Digitalisierung des Filmerbes: Die Position des Kinematheksverbundes

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Die Mitglieder des Kinematheksverbundes – Bundesarchiv, Deutsche Kinemathek - Museum für Film und Fernsehen und Deutsches Filminstitut – begrüßen die Fortsetzung der Anstrengungen zur Digitalisierung des Filmerbes.

Die für 2016 erneut aufgelegte Digitalisierungsförderung der BKM sowie das Programm der FFA, beide mit jeweils 1 Mio. € dotiert, können dabei nur der erste Schritt sein. Für die Zugänglichmachung und Sicherung des analogen Filmerbes bedarf es einer langfristigen und nachhaltigen Perspektive. Die Kostenschätzung, die PricewaterhouseCoopers (PwC) vorgelegt haben, gibt dafür einen Rahmen vor. Die konkrete Ausgestaltung eines zukünftigen Programms ist dabei noch offen. Die Mitglieder des Kinematheksverbundes formulieren daher nun in ihrem Positionspapier ihren Vorschlag zur Ausgestaltung der notwendigen Digitalisierungsmaßnahmen.

Digitalisierung des Filmerbes:
Die Position des Kinematheksverbundes

Die Mitglieder des Kinematheksverbundes – das Bundesarchiv, Koblenz und Berlin, die Deutsche Kinemathek, Berlin, und das Deutsche Filminstitut, Frankfurt am Main, die gemeinsam die Aufgaben einer zentralen deutschen Kinemathek erfüllen, – begrüßen die politischen Initiativen zur Digitalisierung des Filmerbes. Insbesondere unterstützen sie die von der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien, Staatsministerin Monika Grütters, sowie der Filmförderungsanstalt (FFA) bisher aufgelegten Programme und die aktuellen Bemühungen, diese sowohl zu verstetigen wie in ihrem Umfang deutlich auszuweiten.

Dies entspricht den Positionen, die der Koordinierungsrat des Kinematheksverbundes in den letzten Jahren formuliert hat. Im Koordinierungsrat unter dem Vorsitz der Deutschen Kinemathek arbeiten neben den genannten Vollmitgliedern auch die kooptierten Mitglieder (Filmerbe-Einrichtungen aus München, Stuttgart, Düsseldorf, Hamburg und Potsdam) sowie die beiden Gäste Friedrich Wilhelm Murnau Stiftung, Wiesbaden, und DEFA-Stiftung, Berlin, zusammen.

Die drei Mitglieder des Kinematheksverbundes stimmen auch in vielen Punkten der von PwC im Auftrag der Filmförderungsanstalt vorgelegten Präsentation "Digitalisierung des Filmerbes" zu. Insbesondere unterstützen sie, dass das vom Koordinierungsrat des KV formulierte "Drei Säulen Modell" hier übernommen wurde. Es sieht die gleichberechtigte Förderung der Digitalisierung des deutschen Filmerbes aus wirtschaftlichen, konservatorischen und kuratorischen Gründen vor. Dieses Modell wurde seitens des Vorsitzenden des Kinematheksverbundes sowohl der von der FFA einberufenen Arbeitsgruppe Digitalisierung wie auch der FFA-Kommission für Innovation und Strukturfragen vorgestellt und dort mit Zustimmung aufgenommen. In Beratungen mit Vertretern der filmtechnischen Betriebe konnte zudem Einigkeit über die jeweiligen Qualitätsanforderungen für eine Digitalisierung erzielt werden. Dabei wird davon ausgegangen, dass die Qualität des filmischen Ausgangsmaterials die notwendige Digitalisierungsqualität bestimmt.

In Beratungen mit PwC konnte zudem Einigkeit über die notwendigen Priorisierungskriterien erzielt werden. Diese sind in der PwC-Präsentation dokumentiert.

Auf dieser Grundlage hält es der Kinematheksverbund für geboten, die von PwC ermittelten finanziellen Voraussetzungen – ein Programm mit Digitalisierungsmitteln von 10 Millionen € jährlich, mit einer Laufzeit von 10 Jahren – möglichst umgehend zu schaffen. Ziel sollte es sein, dass mit dem Jahr 2017 dieses Programm wirksam werden kann.

Dabei geht der Kinematheksverbund davon aus, das 1/3 der Summe für Digitalisierungen aufgrund wirtschaftlicher Auswertungsperspektiven zur Verfügung steht. Dies sollte auf den Erfahrungen des FFA-Programms "Digitalisierung des deutschen Filmerbes" aufbauen und von der FFA vergeben werden.

Weiterhin sollten je 1/3 der Förderung für Digitalisierungen aufgrund konservatorischer Notwendigkeit sowie kuratorischer Entscheidung zur Verfügung stehen. Grundsätzlich soll es dabei keine Digitalisierung geben, die lediglich auf die digitale Sicherung des Ausgangsmaterials zielt. Vielmehr ist angestrebt, dass auch die im Rahmen der aus konservatorischen Gründen (wegen der Fragilität des Ausgangsmaterials) durchgeführten Digitalisierung eine Qualität erreicht wird, die die Zugänglichkeit der Filme für jegliche Nutzung einschließlich der Nutzung im Kino ermöglicht.

Denn die Zugänglichkeit und die Sichtbarmachung des Filmerbes sind das Ziel der Digitalisierungsinitiative.

Eine Digitalisierung und Speicherung der Daten ohne Zugangsmöglichkeit durch die Öffentlichkeit läuft der Aufgabenstellung zuwider. Die Fertigung von digitalen Ansichtsmaterialien und von digitalen Kino-Vorführkopien ist unverzichtbar. Dies ergibt sich auch aus dem Postulat der drei Archivierungskriterien, wie sie im PwC-Papier genannt werden. Zumindest den Kategorien "kommerziell" und "kuratorisch" ist immanent, dass Benutzungsmaterialien gebraucht werden. Bei dem Kriterium "konservatorisch" kann überlegt werden, hochwertige Projektionsmaterialien (z. B. DCP) erst 'on demand' herzustellen, eine Möglichkeit der Sichtung in Preview Qualität ist aber wie in den anderen Fällen ebenfalls notwendig.

Der Kinematheksverbund widerspricht in diesem Zusammenhang geschlossen jeder Überlegung, mit der Digitalisierung eine Vernichtung des filmischen Ausgangsmaterials zu verknüpfen. Es herrscht bei den Mitgliedern des Kinematheksverbunds Einigkeit darüber, dass die analoge Überlieferung weiterhin zu erhalten ist. Ebenso einhellig wird kritisiert, dass die Herstellung von Benutzungsstücken in dem PwC-Gutachten bislang völlig außer Acht gelassen wird.

Der Originalerhalt ist eine zentrale Aufgabe, die generell für alle Archivaliengattungen, Schriftgut, Fotografien, Karten, Bücher, Urkunden und eben auch für Filme gilt.
Archive und Bibliotheken beteiligen sich aktiv an der Digitalisierung von Kulturgut, um die wertvolle Überlieferung besser sichtbar und für die Kultur, Wissenschaft und Bildung leichter zugänglich zu machen.
Auch können Nutzungsschäden an fragilen Originalen durch die Nutzung von Digitalisaten verhindert oder reduziert werden. Die Digitalisierung kann jedoch den Originalerhalt nicht ersetzen. Soweit es technisch möglich und zulässig ist, sind Originale, auch von Filmen, dauerhaft zu erhalten.

Der Kinematheksverbund sieht bezogen auf die konservatorischen und kuratorischen Gesichtspunkte drei Handlungsfelder als entscheidend an, wobei vorausgesetzt wird, dass die aufgrund einer kommerziellen Auswertungsperspektive zu digitalisierenden Filme im Rahmen des Gesamtprogramms durch die FFA betreut und verwaltet werden:

1.  Was soll digitalisiert werden?

DIF, SDK und Bundesarchiv als Kernmitglieder des Kinematheksverbunds (KV) gehen davon aus, dass – vor dem Hintergrund des Axioms des vorrangigen Originalerhalts – grundsätzlich alle zum Filmerbe gehörenden Filme digitalisiert werden sollen. Diese langfristige Perspektive wird in einem ersten Schritt nach dem von PwC vorgeschlagenen Programm nach Maßgabe der im Papier aufgeführten Kriterien des Priorisierung angegangen. Prinzipiell ist jedoch festzuhalten, dass in Archiven verwahrte Filmwerke bereits eine Auswahl darstellen – ihre Archivwürdigkeit ist festgestellt und damit die Forderung formuliert, sie als Kulturgut langfristig zu erhalten. Fraglos ist angesichts der nicht vollständigen Überlieferung in den verschiedenen deutschen Archiven, namentlich des zentralen Filmarchivs, des Bundesarchivs, davon auszugehen, dass außerhalb der Archive – z.B. in Kopierwerken, aber auch individuell bei Produzenten, Regisseuren und anderen Filmschaffenden noch etliche Filmwerke vorhanden sind, denen ebenfalls der Status als Kulturgut zukommt. Diese Filmwerke sollen ebenfalls bei den konservatorischen und kuratorischen Maßnahmen berücksichtigt werden und die Ausgangsmaterialien möglichst langfristig in die Obhut des Bundesarchivs übergehen, da dort die langfristige Erhaltung am besten gesichert werden kann.

Aus Sicht des Bundesarchivs gelten alle Filme, die als Archivgut des Bundes den Status von dauerhaft zu erhaltendem Kulturgut haben, als Werke des Filmerbes. Zu berücksichtigen ist dabei, dass diese Titel weit über den Kreis der eigentlichen Bundesproduktionen hinausgehen. Aus Sicht von DIF und SDK sind hier die Filme gemeint, die aus filmhistorischer und filmwissenschaftlicher Perspektive im engeren Sinne zum nationalen Filmerbe gehören. Dies sind sowohl Titel, deren Ausgangsmaterial in einer der beiden Institutionen überliefert ist wie Titel, für die sie seit Jahrzehnten die Zugänglichkeit gesichert haben.

Es besteht Einvernehmen, dass das übergeordnete Ziel der Digitalisierung die Zugänglichmachung der Filme ist. Damit verbindet sich eine auf die digitale Technik setzende Strategie der Erstellung von Schutz- und Sicherungsdigitalisaten. Diese fallen bei der mit dem Ziel der Zugänglichmachung vorgenommenen Digitalisierung ohnehin an, z.B. als Rohscan.

DIF, SDK und Bundesarchiv werden auf dieser Grundlage zur Planung der Digitalisierung des nationalen Filmerbes eine Priorisierung der Digitalisierungsmaßnahmen vornehmen und dabei alle in Deutschland archivierten Filme ungeachtet der Rechtesituation und des Archivträgers in ihre Überlegungen einbeziehen. Selbstverständlich werden die Vorstellungen anderer filmarchivischer und filmwissenschaftlicher Institutionen angemessen in die Priorisierung einbezogen. Ebenso werden Interessen von Rechteinhabern (Produzenten) bei den konservatorisch zu sichernden Titeln hier bedacht werden.

Die Priorisierung geht also in diesem Kontext sowohl vom Erhaltungszustand (akute Gefährdung), wie von der filmhistorischen Bedeutung der Werke aus. In Ausnahmefällen kann es sinnvoll sein, einen Film lediglich "1 zu 1" zu digitalisieren - nämlich im Fall einer besonderen konservatorischen Gefährdung. Die Erhaltung steht hier im Vordergrund (weil ansonsten ein unwiederbringlicher Verlust droht). Ob darüber hinaus die Herstellung von Sichtungs- bzw. Projektionsmaterialien notwendig ist, wird im Licht der kuratorischen Prioritäten zu prüfen sein. Das Verhältnis der beiden Gesichtspunkte "konservatorisch" bzw. "kuratorisch" ist dabei gleichwertig, wobei davon ausgegangen wird, dass unter den aus konservatorischen Gründen digitalisierten Filmen nur eine Minderzahl nicht bis zu der Stufe Zugänglichkeit bearbeitet werden wird.
Diese Priorisierung wird mindestens jährlich zu überprüfen und ggfs. zu aktualisieren sein.

2.  Wer soll digitalisieren?

Das Bundesarchiv wird grundsätzlich für Materialien, die in seinem Besitz sind, die Verantwortung für die technische Durchführung der Digitalisierung, die dauerhafte Speicherung und (technische) Zugänglichkeit der Digitalisate übernehmen. Derzeit wird im Auftrag des Bundesarchivs ein Wirtschaftlichkeitsgutachten erstellt, das klären wird, in welcher Weise und zu welchen Anteilen die Digitalisierung durch das Bundesarchiv selbst mit einer eigenen Digitalisierungsstrecke bzw. in anderen Teilen durch externe Auftragsvergaben erfolgen soll. Deutsche Kinemathek und Deutsches Filminstitut werden für Materialien, die in ihrem Besitz sind bzw. für die sie Lizenzen zur nicht-kommerziellen Auswertung innehaben, in eigener Verantwortung die Digitalisierung vornehmen. Sie werden dabei sowohl mit Dienstleistern wie mit dem Bundesarchiv zusammenarbeiten.

Weitere Rechteinhaber, wie Murnau-Stiftung oder DEFA-Stiftung, aber auch andere Filmerbeinstitutionen und Produzenten, sollen im Kontext dieses Programms ebenfalls Titel benennen können, die aus konservatorischen bzw. kuratorischen Gründen prioritär digitalisiert werden sollen. In Fällen, in denen eine wirtschaftliche Auswertungsperspektive vorliegt, sind diese Filme allerdings im Rahmen des von der FFA verantworteten Programms zu digitalisieren.

Die Entscheidung über Digitalisierungsprojekte der konservatorischen Säule soll von einem Gremium getroffen werden, das aus den drei Mitgliedern des Kinematheksverbunds besteht.
Die Entscheidung über Digitalisierungsprojekte der kuratorischen Säule soll von einem Gremium getroffen werden, in das die drei Kinematheksverbundsmitglieder, die BKM und die Länder je einen Vertreter entsenden.
Um hier die notwendige Transparenz herzustellen, werden sämtliche beantragten und abgeschlossenen Digitalisierungen aller drei Säulen laufend auf der Internet-Plattform filmportal.de dokumentiert und veröffentlicht.

3.  Wie soll digitalisiert werden?

Ausgangspunkt aller Überlegungen ist, dass keine höhere Digitalisierungsqualität angestrebt werden darf als dies vom Ausgangsmaterial her gerechtfertigt ist. Als Faustregel gilt dabei: bei einem Originalnegativ ist die Digitalisierung in 4k vorzunehmen, bei 35mm Kopien späterer Generation oder bei einem 16mm-Originalnegativ in 2k etc. Hier gelten die mit den filmtechnischen Betrieben formulierten Parameter als Richtschnur.

Bezüglich des Fehlens allgemeiner internationaler Standards wird das Bundesarchiv in Kooperation mit DIF und SDK Parameter definieren, die als state of the art angesehen werden können. Dabei werden die Besprechungen am "runden Tisch" der FFA zu diesem Thema, die sich mit den technischen Charakteristika von Belegkopien bei der Förderung der Digitalisierung von Content und der Förderung der Digitalen Produktion von Filmen generell beschäftigten, genauso berücksichtigt werden, wie die Entwicklung der nationalen und internationalen Standardisierung ständig beobachtet und ggfs. bei der Parameterdefinition berücksichtigt werden wird.

Berlin, 10. Dezember 2015

Quelle: Kinematheksverbund

Das Positionspapier als pdf