Credits
Regie
Drehbuch
Kamera
Schnitt
Musik
Alle Credits
Regie
Drehbuch
Dramaturgie
Kamera
Schnitt
Musik
Produktionsfirma
Redaktion
Erstverleih
Länge:
831 m, 30 min
Format:
35mm
Bild/Ton:
s/w, Ton
Aufführung:
Uraufführung (DD): 30.03.1973;
Aufführung (DE): April 1973, Oberhausen, Westdeutsche Kurzfilmtage
Titel
- Originaltitel (DD) Ewa - Ein Mädchen aus Witunia
Fassungen
Original
Länge:
831 m, 30 min
Format:
35mm
Bild/Ton:
s/w, Ton
Aufführung:
Uraufführung (DD): 30.03.1973;
Aufführung (DE): April 1973, Oberhausen, Westdeutsche Kurzfilmtage
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„Die Fahrt geht nach Berlin. Du fährst nicht als Touristin, du arbeitest bei uns, schon seit dem Herbst `71. Die DDR hat Mangel an Arbeitskräften und kann Hilfe gebrauchen. Zusammenarbeit, die gerade erst anfängt, noch keine Gewohnheit“: In der ersten Einstellung verabschiedet sich Ewa aus dem Zugabteilfenster im Bahnhof von Bydgoszcz von einer Freundin. Der Zug fährt nach Berlin, aus dem Fenster fliegt die heimatliche Landschaft vorbei. 27 Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg, der deutsche Überfall auf Polen wird in wenigen, aber markanten Dokumentaraufnahmen ins Gedächtnis zurückgeholt, arbeiten junge Polinnen im heute sozialistischen Bruderstaat. Sie leben, zu neunt in einer Drei-Zimmer-Wohnung, recht isoliert in der Baustelle einer Plattenbau-Hochhaussiedlung am östlichen Rand der Hauptstadt.
Die Kamera begleitet die nur wenige Brocken Deutsch sprechenden Mädchen auch im Alltag, etwa im Bus oder beim Einkaufen. Ewa aus dem Off (Sprecherin: Renate von Wangenheim): „Es gibt natürlich noch unangenehme Situationen, es gibt noch Leute die uns fern halten wollen aus ihrem Kreis, noch immer, das hört sich lächerlich an, weil man doch schon ein Jahr zusammen arbeitet, und ich weiß nicht was sie gegen uns haben das sie uns von der Seite angesehen. Aber das ist schon nicht mehr so wichtig weil es immer weniger diese Leute gibt.“ Außer bei Freizeitaktivitäten der KWO-Jugend zeigt der Film freilich keine deutsch-polnischen Begegnungen unter den jungen Arbeitern. Bei Besprechungen im Kollektiv ist stets eine Dolmetscherin dabei. „Es gibt dicken und dünnen Draht, der dünne lässt sich leichter verarbeiten - den bekommen oft nur die deutschen Kollegen“: Offen bekennt Ewa, dass sich Vorurteile wie etwa das einer „polnischen Wirtschaft“, hartnäckig halten, dass offene Aggressionen aber weniger geworden sind. „Da scheint so manches noch nicht im rechten Lot“, lässt sich der Sprecher Werner Tietze aus dem Off vernehmen: „Und so lassen sie Meister Johannes etwas ratlos mit einem nicht ausgestandenen Konflikt zurück.“
Der kehrt nach einem offiziellen Besuch in Bydgoszcz wie verwandelt zurück und beschließt, Polnisch zu lernen und seine „polnischen Mädels“ besser zu integrieren. Auch Ewa wird jetzt häufiger in Familien deutscher Kollegen eingeladen zu gemeinsamen Unternehmungen: „Weißt du, man steht wie die Kuh vor einem neuen Tor und guckt, heute, man hat das ganze Jahr mit den Deutschen zusammengearbeitet, man lebt schon besser mit ihnen. Ich kann sagen, ich erlebe selber was zwischen uns und den Deutschen vorgeht, es ist schon ein Kombinationspunkt.“ Was auch immer das heißen soll.
Ewa ist zufrieden mit dem Annäherungsprozess: „Ja, Johannes hat sich geändert, ich weiß sogar warum, denn es fing an als er aus Polen zurückkam. Er war so begeistert, dass er immer davon sprach, er war doch bei uns, bei meiner Familie. Er war überhaupt irgendwie überrascht, na und ich genauso. Er hat mich einige Male eingeladen, mit seiner Familie haben wir Ausflüge gemacht an die Seen, übrigens eine sehr nette Familie. Irgendwie fühle ich mich weniger fremd.“
Am 1. Januar 1972 ist die Visumpflicht zwischen der DDR und Polen aufgehoben worden. „Auf beiden Seiten der Grenze wird heute die Antwort gesucht auf die nicht laut gestellte Frage: Wie können wir die Grenzen überwinden die noch in uns sind?“: Während der Film am Ende zu pathetischem Kommentar die „Freundschaftsbrücke“ in Frankfurt/Oder zeigt mit DDR-Bürgern, die in ihren Trabis Richtung Osten stinken, kommt es, so berichtet es Kameramann Wolfgang Dietzel, am Alexanderplatz im Centrum-Warenhaus zu gewalttätigen Auseinandersetzungen, nachdem Polen den Einheimischen, vielfach aus der DDR-Provinz in die Hauptstadt angereist, immer wieder neu gelieferte Ware vor der Nase wegschnappen.
Dieser halbstündige, von Wolfgang Dietzel in Schwarz-Weiß gedrehte Dokumentarfilm mit Anlaufdatum vom 30. März 1973 war ursprünglich wohl nur für den „Sondereinsatz“ vorgesehen „in Gebieten, in denen polnische Facharbeiter tätig sind.“ Wie Wolfgang Dietzel bei einer Vorführung im Rahmen der Reihe „Berlin-Dokument“ am 9. April 2019 im Zeughauskino bestätigte, war der auf 16mm-Format gedrehte und auf 35mm gepowerte Film nach Aufführungen auf dem nationalen Dokfilm-Festival in Brandenburg und dem internationalen Festival in Leipzig in der ganzen DDR gezeigt worden, wie der Begleitzettel der in seinem Besitz befindlichen Kopie belegt. Die wie üblich auf fünf Jahre befristete Zulassung wurde 1978 allerdings nicht verlängert.
Zum gleichen Thema hat das Defa-Team einen 40-minütigen Streifen für das Fernsehen der DDR produziert, der dort ein einziges Mal ausgestrahlt worden sein soll: „Polen in Berlin“ sei, so Kurator Jeanpaul Goergen, bewusst gedreht worden, um der wachsenden Stimmung in der DDR-Bevölkerung gegen die polnische „Invasion“ nach der Visumfreiheit etwas entgegenzusetzen. In der Einschätzung des Defa-Studios (vom 9.12.1972, gez. Liebmann) heißt es: „Wenn wir zeigen, wie polnische und deutsche Arbeiter im KWO den Schritt zueinander tun, dann wird unser Publikum die seit Öffnung der Grenze deutlich gewordenen widersprüchlichen Emotionen besser einschätzen und reinigen lernen.“
Pitt Herrmann