plus-minus null

Deutschland 1997/1998 Spielfilm

Plus Minus Null

Das nächtliche Berlin in Eoin Moores Filmdebüt


Martina Knoben, epd Film, Nr. 4, April 2000


Als Eoin Moore seinen Film gedreht hat, vor gut zwei Jahren, war da, wo in diesem Jahr bereits die Berlinale stattgefunden hat, noch ein großes Loch. Und man kann sich gut vorstellen, wie er jeden Tag auf dem Weg zur Filmhochschule an der Baustelle am Potsdamer Platz vorbeigekommen ist und abends an einem großen Straßenstrich und die Atmosphäre der beiden Orte in seinem Film unterbringen wollte. Das hat er in einem Interview erzählt, man sieht es dem Film aber auch an: dass die Geschichte erst später entstanden ist, dass sie ihm auch gar nicht so wichtig war.

Viel wichtiger waren ihm die Atmosphäre des nächtlichen Berlin, die vielen Details, die eine Stadt, ein Milieu oder auch einen Menschen charakterisieren. Sie fangt Moore präzise und gleichzeitig lebendig und unverkrampft ein. Das Milieu, das sind der Bauarbeiter Alex (Andreas Schmidt) und die beiden Nutten Svetlana (Tamara Simunovic) und Ruth (Kathleen Gallego Zapata), mit denen Alex sich anfreundet.

Alex, "wie der Platz", ist ein dürres Männchen mit großer Klappe und Segelohren, ein Bauarbeiter mit Höhenangst, der ständig auf Zahnstochern herumkaut und nervös mit den Augen zuckt. Seine Frau hat ihn rausgeschmissen, sein Kind darf er nur selten sehen. Jetzt lebt er im Container, klaut ab und an Werkzeug und wird schließlich erwischt. Alex ist ein sympathisches Würstchen, dem das Wort "loser" förmlich auf die Stirn geschrieben steht.

Er treibt ziellos durchs Leben, wie die eigentlich ganz patent und bodenständig wirkende Ruth, die sich Chantal nennt und einmal Kindergärtnerin war. Sie wartet auf eine Umschulung und geht währenddessen auf den Strich. Als sie im Film einmal eine Weiche stellen soll für das Leben, lässt sie sich durch einen winzigen Zufall aus der Bahn werfen. Eoin Moore hat die Schwäche seiner Figuren sehr gut beobachtet.



Nur Svetlana, die sich "Maria, "wie die Jungfrau", nennt, weiß, was sie will im Leben. Sie kommt aus Bosnien und will dort mit dem Geld ihrer Freier einen Friseursalon aufmachen. Noch lieber würde sie in Deutschland bleiben, aber ihre Aufenthaltsberechtigung läuft bald ab. Alex verliebt sich in sie, ist aber auch dieser Aufgabe nicht gewachsen.

Der Film sei fast ohne Drehbuch entstanden, hat Moore erzählt, er sei eher beobachtet als gedreht worden. Mit seinen drei – ganz hervorragenden – Hauptdarstellern hat er vor zwei Videokameras improvisiert. Aus der Methode ergeben sich die Stärken und Schwächen des Films.

Sein Schwachpunkt ist tatsächlich die Geschichte; auch die Poesie dieses Straßenstrichs, das Klischee der netten Huren wirkt etwas gewollt. Seine Stärke aber sind die Spontaneität seiner Darsteller und die vielen stimmigen Kleinigkeiten: dass Svetlana sich waschen will, bevor sie mit Alex schläft, dass er sich den Gummi selbst überziehen will, weil ihre kokette Art, dies zu tun, ihn an ihren Job erinnert, wie Ruth badet nach ihrer Arbeit, ihr Traum vom Imbisswagen, der gerade mal zwei Tage lang trägt. Dieses Gespür für Alltägliches, für die kleinen Gesten erinnert an den Realismus im britischen Film. Moore selbst ist übrigens Ire.

So fahrig wie seine Hauptfigur und so schmuddelig wie die Ecken von Berlin, in denen der Film spielt, wirken auch die Bilder, die Moore und sein zweiter Kameramann Bernd Löhr gemacht haben. Körnig, wackelig und unruhig sind sie – die Figuren geben ihnen auch wenig Halt.

"Plus-Minus Null" hat den Charme einer Skizze; der Film der mit dem Minibudget von 60.000 Mark entstanden ist, verspricht nicht viel und muss deshalb auch keine großen Erwartungen erfüllen. Alles wirkt wie schnell hingeworfen – diesen Reiz des Flüchtigen, Unfertigen entdeckt Moore auch bei seinen Figuren und an der Grube am Potsdamer Platz. Das gigantische Loch dient ihm als Kulisse, es ist nie Thema. Seine Schönheit konnte man damals leicht übersehen, sie wird erst im Kontrast zum neuen Zentrum so richtig deutlich. Damals schien noch alles offen, obwohl es natürlich längst entschieden war. "Wie das wohl aussehen wird, wenn es fertig ist? fragen sich Alex und Ruth beim Anblick der Grube. "Sehr groß und sehr sauber", meint Ruth. "Da müssen wir uns schick anziehen, damit sie uns reinlassen." Aber natürlich passen weder Ruth, noch Alex, noch Svetlana in das neue Zentrum.


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