Berlinale 2024: Formen des Wir bei den Berlinale Shorts

Im Wettbewerb der Berlinale Shorts treten 20 Kurzfilme miteinander in Dialog und reflektieren den Status quo unserer Welt. Zarte Bleistiftzeichnungen treffen auf eigenwillig erzählte Fiktionen, persönliche Essays auf hyperrealistische Computeranimationen, absurder Humor auf kritische Analyse.

 

Der Kapitalismus wird auf der Arche Noah hinterfragt ("We Will Not Be the Last of Our Kind") und in einem pinkfarbenen Sumpf versenkt ("Pacific Vein"), der Wirtschaftskrise in Argentinien begegnet man mit trockener Ironie ("Un movimiento extraño") und die Monarchie möchte sich am liebsten selbst abschaffen ("Preoperational Model"). Tiere verweigern sich jeglicher Cuteness ("Preoperational Model", "We Will Not Be the Last of Our Kind") und bevorzugen ein Leben im Untergrund ("Les animaux vont mieux"). Das Persönliche reagiert auf das Politische und fragt sich: Prägt die Stadt ihre Bewohner*innen oder ist es umgekehrt ("Stadtmuseum / Moi Rai")? Welche Verantwortung trägt der*die Einzelne angesichts des Krieges ("Ungewollte Verwandtschaft")? Und wie sieht ein Leben aus, das sich von natürlichem Licht abgeschottet hat ("The Moon Also Rises")?

Erinnerungen kommen auf: an eine freie Gesellschaft, die es so nicht mehr gibt ("City of Poets"), an ein vergangenes Lebensgefühl innerhalb der Familie ("Re tian wu hou"), die eigene Krebserkrankung im Kindesalter ("Kaalkapje"), die erste Liebe ("Jing guo") oder einen verstorbenen Freund ("Oiseau de passage"). Fremde gehen ein Stück ihres Weges gemeinsam ("Kawauso"), werden zur Schicksalsgemeinschaft ("Circle", "Tako Tsubo") oder sind einander eine vorübergehende Stütze ("Adieu tortue", "Shi ri fang gu", "That’s All From Me"). Auch in einer komplexen Welt ist es möglich, einen Platz für sich zu finden ("Al sol, lejos del centro").

"Manchmal brauchen wir die Fiktionen von Künstler*innen, um Visionen für unsere herausfordernde Realität entwickeln zu können. Ein vorgelebtes Beispiel – sei es im Freundeskreis, in der Kunst, auf der Kinoleinwand – kann helfen, den Kompass für das eigene Handeln auszurichten", so Sektionsleiterin Anna Henckel-Donnersmarck. "Viele der Filme, die im letzten Jahr entstanden sind – einem Jahr, geprägt von Kriegen, Konflikten und sich verhärtenden Fronten auf allen Seiten -, widmen sich bestimmt auch deshalb den Fragen: Wie wollen wir aufeinander zugehen, wie miteinander umgehen und füreinander da sein, wie einander verzeihen?"

Sechs der ausgewählten Filme sind von Regisseur*innen, die bereits in der Vergangenheit mit ihren Filmen bei Berlinale Shorts vertreten waren: Ulu Braun (2013, 2014, 2015, 2018, 2021), Akihito Izuhara (2010, 2012, 2016), Joung Yumi (2013, 2022) und Mili Pecherer (2020) sind ihrem jeweils unverkennbaren Animationsstil treu geblieben, Eva Könnemann (2019) hat erneut scheinbar Autobiografisches und Poetisches miteinander verwoben. Yuyan Wangs diesjährige Arbeit hingegen ist ihrem 2020 präsentierten Film diametral entgegengesetzt.

Die 14 Weltpremieren und sechs internationalen Premieren sind für den Goldenen Bären für den Besten Kurzfilm und den Silbernen Bären Preis der Jury (Kurzfilm) nominiert. Außerdem wird der Berlin Short Film Candidate for the European Film Awards ausgewählt. Die Preisträger*innen werden von einer dreiköpfigen, internationalen Jury bestimmt und während der offiziellen Preisverleihung am 24. Februar bekanntgegeben.

Auf dem Blog der Berlinale Shorts werden Interviews mit den Filmemacher*innen und Texte zu ihren Filmen zu finden sein.

Quelle: www.berlinale.de