Step Across the Border

BR Deutschland Schweiz 1987-1990 Dokumentarfilm

Inhalt

Im Dokumentarfilm "Step Across the Border" über den Multi-Instrumentalisten Fred Frith antwortet die freie Montage und die Beobachtungsgabe des Direct Cinema auf die improvisierte Musik seines Protagonisten. Das Filmteam versteht sich ebenso wie die Musiker einer Band als Kollektiv, das gemeinsam am spontanen künstlerischen Ausdruck arbeitet. Über zwei Jahre Drehzeit in Japan, Europa sowie den USA fangen sie Konzertmitschnitte, Interviews und den Alltag unterwegs ein und verbinden sie zu einer rhythmischen Klangreise.

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Heinz17herne
Heinz17herne
Dem am 17. Februar 1949 im Heathfield, East Sussex, geborenen Jeremy Webster „Fred” Frith, seines Zeichens britischer Komponist, Improvisator, Sänger, Multi-Instrumentalist und kalifornischer Hochschullehrer, haben die beiden deutschen Dokumentaristen Nicolas Humbert und Werner Penzel 1990 einen hoch artifiziellen und vielfach ausgezeichneten Film gewidmet, den die renommierte französische Filmzeitschrift „Cahiers du cinéma“ im Jahr 2000 nach einer Kritikerumfrage auf die Liste der 100 wichtigsten Filme der Filmgeschichte gesetzt hat. Er ist nun, frisch restauriert und digitalisiert, am 19. Juni 2025 wieder in unsere Kinos gekommen.

Der 2019 in New York verstorbene litauisch-amerikanische Filmregisseur Jonas Mekas stellt, kaum hat sich Fred Frith auf einer nicht näher gezeigten Unterlage im Sonnenschein gerekelt und einige Songs kurz angesummt, den 1972 vom US-Meteorologen Edward N. Lorenz publizierten Schmetterlingseffekt vor: „Wenn ein Schmetterling irgendwo in China im Wind flattert, beeinflusst das alles andere auf der Welt. Dieses kleine Flattern ist mit allem anderen auf der Welt verbunden. Jede kleinste Aktion, so unbedeutend und unsichtbar sie auch sein mag, ist von diesem Flügelschlag beeinflusst.“

Damit wird die Methodik dieses 90-minütigen Films deutlich, der am 27. September 1990 in den Kinos startete und am 22. Oktober 2000 im hr-Fernsehen des Hessischen Rundfunks erstausgestrahlt wurde: das Prinzip der aus dem Free Jazz stammenden freien musikalischen Assoziation wird auf das Medium Film übertragen, sowohl handwerklich als auch ästhetisch.

Zwischen 1987 und 1990 ist ein kleines Filmteam Fred Frith und seinen Mitstreitern wie Joey Baron, Tim Hodgkinson und Lawrence Wright nach Japan, in die USA und quer durch Europa gefolgt. Nicht nur zu spontanen Sessions und großen Konzerten, sondern auch zu Proben, in Restaurants oder die Trommelmanufaktur von Daihachi Oguchi und Familie. Es geht naturgemäß um Musik, wobei sich Frith keinen Illusionen hingibt, dass (seine) Musik die Welt verändern könnte. Aber auch um die Ansichten zum Verhältnis von Kunst und Gesellschaft so unterschiedlicher Charaktere wie des sowjetischen Filmemachers Andrei Arsenjewitsch Tarkowski oder des französischen Fotografen und „Magnum“-Gründers Henri Cartier-Bresson.

Gesprochen wird wenig, erklärt nichts, aber aufschlussreich gezeigt, das Probieren zu zweit, das Improvisieren auf bayerischen Bierfässern zu dritt oder Privates vom Einkaufen über das Spiel mit dem Kind mit der Rassel bis hin zur Geburtstagstorte. Selbst auf Schalen verteilte asiatische Snacks können im wahren Wortsinn instrumentalisiert werden. Durchgängiges Motiv ist die Bewegung, das Reisen, mit statischer Kamera am Flussufer, am Schienenstrang oder auf den Autoverkehr aus der Vogelperspektive. Oder mit subjektiver Kamera aus dem Zugfenster heraus. Einmal knattert sogar ein Trabi durchs Bild.

Am Ende philosophiert der 2019 in Kanada verstorbene Robert Frank, ein schweizerisch-amerikanischer Fotograf und Filmemacher deutsch-jüdischer Herkunft, an der Tür eines fahrenden Vorortzuges über das Reisen in permanenter, gegenwärtiger Bewegung. „Step Across the Border“ ist also viel mehr als ein Musikfilm – und für die, die sich auf ihn einlassen, ein Ereignis. Auch und gerade 35 Jahre nach der Uraufführung.

Nicolas Humbert und Werner Penzel im Rapid Eye Movies-Presseheft: „In ‚Step Across the Border‘ werden zwei künstlerische Ausdrucksformen, improvisierte Musik und Kinoregie, miteinander verknüpft. In beiden Formen zählt der Augenblick, das intuitive Gespür für das, was in einem Raum geschieht. Musik und Film entstehen aus einer intensiven Wahrnehmung des Augenblicks, nicht aus der Umsetzung eines vorher festgelegten Plans. Bei der Improvisation offenbart sich der Plan erst am Ende. Man findet ihn. Die andere Verbindung betrifft die Arbeitsweise: das Filmteam als Band. So wie Musiker über die Musik kommunizieren, wurde auch unsere Arbeit in einem sehr kleinen, flexiblen Team von Gleichgestellten realisiert. Es ging um Austausch. und Bewegung. Manchmal begannen wir mitten in der Nacht mit dem Filmen als Reaktion auf eine neue Idee, die erst Minuten zuvor aufgekommen war. Wir hatten ein grundlegendes Gefühl dafür, was wir machen wollten, was für ein Film das werden sollte. Und diesem Gefühl sind wir gefolgt. Es war alles sehr instinktiv.“

Pitt Herrmann

Credits

Alle Credits

Dreharbeiten

    • 1987 - 1990: Tokyo, Osaka, Kyoto, Verona, St. Remy de Provence, Leipzig, London, Yorkshire, New York City, Zürich und Bern
Länge:
2370 m, 90 min
Format:
16mm - Blow-Up 35mm, 1:1,66
Bild/Ton:
s/w, Mono
Aufführung:

Uraufführung (CH): 14.01.1990, Solothurn, Filmtage;
Erstaufführung (DE): 11.02.1990, Berlin, IFF - Forum

Titel

  • Originaltitel (DE) Step Across the Border
  • Untertitel A Ninety Minute Celluloid Improvisation

Fassungen

Original

Länge:
2370 m, 90 min
Format:
16mm - Blow-Up 35mm, 1:1,66
Bild/Ton:
s/w, Mono
Aufführung:

Uraufführung (CH): 14.01.1990, Solothurn, Filmtage;
Erstaufführung (DE): 11.02.1990, Berlin, IFF - Forum

Digitalisierte Fassung

Länge:
88 min
Format:
DCP 2k, 1:1,66
Bild/Ton:
s/w, Mono
Aufführung:

Aufführung (DE): 19.06.2025 [Wiederaufführung]

Auszeichnungen

International Film Festival San Francisco 1991
  • Golden Gate Award - Spezialpreis der Jury, Dokumentarfilm
Kommunales Kino Weingarten 1991
  • Goldene Filmspule
Europäischer Filmpreis 1990
  • Lobende Erwähnung
Images & Documents Figuera da Foz 1990
  • Grand Prix International
Hessischer Filmpreis 1990
  • Hessischer Filmpreis, Dokumentarfilm
Uppsala International Short Film Festival 1990
  • Uppsala Filmkaja (1. Preis), Bester Dokumentarfilm