Dagfin

Deutschland 1926 Spielfilm

Dagfin


–e–, Film-Kurier, Nr. 298, 21.12.1926


Als Konstrukteure der Handlung sind vier Autoren genannt. Joe May, Adolf Lantz, Jane Bess, Hans Szekely. Vier Autoren suchen … Vier Autoren jagen nach Kinospannung. Jagen? Besinnen sich, denken nach, überlegen, simulieren, mixen Einfälle, Motive, Sensationen, Personen, Geschicke – aus dem Roman von Werner Scheff. In der Tat ein geeigneter Stoff für den Film von heute. Sein Vorzug: er beschränkt sich auf wenige Personen, die lebenswahr sind – soweit sie aus Europa stammen. Die Exoten des Films aber, ein türkischer General und sein chinesischer Sekretär entsprechen der "romantischen" nebulosen Auffassung, die sich der Normalmensch vor dem Krieg über beide Rassenvertreter machte. (...)

Joe May führt Regie. Er hält sich an die bewährten Rezepte seiner großen Erfolge. Deutlichkeit, Nachdrücklichkeit ist seine Losung. Er nimmt mit seiner großen Liebe für das Publikum auch auf den letzten Besucher Rücksicht, niemand soll etwas übersehen, jeder soll am Lichtspiel teilnehmen können.

Immer wieder weist er zum Entzücken der Galerie darauf hin, daß es faustdick komme, ein Kronleuchter fliegt von der Decke, ein Stuhl knallt gegen die Tür, Temperament muß zu spüren sein, wenn Joe May seine Trümpfe ausspielt.

Den Meister erkennt man bei einer Vernehmungsszene im Kurhotel, die zu den gelungensten Partien gehört. Ein Mord wird in der Nacht entdeckt, blitzschnell verbreitet sich die Kunde, der Untersuchungsrichter eilt aus dem Nachbarstädtchen auf einer Lokomotive herbei. Indessen "vernimmt" der Hotelbesitzer, der zugleich Amtsvorsteher ist. Hier stellt Joe May mit seiner Hand, mit leicht ironisierenden Gesten das Ensemble hin: zwei Amtspersonen, ein Zeuge, ein Portier. Wie eingehend ist das ausgespielt, rein mischen sich hier geschickt die Linien zu einer kleinen, menschlichen Tragikomödie.

Wenn der Stoff bewußt Kolportage macht, wenn er seine Vorzüge und Gestalten – wie in der Befreiungsszene Dagfins aus dem Kerker – halb ernst, halb tragisch nimmt, erwächst aus diesen Zwischenstimmungen und Nuancen die beste Wirkung des Films.

Darum wirkt auch die groteske, aber durch Kultur gebändigte Erscheinung des chinesischen Sekretärs Garron, dargestellt von Nien-Sön-Ling, am stärksten und packendsten. Diese Gestalt der Unterwürfigkeit, die in Wahrheit überlegen ist, gibt sich naturhaft, unverzeichnet. Nicht minder auch Ernst Deutsch, der als Rächer bis zu den letzten Szenen unsichtbar bleibt, in seinen wenigen Szenen aber ein ganzer Kerl, gefährlich, orientalisch, doch gezügelt und monumental, scheint.

Paul Wegener spielt das Doppelich eines Türken, das er geschickt zu dekuvrieren weiß: ein Verfolger, der selbst gehetzt wird, ein Mörder, den man morden will. Er ist Kavalier und Kretin zugleich. Mit seinen dämonischen Allüren empfindet man schließlich Mitleid, da er ja doch nur ein armer Hokus-Pokus-Teufel ist, der sich selbst vergiften muß. (...)

Rechtsstatus