Mensch, mein Papa...!

DDR 1987/1988 Spielfilm

Menschen,Typen, Schauspieler: Nicht bloß lustig…



Klaus Wischnewski, Film und Fernsehen, Berlin/DDR, Nr. 3, 1989

Sicher: Geschichtenerfinder und Drehbuchautor Ulrich Thein bekommt nach flotter und zielstrebiger, die Tonlage zwischen Rührung und Komik, Melodram und Volksstück angebender Exposition die verschiedenen Motivlinien und Handlungsstränge nicht so in die Hand, daß sie sich in Verknüpfung und Abwechslung gegenseitig immer weiter- und höhertreiben. Dramaturg Andreas Scheinert hat da offenbar auch nicht – mit sanftem Rat oder scharfem Strich – ausreichend helfen können. Und Regisseur Thein konnte sich selbst auch nicht so recht überholen, wo es manchmal notwendig gewesen wäre. Sein Film ist länger, als es Geschichte und Figuren, Spaß und Hintersinn tragen. Er erzählt mal ausholend und ausmalend, mal abrupt. Also gibt es zunehmend für den Zuschauer teils Verwirrung, teils rhythmische Störung durch das Neben- und Nacheinander auf drei Ebenen. (…)


Aber: In den Wirrungen und Verwirrungen entdecke ich auch sehr schnell die Qualitäten. In den ausgespielten Milieu-Szenerien und Typen-Szenen, in den kräftig – gestisch wie mimisch – agierenden Schauspielern und ihren deutlich gekennzeichneten (gelegentlich überchargierten) Figuren leben Genre-Traditionen auf, der plebejische Humor des Volksstücks und die melodramatischen Varianten der "großen Gefühle und Gedanken" der hohen Literatur, was immer diese sei. Hier ist auch das bewußte und gezielte Setzen auf den Schauspieler, also auf die trächtige Rolle für ihn und die treffende Besetzung für die Rolle. Selbstverständlichkeiten? Mitnichten, wie wir oft genug erfahren. Hier jedoch: Geburtstag in der Kneipe und Rosenlied von Vater und Tochter, Boxer-Dressur mit Eitelkeiten und sozialen Blitzlichtern, Biertrinken als Lebenselixier, Hinterhofkrach, die Erziehung eines Interhotel-Eleven – und: Erwin Geschonneck als Zausel, als liebender und schimpfender, autoritärer und hilfloser Vater, Hundeliebhaber, eifrig und eitel, aufopferungsvoller und egoistischer Hundesparten-Funktionär: Da ist ein Leben am Abend, da ist unser aller Alltag und das Besondere eines Fast-Originals. Und Franziska Troegner – eine Darstellerin und eine Rolle, die sich gegenseitig brauchten und mochten. Lebensenergien von Schauspielerin und Figur erreichen höchste Charakterisierung und befreiende Selbstbestätigung. Kommandieren und Stepp-Tanzen, Clownsmaske und Tochtergesicht, Angst, Begeisterung, kindliche Freude und graue Enttäuschung. Und, bei beiden: Unzerstörbarkeit. Wie oft haben wir das in einem Film?



Natürlich ist nicht zu übersehen, daß der Autor, Schauspieler und Regisseur Ulrich Thein gelegentlich Szenen oder Figuren etwas verliebt ausufern oder übertreiben läßt; auch das gehört zu den professionellen Schwächen des Films, kommt aber aus einer produktiven und sympathischen Quelle, der komödiantischen, viel zu seltenen! (…)

Aber sie sind ja vor allem anderen Leute und Szenen unseres Alltags, unserer Stadt, dieses Jahrzehnts. Lebenshaltung zwischen plebejisch und neureich, kleinbürgerlich-solide und unverdrossen-aktiv; echte und Ersatz-Projekte, Rückzug in private Auswege, Resignation und Kompensation … Willis Kneipe ist rührend. Die Kneipe der Holzauktion ist bei genauerem Hinsehen erschreckend, aber mindestens ebenso real wie jene. Komisches ist nicht nur lustig, Rührendes ist auch gefährdet. Wo sind die himmelstürmenden und weltbewegenden Energien … Aber so gehört es sich ja für das wahre Volksstück! Und das ist zu bestätigen, herauszufordern, zu fördern. Schärfer, deutlicher, trauriger und also komischer - das ist die Forderung, die hier zu stellen ist, die uns weiterhelfen kann. War es etwa auch zögerliche Behandlung des schönen Stoffes und Materials, die das Gold nicht richtig zum Glänzen brachte?

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