Berlinale 2021: Silberne Bären für Maria Speth und Maren Eggert

Die Mitglieder der Internationalen Jury - Ildikó Enyedi (Ungarn), Nadav Lapid (Israel), Adina Pintilie (Rumänien), Mohammad Rasoulof (Iran), Gianfranco Rosi (Italien) und Jasmila Žbanić (Bosnien und Herzegowina) – haben über die Preise im Wettbewerb entschieden.

 

Goldener Bär für den Besten Film (an die Produzent*innen):

"Babardeală cu bucluc sau porno balamuc" ("Bad Luck Banging or Loony Porn")
von Radu Jude (Rumänien / Luxemburg / Kroatien / Tschechische Republik)
produziert von Ada Solomon

Jury-Begründung:
"Der Goldene Bär geht an einen Film, der die seltenen und grundlegenden Eigenschaften eines beständigen Kunstwerks besitzt. Es fängt auf der Leinwand den eigentlichen Gehalt, die Quintessenz, Geist und Körper, die Wertvorstellungen und das nackte Fleisch unseres gegenwärtigen Augenblicks ein. Genau dieses Augenblicks menschlichen Daseins. Er tut das, indem er den Zeitgeist heraufbeschwört, ihn ohrfeigt, zum Duell herausfordert. Und damit hinterfragt er auch den gegenwärtigen Zeitpunkt im Kinofilm, indem er mit derselben Kamerabewegung unsere gesellschaftlichen und filmischen Konventionen erschüttert. Es ist ein kunstvoll ausgearbeiteter Film, der zugleich ausgelassen ist, intelligent und kindisch, geometrisch und lebendig, auf beste Art ungenau. Er greift die Zuschauer*innen an, ruft Widerspruch hervor, und erlaubt doch niemandem, Sicherheitsabstand zu halten."

Silberner Bär Großer Preis der Jury:

"Guzen to sozo" ("Wheel of Fortune and Fantasy")
von Ryusuke Hamaguchi (Japan)

Jury-Begründung:
"Dort, wo Dialoge und Wörter für gewöhnlich aufhören, fangen die Dialoge dieses Films erst an. Hier gehen sie in die Tiefe, so tief, dass wir uns erstaunt und besorgt fragen: Wieviel tiefer geht es noch? Hamaguchis Wörter sind Materie, Musik, Werkstoff. Zunächst sieht es fast unbedeutend aus: Ein Mann und eine Frau, manchmal zwei Frauen, stehen in einem Raum mit weißen Wänden. Dann kommt die Szene in Bewegung, und während sie sich entwickelt, fühlt man, dass das ganze Universum, einschließlich man selbst, dort zusammen mit ihnen in diesem einfachen Raum steht."

Silberner Bär Preis der Jury:

"Herr Bachmann und seine Klasse" ("Mr Bachmann and His Class")
von Maria Speth (Deutschland) - Dokumentarische Form

Jury-Begründung:
"Im Film kann man die Aufmerksamkeit auf grundlegende Probleme lenken, indem man den Finger auf die Wunde legt, oder indem man Zuversicht zeigt und Anregungen gibt, wie eine positive Veränderung bewirkt werden kann. Die Regisseurin dieses einfühlsam-kraftvollen Dokumentarfilms hat sich für letztere Strategie entschieden. Der Film behält immer den richtigen Abstand in seiner Konzentration auf einen der 'Außendienstmitarbeiter' unserer Gesellschaft, der für die prägendsten Jahre unserer Kinder bestimmend ist und ihre Lebenseinstellung nachhaltig beeinflusst. Aus der Perspektive der Regisseurin beobachtet ist dieser Lehrer einzigartig: er gestaltet ein System in der Krise – unser europäisches Bildungssystem – um, federt es ab, macht es menschlicher, und diese Menschlichkeit macht es viel wirksamer. Der Film zeigt, wie weit man es allein mit echtem Respekt, offenem Austausch und dem Zaubertrick bringen kann, den alle großartigen Lehrer*innen beherrschen: sie entfachen das Feuer der Leidenschaft in ihren Schüler*innen, indem sie ihre Fantasie anregen."

Silberner Bär für die Beste Regie:

Dénes Nagy für "Természetes fény" ("Natural Light")
(Ungarn / Lettland / Frankreich / Deutschland) - Debütfilm

Jury-Begründung:
"Beängstigende und wunderbar gefilmte, hypnotisierende Bilder; eine beeindruckende Regiearbeit und meisterhafte Steuerung jeder einzelnen Komponente des Filmkunsthandwerks; eine Erzählung, die über ihren geschichtlichen Zusammenhang hinausweist. Das Abbild eines Krieges, bei dem der aufmerksame Blick des Regisseurs uns erneut daran erinnert, dass wir uns zwischen Passivität und dem Übernehmen persönlicher Verantwortung entscheiden müssen."

Silberner Bär für die Beste Schauspielerische Leistung in einer Hauptrolle:

Maren Eggert in "Ich bin dein Mensch" ("I'm Your Man")
von Maria Schrader (Deutschland)

Jury-Begründung:
"Ihre Präsenz machte uns neugierig, ihr Charme sensibel. Und ihre breite schauspielerische Palette ließ uns fühlen, lachen und Fragen stellen. Mit Unterstützung ihrer wunderbaren Kolleg*innen und ihrer Regisseurin erfüllte sie ein ausgezeichnetes Drehbuch selbstbewusst mit Leben und erschuf eine unvergessliche Figur, mit der wir uns identifizieren können – was uns dazu bringt, über unsere Gegenwart und unsere Zukunft nachzudenken, über unsere Beziehungen und darüber, was wir wirklich im Leben wollen."

Silberner Bär für die Beste Schauspielerische Leistung in einer Nebenrolle:

Lilla Kizlinger in "Rengeteg - mindenhol látlak" ("Forest - I See You Everywhere")
von Bence Fliegauf (Ungarn)

Jury-Begründung:
"Unter den vielen herausragenden Kleinstdarstellungen in "Forest - I See You Everywhere" fanden wir eine besonders überzeugend und einprägsam. Auf ihren jungen Schultern trägt Lilla Kizlinger eine außergewöhnliche Verantwortung mit Anmut und einer täuschend natürlichen Lockerheit. Allein durch die Kraft ihrer Interpretation und ihre intensive Präsenz zieht sie die verdeckten Ebenen der Szene an die Oberfläche und definiert damit genau genommen den Anlass hinter dem Film: die unheimliche Bedrohung dieser Welt, das Erbe, das wir Erwachsenen den Kindern von heute überlassen. Statt uns etwas zu erzählen, es uns zu erklären, bewältigt sie die viel schwierigere Aufgabe, in uns das Bedürfnis zu wecken, über die drängenden, beunruhigenden Fragen unserer Gegenwart nachzudenken. Sie hat uns bezaubert, und mit diesem Bezaubertsein hat sie uns zum Nachdenken angeregt."

Silberner Bär für das Beste Drehbuch:

Hong Sangsoo für "Inteurodeoksyeon" ("Introduction")
von Hong Sangsoo (Südkorea)

Jury-Begründung:
"Dieses Drehbuch schafft mehr, als eine Geschichte zu erzählen oder die Handlung effizient voranzutreiben, indem es jene flüchtigen Zwischenräume zwischen einer Handlung und der nächsten herstellt, in denen, für einen Augenblick, eine verborgene Wahrheit des menschlichen Lebens unversehens offenbart wird, hell und klar."

Silberner Bär für eine Herausragende Künstlerische Leistung:

Yibrán Asuad für die Montage von "Una película de policías" ("A Cop Movie")
von Alonso Ruizpalacios (Mexiko) - Dokumentarische Form

Jury-Begründung:
"Der Silberne Bär für eine Herausragende Künstlerische Leistung geht an das meisterhafte Montagekonzept eines gewagten, innovativen Kinowerks, das die Grenzen zwischen Fiktion und Realität verschwimmen lässt und mutig die Fähigkeit der Filmsprache erforscht, unsere Sicht auf die Welt zu verändern. Die Montage spielt eine wesentliche Rolle bei der Untermauerung der einzigartigen Vision des Filmemachers, indem sie die zahlreichen Ebenen von Realität und Sprache gekonnt dekonstruiert, um einen detaillierten, nachdenklich stimmenden Einblick in eine der umstrittensten Institutionen Mexikos zu gewähren."

Die feierliche Preisverleihung wird beim Summer Special (9.-20. Juni 2021) stattfinden.

Quelle: www.berlinale.de