dass der Zuschauer das System des Faschismus wirklich spüren kann. Eine klare Message am Ende war uns wichtig – wer mit Faschismus spielt, kann so enden. Uns als Filmemachern war ganz klar, dass wir eine deutliche Haltung beziehen müssen, denn wenn man so einen Film in Deutschland macht, ist es wichtig, ein dramatisches, eindeutiges Ende zu haben.

C.B.: Ich muss zugeben, dass wir den Schluss doppelt gedreht haben. Wir hatten also auch ein weniger dramatisches Ende parat – für alle Fälle. Allerdings wollten wir diese Version nie wirklich nutzen. Man wird es wohl irgendwann auf der DVD finden können.

Welche Aussage transportiert der Film? Was ist das Ziel von "Die Welle"?

D.G.: Der Anspruch war definitiv nicht, das Originalexperiment Schritt für Schritt nachzuerzählen. Dann hätte der Film 1967 mit langhaarigen Schülern in Palo Alto spielen müssen. Wir wollten genau ausprobieren, wie so ein Versuch mit einer charismatischen Lehrerfigur und einer Klasse, die sich eigentlich vor solchen Verlockungen gefeit fühlt, 2008 wohl ablaufen könnte.
Wir wollten betonen, dass man versuchen muss, zu seiner eigenen Meinung zu stehen und gruppendynamische Prozesse zu verstehen. Dass man versuchen muss, aufzustehen und sich gegen die Gruppe zu stellen, wenn man anderer Meinung ist. Man sollte Demokratie nicht nur intellektuell einfordern, sondern im täglichen Leben umsetzen, was natürlich schwer ist. Jones hat uns zum Beispiel darauf hingewiesen, dass das deutsche Schulsystem teilweise sehr wenig mit Demokratie zu tun hat. Im Alltag gibt es viel zu wenig demokratische Prozesse, die erlernt werden können.

Vielleicht noch ein Wort zur Filmhochschule: Ihr habt euch alle dort kennen gelernt. Welche Bedeutung hat für euch die Zeit an der Filmhochschule in München?

C.B.: Ich denke, es ist egal, an welcher Hochschule wir gewesen sind, denn die sind heutzutage alle sehr gut, ob in München, Potsdam oder Ludwigsburg. Der Vorteil war, dass wir uns alle kennen gelernt haben, dass wir Kontakte knüpfen und uns in Kurzfilmen ausprobieren konnten, ohne ein finanzielles Risiko einzugehen. So haben wir mit verschiedenen Genres experimentiert. Man kann an der Filmhochschule sehr gut im Kleinen für sich testen, wohin man später mal will. Für mich als Produktionsstudent war es super, dass ich sehr viele junge Regisseure kennen gelernt habe, mit ihnen arbeiten konnte und sie weitergetrieben habe.

D.G.: Ich war erst 21, als ich auf die Filmhochschule gekommen bin, und hatte von Film keine Ahnung. Irgendwann jedoch habe ich festgestellt, welche Filme ich machen will, und dass mich weniger ein Wenders als vielmehr ein Sidney Pollack geprägt hat. Ich will Filme machen, die einen interessanten Inhalt haben, aber auch so gut erzählt sind, dass man sie sich anschauen will. Daher bin ich ein sehr großer Fan des amerikanischen Kinos der 1970er Jahre, ob das jetzt "Apocalypse Now!" oder "Der Pate" ist. Diese Erzählkultur haben wir in Deutschland auch, und jetzt kommt wieder eine neue Generation von den Filmhochschulen, die eben versucht, dieses Erzählkino aus Deutschland mit politischen Inhalten zu beleben. Das ist momentan eine extrem spannende Zeit. Die Welt schaut auf deutsche Filme. "Die Welle" wird in über 40 Ländern auf der Welt im Kino starten, weil die Leute über Deutschland hinaus diesen Stoff interessant finden.

 

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