Ein blonder Traum

Deutschland 1932 Spielfilm

Ein blonder Traum


Georg Herzberg, Film-Kurier, Nr. 226, 24.9.1932


In wievielen Tonfilmen sind ein armes kleines Mädel oder ein armer junger Mann durch märchenhafte Glückszufälle zu Reichtum und Glück (was im Film gewöhnlich als dasselbe betrachtet wird) aufgestiegen? Und wie oft haben die Kritiker gegen diese holden Illusionen die Feder gewetzt?

Also fragte sich auch Erich Pommer und beschloß, den Spieß einmal umzudrehen. Walter Reisch und Billy Wilder gingen an die Schaffung von Figuren mit umgekehrten Vorzeichen. Als da sind ein hübsches Mädel, das rasend gern zum Film nach Hollywood will und das man zweitausend Meter lang als happy ending-Berühmtheit wähnt und das dann doch am heimatlichen Kochtopf bleibt. Und da sind zwei forsche Fensterputzer – nun ja, der eine geht zum Film aber nicht als Star, sondern als Abwimmler zudringlicher Leute – aber der andere bleibt brav bei Lederlappen, Leiter und Fahrrad, für 65 Mark die Woche zuzüglich Verheiratetenzulage von 15 Prozent.

Die Autoren und der Regisseur Paul Martin haben einen hübschen, amüsanten Film geschaffen, voll entzückender Einfälle und gefälliger Musik und besetzt mit zu Recht populären Darstellern. Aber ein Volksstück ist es nicht geworden. Man hat geschickt konstruiert, Milieu, Personen und Ereignisse. Alles tipptopp made in Babelsberg. Aber des Berliner Volkstums fühlest Du keinen Hauch. Das ist sachlich festzustellen. Ein Volksstück kann man nicht austüfteln, das muß aus dem Innern heraus geschaffen werden.

Paul Martin hat Blick und Gefühl für filmische Möglichkeiten. Er komponiert ein Wohnwagen-Idyll bis auf die letzte Note durch, er geht mit Phantasie an die Darstellung einer geträumten Amerikafahrt, im Pullmann über den Meeresboden des Atlantic, und er gestaltet überzeugend die tausend Ängste einer Engagementswütigen, die vorsprechen und vorsingen muß.

Der starke Erfolg, den der Film bei seiner gestrigen Premiere hatte, geht in erster Linie auf das Konto der Darsteller. Lilian Harvey, Willy Fritsch und Willi Forst in einem Vorspann, darauf haben die zahllosen Verehrer dieser drei Publikums-Lieblinge schon lange gewartet. Zu allem Überfluß spielt noch in dem Film ein entzückendes Hundevieh eine dankbare und wichtige Rolle. Ihm gehört auch die Schlußpointe, die in spontanen Beifall überleitet.

Lilian Harvey, die nach Hollywood Verpflichtete, parodiert in diesem Film gleichsam ihren Amerika-Trip. Es hat einen besonderen Reiz zu wissen, daß dieses kleine, blonde Persönchen mit seiner Tanzbesessenheit und seinem eigenwilligen Köpfchen das große Los gezogen hat, das in diesem Film nicht zur Verteilung gelangt. Die Harvey macht wieder einmal alles Mögliche: Sie fährt Rad und tanzt Seil, sie ist entsagend zärtlich, ihr Tanz vor dem allmächtigen Hollywood-Direktor ist in seiner gekrampften Zerfahrenheit erschütternder, als es viele Worte sein können. Paul Martin läßt sie gleichsam um ihr Leben tanzen.

Die beiden Willys können sich ungestört entfalten. Der Regisseur sorgt dafür, daß keiner zu kurz kommt. Sie sind beide sympathisch, Fritsch in seiner bürgerlichen Anständigkeit und Forst als Bruder Leichtfuß in allen Lebenslagen. Wenn sie nebeneinander durch die Straßen gondeln, geben sie ein schönes Bild treuer Freundschaft, wie es Pommer schon einmal in der "Tankstelle" als Leitmotiv für einen Film anwandte.

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