Losers and Winners

Deutschland 2004-2006 Dokumentarfilm

Losers and Winners

Vom Ende einer Kokerei im Ruhrgebiet



Von Silvia Hallensleben, epd Film, Nr. 3, 2007

Gute Dokumentarfilmer brauchen Interesse und Aufmerksamkeit, viel Ausdauer und das Glück, zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein. Und natürlich die Fähigkeit, diesen "richtigen Augenblick" auch zu wittern. Ulrike Franke und Michael Loeken ("Soldatenglück und Gottes Segen", 2003) hatten nach einigen gemeinsamen Filmen genug Erfahrung, um das Potenzial der Geschichte sofort zu spüren, die ihnen einen Tages fast nebenbei über den Weg lief: Nicht nur, dass die Demontage der Dortmunder Kokerei Kaiserstuhl und ihr Abtransport nach China die gegenwärtigen Umbrüche auf dem Weltmarkt wie in einem Brennglas zu bündeln schien. Die kurzfristige hochkonzentrierte Anwesenheit von 400 chinesischen Abbrucharbeitern auf dem ehemaligen Werksgelände in Dortmund schuf auch eine einmalig verdichtete dramatische Situation.

Erstaunlicherweise waren diesmal auch die Drehgenehmigungen problemlos zu bekommen, deren Fehlen vielen anderen Filmvorhaben allzu früh den Garaus macht. Die Filmemacher wurden sogar mit Werksausweisen ausgestattet, mit denen sie das Gelände besuchen konnten, wann und wo immer sie wollten. Die beiden nutzten ihre Freiheit, um vorsichtig das Vertrauen zu den Menschen aufzubauen, die in ihrem Film die Hauptrolle spielen sollten. Insgesamt anderthalb Jahre beobachteten sie die fortschreitenden Abrissarbeiten an der Kokerei, die bei ihrer Errichtung 1992 die modernste der Welt war. Auch als Kaiserstuhl acht Jahre später stillgelegt und dann an die chinesische Handelsfirma Famous Industrial verkauft wird, ist sie immer noch hochmodern. Doch die Weltmarkt-Kokspreise sind so weit unten, dass die deutschen Stahlkocher ihren Stoff lieber aus China und Polen beziehen. So ist die Demontage von Kaiserstuhl auch ein weiterer Schritt im Abbau traditioneller deutscher Arbeiterkultur im Ruhrpott. Die ehemaligen Kokerei-Arbeiter, die jetzt als Aufseher ihre eigene Abwicklung begleiten müssen/dürfen, wissen das genau, doch sie verstecken ihre Verletzungen hinter Arroganz ("Die kriegen das doch nie wieder aufgebaut...") und bürokratischen Schikanen. Doch die Chinesen müssen nur warten, bis die "alten Ausländer" ihre täglichen acht Stunden abgearbeitet haben, um nach eigenem Gusto loszulegen.


Müde gewordener Facharbeiterstolz gegen den Hunger einer jungen, aufstrebenden Gesellschaft. Deutsche Ich-trink-jetzt-erstmal"n -Kaffee-Gemütlichkeit gegen nationalistisch aufgeladenen Kader-Kapitalismus: Selbstverständlich produzieren die kulturellen Eigenarten und Missverständnisse auch jede Menge ziemlich komische Momente. Aber sind es nicht auch die üblichen Klischees? Eine kurze Weile könnte man vielleicht meinen, dass "Losers and Winners" sich seinen Witz etwa auch auf Kosten billiger Anti-Sozialstaats-Klischees erkauft. Doch dann kommt ein chinesischer Arbeiter bei einem Absturz fast ums Leben; und schon erscheinen die vorher vielleicht von manchem im Publikum belächelten deutschen Sicherheitsvorkehrungen - bei allen bürokratischen Exzessen - als das, was sie eigentlich sind, nämlich mühsam erkämpfte Errungenschaft einer Arbeiterbewegung, wie sie die dynamischen Schnellarbeiter hinter ihren pseudo-kommunistischen Mao-Parolen eigentlich bitter benötigten. Ein Beispiel von vielen nur. Denn auch sonst ist es den Filmemachern vor allem durch ihr genaues geduldiges Hinschauen gelungen, die Widersprüchlichkeiten der großen Weltlage immer wieder mit neuen Fragen und Argumenten zu füttern und dabei nie den Blick auf das Konkrete zu verlieren. Übrigens: Drei Jahre nach Stilllegung von Kaiserstuhl sind die Kokspreise so explodiert, dass jetzt über neue Kokereien im Ruhrgebiet nachgedacht wird.

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