Trouble

Deutschland 1992/1993 Spielfilm

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Heinz17herne
Heinz17herne
Berlin in der unmittelbaren Wendezeit. Rockgruppen, Hausbesetzer, überhaupt die ganze linke Szene Kreuzbergs macht mobil zum „alternativen“ Tag der Arbeit am 1. Mai 1991. Weil die Gentrifizierung in den einst im Schatten der Berliner Mauer abgehängten, nun aber plötzlich recht zentral gelegenen Bezirken in vollem Gange ist. Die in einer Wohngemeinschaft lebende kanadische Sängerin Jonnie, Frontfrau der Punk-Rock-Band „Jellobelly“, gibt mit ihrer Mitbewohnerin (Co-Autorin Maureen Kelleher) auf dem inmitten des Szeneviertels SO 36 gelegenen Heinrichplatz ein kleines Open-Air-Konzert, um den Plan, diesen in Rio-Reiser-Platz umzubenennen, zu unterstützen (der nun tatsächlich zehn Jahre später Gestalt annimmt).

Nach dem Zusammenbruch des SED-Regimes entstehen in der einstigen Hauptstadt der DDR quasi über Nacht neue Freiräume, etwa in Kreuzbergs Nachbarkiez Friedrichshain. Als Jonnie sich im „wilden Osten“ umsieht, wird die farbige Sängerin sogleich als „Negerfotze“ beschimpft. Hier sind die Wohnungen billig, weil ohne Komfort mit Kohleofen und häufig noch Toilette auf halber Treppe. An den Hausfassaden bröckelt der Putz, sie strahlen dennoch ein eigenes Flair aus, das im Westen vielfach dem Neubauwahn zum Opfer gefallen ist. Karen (Judy Klassen), die mit Jonnie aus Kanada nach Berlin gekommen ist, hat sich neu verliebt, weshalb Letztere den WG-Platz räumt und in Eriks Bude wechselt. Mit ihm unternimmt sie einen Motorrad-Ausflug ins Ost-Berliner Umland. Erik zeigt ihr seinen Geheimplatz, ein ausrangiertes Flugzeug: vielleicht ließe es sich zu einer Kneipe umfunktionieren.

Jonnie zieht das ungezwungen-bohèmehafte Leben in Kreuzberg der kanadischen Heimat vor, die sie als „Müllplatz der USA“ bezeichnet: Als ziemlich prekärer Brotjob kellnert sie in einer Kellerdisco, sonst ist sie zumeist im „Rockhaus“ anzutreffen, das mehreren Bands Proberäume bietet. Diese drohen nun obdachlos zu werden, weil das Gebäude „für die Bonzen aus Bonn“ luxussaniert werden soll. Nachdem Verhandlungen mit dem Vermieter gescheitert sind, fliegen Steine bei der 1. Mai-Demo in Kreuzberg. Und dann stehen die Proberäume knietief unter Wasser, offenbar eine gezielte Sabotage-Aktion des Eigentümers. TV-Mann Horst Schulte (Martin Peter) verspricht, sich der Sache anzunehmen. „Jellobelly“ gibt ein „Konzert“ in einem entmieteten Gebäude – und landet prompt auf der Polizeiwache. Mit dem Fernsehjournalisten wird eine öffentlichkeitswirksame Aktion besprochen: ein Team um Erik kapert den Übertragungswagen, um sich mit Polit-Parolen gegen rechts in eine Live-Sendung einzuschleichen. Und dann steigt wohl der letzte Gig im „Rockhaus“…

Die kanadische Regisseurin Penelope Buitenhuis ist 1986 mit zwei weiteren Filmemacherinnen aus Vancouver nach West-Berlin gekommen und hat „Trouble“ just in dem besetzten Haus an der Luckauer Straße zwischen Moritz- und Oranienplatz gedreht, in dem sie einst ein erstes Quartier fand. Die innerhalb von nur 21 Drehtagen in West und Ost entstandene Independent-Produktion versammelte vor der Kamera des kanadischen Profis David Frazee keine gelernten Schauspieler, was 1991 auch auf das heutige Urgestein des Grips-Theaters, Christian Giese, in der Rolle des etwas verdrucksten Nickelbrillen-Trägers Richard zutraf.

Wie Jan Gympel, Ko-Kurator der Reihe „Schon wieder Wohnungsnot – Der Kampf ums Dach über dem Kopf“ im November 2021 im Berliner Brotfabrik Kino berichtete, fand der Film keinen Kinoverleih, lief aber trotzdem auf einem Festival in Melbourne und vor der TV-Erstausstrahlung in der ZDF-Reihe „Das kleine Fernsehspiel“ zwei Wochen lang in einem Berliner Kino. Der Berliner Journalist und Filmhistoriker: „‘Trouble‘ zeigt sich hier noch ganz einer Zeit verhaftet, in der nicht nur das Medium Fernsehen eine überragende Bedeutung hatte, sondern auch einzelne Sendungen diese erlangen konnten – Verhältnisse, die Anfang der neunziger Jahre in Deutschland bereits Vergangenheit waren. Vor allem aber steht die größte Pointe am Ende des Abspanns: Dieser Film, der zeigt, wie Widerstand geleistet und endlich einmal die Wahrheit über das ‚Schweinesystem‘ und seine manipulativen Medien verbreitet wird, entstand im Auftrag des ZDF.“

Pitt Herrmann

Credits

Alle Credits

Länge:
87 min
Bild/Ton:
s/w, Ton
Aufführung:

Uraufführung: 23.03.1993, ZDF

Titel

  • Originaltitel (DE) Trouble

Fassungen

Original

Länge:
87 min
Bild/Ton:
s/w, Ton
Aufführung:

Uraufführung: 23.03.1993, ZDF