Credits
Regie
Drehbuch
Kamera
Produktionsfirma
Alle Credits
Regie
Drehbuch
Kamera
Ton
Produktionsfirma
Länge:
29 min
Format:
BetaSP
Bild/Ton:
Farbe, Stereo
Titel
- Originaltitel (DE) Stalinallee
- Schreibvariante (DE) Stalin-Allee
Fassungen
Original
Länge:
29 min
Format:
BetaSP
Bild/Ton:
Farbe, Stereo
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An den Wänden verschandeln Plakate oder deren Reste das unter Denkmalschutz stehende Ensemble im sowjetischen Zuckerbäcker-Stil, Neonreklamen künden vom Einzug neuer Geschäfte auf dem Boulevard und die Meißner Porzellanplatten an der Außenfront weisen große Lücken auf. Margarete Petersilie liest aus einem Zeitungsbericht vor, der über die Verlosung von gesuchten, da modern ausgestatteten Wohnungen an freiwillige Aufbauhelfer berichtet. „Wie im Märchen“: Die damals 46-jährige, im Klinikum Buch ganz im Norden der Hauptstadt tätige Krankenschwester gehörte zu den Glücklichen und zahlt seit nunmehr fast vier Jahrzehnten immer noch den ursprünglichen Mietzins von 37,35 Mark.
Historische Schwarzweiß-Fotos vom „1. Nationalen Aufbauprogramm“ der DDR wechseln sich mit aktuellen Farbaufnahmen des Gebäudekomplexes sowie der Gespräche Sven Boecks mit Bewohnern und Zeitzeugen ab. Die Architektin Marion Hendel stellt die Planung zwischen Strausberger Platz und den später errichteten Hochhäusern am Frankfurter Tor vor, Waltraud Volk als Mitarbeiterin der Bauakademie berichtet von einem besonderen Konklave: Alle Planer waren über mehrere Tage in der Sportschule Kienbaum im Brandenburgischen Grünheide „isoliert wie bei der Papstwahl“, da die Zeit der Übergabe des ersten Bauabschnitts zu Stalins Geburtstag am 18. Dezember 1952 äußerst knapp war.
Karl-Heinz Klingbeil, Grafiker in einer am Bau beteiligten Künstlerbrigade, kritisiert, dass Henselmanns Interesse nur der repräsentativen Außenfassade galt, nicht den künftigen Nutzern: hinter den großen „Berliner Fenstern“ gehen Flure und Dielen auf Kosten des Wohnraums. Für den 1949 aus Kriegsgefangenschaft zurückgekehrten Bautischler Rudolf Großmann war das Prestigeprojekt der noch jungen DDR ein Segen: er wurde vom VEB Holzwerk als Baustellenleiter eingesetzt. Manfred Geraschewski, der damals als Reporter des Berliner Rundfunks täglich aus einem eigenen Studio an der Stalinallee berichtete, klärt den Pfusch am Bau bezüglich der teuren Porzellankacheln aus Meißen auf: Weil sich Fliesenleger weigerten, auf die Gerüste in luftiger Höhe zu steigen, mussten Maurer ihre Arbeit übernehmen, bis später ein Kompromiss mit finanziellem Ausgleich unterschiedlicher Tarifgruppen gefunden wurde.
Der italienische Maler und Grafiker Gabriele Mucchi, der zum 17. Juni 1953 die staatstragende Lithografie „Verteidigung der Fahne“ schuf, wundert sich, dass niemand gegen den allmählichen Verfall des Gebäudekomplexes protestiert, den einst ungemein fleißige ziegelsteinklopfende Frauen mit errichtet haben. Margarete Petersilie und mit Lieselotte Flichtbeil eine weitere freiwillige Aufbauhelferin erinnern sich an die Ereignisse des Volksaufstandes am 17. Juni 1953 gegen höhere Arbeitsnormen, der auch auf der Vorzeigebaustelle der Republik Spuren hinterlassen hat.
Die Innenarchitektin Gemma Paulich schließlich lobt die Modernität der Gebäude als „Ausdruck einer sich neu entwickelten Epoche“ und vergleicht den Prestigebau der Stalinallee gar mit der Prachtstraße aus Babylon auf der Berliner Museumsinsel: Er habe das Fundament gelegt für die Menschen, die hier leben sollen.
Immer wieder wird die realistische Dokumentation durch essayistische, schnell geschnittene Bildfolgen zu Architekturdetails aber auch zum rauschenden Verkehr auf der mehrspurigen Allee sowie am Schluss zum Innenleben der Wohnungen bis hin zum blau-goldenen Stalinallee-Kaffeegedeck unterbrochen. Eingebunden sind neben internationalistischem sozialistischem Liedgut überdies per Rolltext ein Gedicht von Bertolt Brecht („An einen jungen Bauarbeiter der Stalinallee“, 1953) und ein Diskussionsbeitrag von Rudolf Herrnstadt zur 2. Parteikonferenz der SED 1952 in Berlin („Die gerechte Sache hat die Eigentümlichkeit zu siegen“).
Ein Sendetermin des Deutschen Fernsehfunks, dessen 1. Programm bereits Mitte Januar 1990 von der ARD einkassiert wurde, während das 2. Programm noch bis Ende 1991 sendete, bis der Plan einer eigenständigen DFF-Länderkette an kurzsichtigen West-Politikern und ehrgeizigen West-Rundfunkanstalten wie NDR und SFB (Sender Freies Berlin) endgültig scheiterte, ist nicht bekannt.
Pitt Herrmann