Jahrgang 45

DDR 1966 Spielfilm

Jahrgang 45


Silke Ronneburg, film-dienst, Köln, Nr. 25, 11.12.1990

Es sind die häßlichen Ecken Berlins, die den Schauplatz der Handlung abgeben. Der Stadtbezirk Prenzlauer Berg mit seinen schon damals bröckelnden Fassaden und Hinterhoflabyrinthen, eine winzige Ein-Zimmer-Wohnung, in der sich die jungen Leute zu Hause fühlen sollen. Bedrückende Enge, aber auch Leere, Lustlosigkeit bestimmen den Alltag der beiden. Lediglich im Beruf (er als Autoschlosser, sie als Hebamme) finden sie so etwas wie Erfüllung und Selbstverwirklichung.

Böttcher verdeutlicht mit der Präzision eines Dokumentaristen das alltägliche Lebensgefühl der beiden, typisch für viele in ihrer Generation. Weder Aufbaustimmung noch sozialistische Moralnormen sind zu entdecken – nicht einmal andeutungsweise. Möglicherweise führte dieser "Mangel" zum Verbot des Films. Möglicherweise aber auch seine ungewöhnliche Machart, sowohl in Kameraführung und Schnitt als auch im freien Spiel der Darsteller – ungezwungen, alltäglich, ohne aufgebauschte, bedeutungsüberfrachtete Dialoge. Sensibel und treffsicher vermag der Maler Böttcher Stimmungen zu vermitteln; in Detailstimmigkeit und fast authentisch anmutender Realitätsnähe findet sich die Handschrift des Dokumentaristen Böttcher. Dieser leider einzige Spielfilm Jürgen Böttchers ist sowohl als historischer Beleg einer Entwicklungsphase als auch als formales Experiment interessant, wenngleich die undramatische Fabel dem Zuschauer nicht nahegeht und ihn kaum aus der Distanz lockt.

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