Verlockung

DDR 1984/1985 TV-Spielfilm

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Heinz17herne
Heinz17herne
Reger Betrieb in den der Öffentlichkeit nicht zugänglichen Räumen der Grünstedter Post. Während vorn eine Mitarbeiterin ausgehende Briefe wie am Fließband stempelt, werden im Hintergrund aus großen Beuteln, wie bei der Post die Säcke genannt werden, einkommende Sendungen in die Fächer der einzelnen Zustellbezirke verteilt. Das Arbeitstempo ist hoch, jeder Handgriff sitzt. Und dann das: ein blonder junger Mann kommt ‘mal wieder zu spät zum Dienst. Und hält auch noch eine in etwa gleichaltrige Kollegin von ihrer Arbeit ab, indem er ihr nicht nur aus der Ferne schöne Augen macht, sondern auch ein Geschenk mitgebracht hat.

„Fünf Minuten vor der Zeit ist des Soldaten Pünktlichkeit“: Den Spruch seines Großvaters hat sich Sven Seidel, Postangestellter in der dritten Generation, nicht zu eigen gemacht. Was allerdings vor allem an seinem Vater, dem Potsdamer Oberpostrat Wolfgang Seidel, liegt, der für das künstlerische Talent seines Sohnes, das er als „Puppenkram“ abtut, keinen Blick hat und ihn zum Postdienst verpflichtete – aus Familientradition. „Püppchen drehen“ auf der Hand-Töpferscheibe könne er höchstens als Hobby durchgehen lassen, stellt der Vater klar: „Seidels waren immer auf der Post.“ Sein Filius soll im Anschluss an die Ausbildung studieren.

Dass Sven talentiert ist, beweist eine wunderschöne Tonfigur, die er Monika Reuter schenkt in der – vergeblichen – Hoffnung, dass sie sich seinetwegen von ihrem um einiges älteren Freund, dem Postfahrer Lothar Ebert, trennt. Die erstaunlich lebensnahe Porträtbüste, in Ermangelung eines Brennofens sehr fragil, geht prompt zu Bruch, als sich Monika zu sehr von Sven bedrängt fühlt. Immerhin spendet Gerhard Frohberger, als Postamtsleiter in Grünstedt sein Vorgesetzter, Trost: „Du bist ja begabt!“ stellt er erstaunt fest und verspricht Sven einen von ihm nicht mehr benötigten Brennofen, der in einer Kammer seiner über der Poststelle liegenden Dienstwohnung verstaubt.

Derweil fahndet Hugo Zander, der erfahrenste Postangestellte, nach einem „Wert“ aus Neuendorf. Der ordnungsgemäß auf den Weg gebracht wurde, wie der dortige
Postamtsleiter und sein „Abfertiger“ versichern. Aber nicht im Beutel gefunden worden ist, welchen der Fahrer Ebert aufgrund einer Verspätung nur an der Rampe abgelegt hat, statt ihn persönlich abzuliefern. Weshalb nun die Volkspolizei ermittelt in Person von Hauptmann Peter Fuchs und Leutnant Berger.

Hugo Zander gerät in Verdacht, sowie, da aufgrund privater Papierentsorgung beim Altstoffhandel vorbestraft, der Fahrer Ebert, der in eine Kfz-Werkstatt zwangsversetzt wird. Doch es war Sven, der die 10.000 Mark aus der Wertsendung genommen und hinter einer Rohrverkleidung in Frohbergers Bad versteckt hat, wie er seiner Mutter Elke beichtet. „Dann riskier` mal was!“ hatte sie ihm geraten, nachdem er ihr von seinen Problemen mit Monika erzählte. Sven hat diese Aufforderung missverstanden – und will nun alles wieder rückgängig machen.

Weil an das Versteck nicht so einfach heranzukommen ist, bestellt Elke Seidel, die bei der Produktionsgenossenschaft des Handwerks (PGH) Aufbau in leitender Position beschäftigt ist, eigenmächtig ein Gerüst für die lange überfällige, aber noch nicht im Plan berücksichtigte Fassadensanierung des Grünstedter Postgebäudes. „Wir können doch Sven nicht auch noch verlieren“ macht sie sich gegenüber ihrem strengen Gatten für den nach einem tödlichen Unfall seines Bruders einzigen Sohn stark: der Junge steigt über das Gerüst in die Dienstwohnung ein, holt das Geld und Vater Wolfgang sorgt dafür, dass die verschwundene Wertsendung als „Fehlleitung“ wieder in den Post-Kreislauf zurückkehrt. Bei der Ausführung kommt es jedoch zu einem folgenschweren Unfall…

„Flucht vor der Verantwortung ist keine Lösung“ resümiert Hauptmann Peter Fuchs am Ende eines tragischen Falls, der immerhin für einen Protagonisten halbwegs glimpflich ausgeht, indem sein Selbstmordversuch scheitert. Die 100. Folge der Reihe „Polizeiruf 110“ setzt sich kritisch mit tradierten, selbst im real existierenden Sozialismus festgezurrten bürgerlichen Lebensentwürfen auseinander. „Jedes Versagen fällt auf mich zurück“: Wolfgang Seidel nahm seinen Sohn Sven, der sich innerlich längst von ihm abgewandt und in Gerhard Frohberger als väterlichen Freund und Förderer Ersatz gefunden hat, in Sippenhaft. Auch Elke Seidel trägt eine gehörige Portion Mitschuld, nachdem sie ihre ganze mütterliche Fürsorge nach dem Verlust eines Sohnes auf das ihr verbliebene Kind fokussierte.

Pitt Herrmann

Credits

Drehbuch

Kamera

Schnitt

Darsteller

Alle Credits

Regie-Assistenz

Drehbuch

Dramaturgie

Kamera

Kamera-Assistenz

Plastiken

Kostüme

Schnitt

Mischung

Darsteller

Produktionsleitung

Dreharbeiten

    • 15.10.1984 - 15.12.1984: Berlin-Köpenick und Umgebung, Potsdam, Henningsdorf, Königs Wusterhausen
Länge:
79 min
Format:
35mm, 1:1,33
Bild/Ton:
Orwocolor, Mono
Aufführung:

Uraufführung (DD): 29.09.1985, DDR-TV

Titel

  • Reihentitel (DD DE) Polizeiruf 110
  • Originaltitel (DD) Verlockung

Fassungen

Original

Länge:
79 min
Format:
35mm, 1:1,33
Bild/Ton:
Orwocolor, Mono
Aufführung:

Uraufführung (DD): 29.09.1985, DDR-TV