Sheriff Teddy

DDR 1956/1957 Spielfilm

Ein großer Film für – kleine Leute


Klaus Wischnewski, Deutsche Filmkunst, Berlin/DDR, Nr. 12, 1957



Ein Filmregisseur braucht einen ganzen Sack voll Fähigkeiten, um ein guter zu sein. Mehr jedenfalls, als ein halbes Dutzend Kritiker auf je vier Manuskriptseiten berücksichtigen und würdigen können … Er muß – vor allem – eine politisch und künstlerisch progressive Wirklichkeitsbeziehung haben – nur daraus entsteht die richtige Stoffbeziehung. Er muß diese Stoffbeziehung in einer Fabel Gestalt werden lassen können. Dabei ist es zunächst gleichgültig, ob er als schreibender Autor mitwirkt oder nicht: Wenn er den Film dreht, ist er immer Mitautor, und entweder erlebt die Fabel dabei ihre zweite Geburt, oder sie wird in neunzig Minuten Spieldauer zu Grabe getragen. Zur Fabelbezeichnung gehören dramaturgische Klugheit und Gefühl für das Genre, sowohl literarisch-bildhaftes wie filmisch-optisches Denken – die Wahl der Einstellungen, ihre Dauer und der Schnittrhythmus zeugen positiv oder negativ davon. Daß die Besetzung weniger organisatorische als eminent künstlerische Fähigkeiten fordert, ist selbstverständlich oder sollte es sein – das Schicksal des Films entscheidet sich meist hier, vor der "eigentlichen" Arbeit. Diese dann fordert vor allem zweierlei vom Regisseur: Er muß die Schauspieler in die Charaktere hineinführen und diese Charaktere klug und interessant vor die Kamera führen – nicht selten wird dieses über jenem vergessen oder jenes vor diesem vernachlässigt.


Warum diese Aufzählung? Weil der DEFA-Film "Sheriff Teddy" das Spielfilmdebüt eines jungen Regisseurs ist: Heiner Carow. Und weil es das Erstaunlichste an diesem Film ist, daß er von einem "Neuling" gemacht wurde, daß dieser junge Regisseur jene oben skizzierten Fähigkeiten sicher und reif beherrscht – und noch einige Fähigkeiten mehr, die man nicht einfach aufzählen kann. Wenn Carow richtig gefördert wird – und Förderung für einen solchen Nachwuchsregisseur besteht einfach darin, daß man ihn viel arbeiten, "seine" Stoffe finden und Filme daraus drehen läßt –, dann werden unsere sozialistische Filmkunst und unser Publikum großen Gewinn davon haben können. Vor allem aber werden sich die Kinder und Jugendlichen im Parkett freuen. Carow hat eine echte, ganz unsentimentale und "unerwachsene" Beziehung zu ihnen.

"Sheriff Teddy" ist ein Kinderfilm, der von Anfang bis Ende nach der oft zitierten Devise gemacht ist, daß man für Kinder genau so gut schreiben muß wie für Erwachsene – nur besser. Er setzt die von Gerhard Klein so verdienstvoll begonnene erfolgreiche "Berlin-Serie" fort und ist ein neuer Schritt in ihr. Stärker als bisher wird die Geschichte der Kinder und Jugendlichen gegeben, rücken die Erwachsenen in den Hintergrund, selbstverständlicher wird das Milieu des alltäglichen, gespaltenen Berlin. Nach Motiven des gleichnamigen Kinderbuches von Benno Pludra, der mit Carow zusammen das Drehbuch schrieb, wird uns die Geschichte von dem eigenwilligen, charakterstarken Kalle erzählt, dessen ganze innere und äußere Welt umgekrempelt wird, als seine Eltern von West- nach Ostberlin umziehen. Sein Mut und Tatendrang, sein jugendliches Bedürfnis nach Abenteuern waren ganz in die Welt der Schmöker-Helden gelenkt worden; er hat eine Bande, ist "Sheriff"; Colts, Peitschen und Lassos sind seine Träume. Und er kommt in eine Welt, in der das nicht nur nicht gefördert wird, in der es fremd ist. In einem harten, zum Schluß weite Kreise ziehenden und wachsend dramatischen Kampf findet der Junge neue Reiche, die sein Tatendrang erobern wird. Diese Geschichte wird einfach, ohne Ausweitung auf andere Probleme und Erscheinungen, erzählt. Alle Veränderungen und Einsichten der Figuren sind in der Fabel und nirgends sonst begründet, wie auch alle Konflikte sich in ihr ergeben und in ihr gelöst werden. Ihre politische Tendenz und ihr pädagogischer Wert entstehen aus ihrer dramaturgischen Konsequenz – das ist bekanntlich nicht nur für Kinderfilme unumgängliches Gesetz ihrer Wirksamkeit.

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