Laßt mich doch eine Taube sein

DDR Jugoslawien 1989/1990 Spielfilm

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Heinz17herne
Heinz17herne
1943 in Slawonien. Partisanen des jugoslawischen Generals Tito überfallen eine Fähre und töten zwei deutsche Soldaten. Ein Dritter wird schwer verwundet von Hans Sulka zum Standort der Waffen-SS transportiert. Wo er auf seinen Sohn Josef trifft, der es in der Einheit des Kommandeurs Schnitzinger bis zum Oberscharführer gebracht hat. Josef ist ein gefragter Mann, weil er der Landessprache Serbokroatisch mächtig ist: Seine Familie ist seit alters her in den beiden Kulturen daheim, die unter der Habsburger Doppelmonarchie nicht immer konfliktfrei, aber bis zum Attentat auf den Kronprinzen in Sarajewo, das den Ersten Weltkrieg auslöste, zumindest äußerlich in Frieden lebten.

„Jede Rechnung muss einmal bezahlt werden“, das weiß niemand besser als Hans Sulka, der fahrende Händler, der seine Ware auf Jahrmärkten feilbietet und daher gerade jetzt in Kriegszeiten angewiesen ist auf Bewegungsfreiheit. Die garantiert ihm nur ein Passierschein des Kommandeurs, ist aber nicht ohne Gegenleistung zu erhalten. Schnitzinger ist zu Ohren gekommen, dass sich eine neue Partisaneneinheit aus deutschen Überläufern und deutschsprachigen Slowenen gebildet hat unter dem Namen des inhaftierten Kommunisten Ernst Thälmann. Diese agitiert, allen voran der eloquente Lukas „Matts“ Mattheis (Gojko Mitić), in den Dörfern und auf Jahrmärkten, um Nachwuchs für den Widerstand gegen das faschistische Ustascha-Regime und deren deutsche Schutzmacht zu akquirieren. Der Händler soll sich auf seinen Fahrten über Land umhören und Meldung machen, wenn er den Standort der Aufständischen herausfindet.

Als Vergeltungsmaßnahmen für den Überfall auf die Fähre wird ein halbes Dorf niedergebrannt – und die als Geiseln genommenen Bewohner gleich mit. Unter den Augen Josef Sulkas geschieht das Verbrechen, wobei ein Landser, der sich nicht an dem bestialischen Mord beteiligen will, vom Kommandanten eigenhändig und ohne Standgerichtsurteil erschossen wird. Parallel dazu erhalten die Thälmann-Partisanen Zuwachs – und Hans Sulka, der sich eigentlich aus allem heraushalten will, übernimmt den Transport, weil er die Bitte von Maria Blanusa (Maren Schumacher) nicht abschlagen kann: Rudi ist von der Ostfront desertiert und hat sich bis hierhin durchgeschlagen. Er wird die Gruppe um Milan Folk, die ausdrücklich nur einen Propaganda- und keinen Kampfauftrag hat, mit seiner Erfahrung auch militärisch verstärken.

Als sich auch noch Hans Sulkas Tochter Anna, die verwitwete Mutter des kleinen, aufgeweckten Boris, den Partisanen um ihren Freund Milan anschließt, wachsen die Sorgen des Familienoberhauptes, das sich nun auch allein um den Enkel kümmern muss, auf ein Maß antiker Tragödien: den Sohn Josef will er vor dem Marschbefehl an die Ostfront beschützen, die Tochter Anna nicht verraten – und den kleinen Boris aus allem heraushalten. Der bewundert seinen uniformierten Onkel, der ihm ein Fahrtenmesser geschenkt hat und ihn ab und zu im Seitenwagen seines Wehrmachtskrads mitfahren lässt. Hans nimmt sich einen Strick, fühlt dann aber wohl soviel Verantwortung für die Familie, dass er vom Selbstmordversuch, von dem der Filmzuschauer erst viel später und eher nebenbei erfährt, ablässt.

Beim nächsten Jahrmarktsbesuch nimmt Hans Sulka seinen Enkel mit, der dort seine Mutter wiedersieht, die mit den Partisanen eine Flugblattaktion durchführt. Doch dieser Propaganda-Einsatz ist verraten worden – die Deutschen schießen mit Mörsern das Festgelände zusammen, wobei auch das Pferd des Händlers getötet wird. Nur mit Mühe kann Josef seinen gefangenen Vater vor der Erschießung durch die Schwarzhemden der Ustascha retten. Ein Großteil der Dorfbewohner ist in einem Gutshof interniert. Ihnen droht das gleiche Schicksal wie den am Überfall auf die Fähre unschuldigen Anwohnern – die Erschießung oder gar Verbrennung als Geiseln.

Der Wehrmachts-Deserteur Rudi kann sich in der Thälmann-Einheit gegen den Führer Milan durchsetzen: die Partisanen befreien die Geiseln. Was sogleich die hochgerüstete Kriegsmaschinerie der Deutschen in Bewegung setzt: Schnitzinger benutzt Josef Sulka als Lockvogel, um das Lager der Aufständischen ausfindig zu machen, und rückt mit großem Gerät an. Die Partisanen haben keine Chance. Als Hans Sulka bemerkt, dass er ausgerechnet von seinem Sohn in die Falle gelockt worden ist, erschießt er ihn in der Kirche, in der er sich mit den schwerer verletzten und daher transportunfähigen Partisanen verborgen hat...

„Lasst mich doch eine Taube sein“ geht auf den 1986 erschienenen gleichnamigen Roman von Wolfgang Held zurück, der auf authentischen Ereignissen beruht. Die letzte Defa-Koproduktion mit Jugoslawien kam zu denkbar unglücklicher Zeit in die Kinos: 1990 hatten die Menschen sowohl in der deutsch-deutschen Wendezeit als auch im bald ausbrechenden jugoslawischen Bürgerkrieg anderes zu tun, als sich eine Partisanengeschichte aus grauer Vorzeit anzuschauen. „Warum über diesen Film schreiben?“ fragte sich dann auch Hendryk Goldberg im Ost-Berliner „Filmspiegel“.

Eine mögliche Antwort: Ein – wenn auch durchaus facettenreiches – Heldenepos aus einer Zeit, in der noch an den Sieg des Sozialismus geglaubt wurde, als Durchhaltefilm in einer europaweiten politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Umbruchphase, in der sich das Ende des Traums von einem weltumspannenden Kommunismus abzeichnete. Ich behaupte: Zwanzig, dreißig Jahre früher hätte der Film des überaus erfolgreichen serbischen Regisseurs Miomir Stamenković mit dem Tabubruch des offen selbständigen Agierens der faschistischen Ustascha an der Seite der deutschen Okkupanten fruchtbare Kontroversen in beiden Ländern ausgelöst. So konnten die wenigen Rezensenten in frisch gewonnener freier Wortwahl über ein „Partisanenepos alten Stils“ lästern – und verkannten die neue, mutig-differenzierte Sichtweise des Regisseurs.

Manfred Möck, Mike Gerber, Darsteller des Obersturmbannführers, und Uwe Lach, extra aus Dresden angereister und inzwischen selbst Regie führender Darsteller des Gitarristen, bekundeten bei der Wiederaufführung am 21. März 2019 im Prenzelberger Kaffekaffe unisono die lockere, völlig entspannte Atmosphäre beim Drehen in Jugoslawien. An der Save, dem Grenzfluss zwischen den heute selbständigen Staaten Serbien und Kroatien und schon im Ersten Weltkrieg erbittert umkämpft, und am Donauknie bei Vukovar fanden die Dreharbeiten statt. Niemand hat etwas von Spannungen gespürt, die wenige Wochen nach Drehschluss jüngst in Vukovar ihren Anfang nahmen, sich zum Bürgerkrieg ausweiteten und zur Auflösung des Tito-Staates führten. Das Hotel, in dem das Filmteam untergekommen war, ging als erstes größeres Gebäude in Flammen auf.

Pitt Herrmann

Credits

Alle Credits

Länge:
2779 m, 101 min
Format:
35mm, 1:1,66
Bild/Ton:
Farbe, Ton
Prüfung/Zensur:

Zensur (DD): 26.01.1990, Zulassung

Aufführung:

Uraufführung (DD): 22.02.1990, Berlin, International

Titel

  • Originaltitel (DD) Laßt mich doch eine Taube sein
  • Originaltitel (YU) Volio bih da sam golub
  • Schreibvariante (YU) Волио бих да сам голуб

Fassungen

Original

Länge:
2779 m, 101 min
Format:
35mm, 1:1,66
Bild/Ton:
Farbe, Ton
Prüfung/Zensur:

Zensur (DD): 26.01.1990, Zulassung

Aufführung:

Uraufführung (DD): 22.02.1990, Berlin, International